Österreicher Killington-Organisationschef
25 Jahre nach dem bisher letzten Weltcup-Rennen in Neuengland (Waterville 1991) und fast 40 nach dem letzten in Vermont (Stratton 1978) kehrt der Skirennsport in den USA an die Ostküste und damit seine eigentliche Heimat zurück. Die Damen-Weltcup-Rennen am Thanksgiving-Wochenende in Killington sorgen für große Aufmerksamkeit. „Die Begeisterung ist unfassbar“, berichtet etwa OK-Chef Herwig Demschar.
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Der 56-jährige Österreicher lebt und arbeitet seit über 20 Jahren in den USA und ist in Killington Chef des Organisationskomitees (OK). Bis 1994, der Saison mit dem tödlichen Unfall Ulrike Maiers, war Demschar ÖSV-Damen-Chef. Danach wechselte der Steirer in die USA, wo er zunächst das Team rund um Olympiasiegerin Picabo Street betreute, ehe er bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City, Turin und Vancouver in führenden Managementpositionen tätig war.

GEPA/Franz Pammer
Herwig Demschar freut sich auf ein spektakuläres Wochenende
Demschars Söhne Dominic (23) und Daniel (21) sind dank australischer Staatsbürgerschaft bei WM und Olympia gestartet. Seit 2007 entwickelt der Grazer für die amerikanische Powder Corp Skigebiete in den USA. 170.000 Kilometer legt er deshalb jährlich im Flugzeug zurück. In Killington ist der Österreicher auch Herr über mehr als 320 freiwillige Helfer. „600 hatten sich beworben, wir mussten leider vielen absagen“, so Demschar.
Zuschaueransturm erwartet
Die Begeisterung im Osten über die ersten Weltcup-Rennen seit Jahrzehnten ist unübersehbar. „Alle sind begeistert. Selbst der Ortssherriff winkt mir mittlerweile zu. Minivideos von der Schneeproduktion haben innerhalb kürzester Zeit zehntausend Views bekommen“, schilderte Demschar den Status quo. Die schnell ausverkaufte Veranstaltung entwickelte sich zum Megaevent. Bis zu 7.000 Fans werden an jedem Renntag des reiseintensivsten Wochenendes in Nordamerika erwartet.

Grafik: APA/ORF.at
Ein mittleres Verkehrschaos dürfte im 800-Einwohner-Ort am Fuße des mit 611 Hektar größten und deshalb „Beast of the East“ genannten Skiresorts im Osten der USA nicht auszuschließen sein. Das ist für ein Skisportevent in den USA durchaus außergewöhnlich. Mittlerweile haben sich über 200 Medienvertreter und sogar TV-Stationen aus New York angesagt, obwohl kein Olympiajahr ist. Der Hype um die Weltcup-Rennen in Vermont hat Gründe. Der hügelige Nordosten der USA hat viel Wintersportgeschichte, die Menschen dort sind aktiv und passiv sportbegeistert.
Viel Tradition und Begeisterung
Jake Burton hat hier seine ersten Snowboards entwickelt. Auch die ersten Skipioniere aus Österreich wirkten in den 1950er und 1960er Jahren im Osten, ehe der Treck weiter nach Westen in die Rocky Mountains zog. Dafür haben die vergleichsweise niedrigen Berge Neuenglands, die für den „Indian Summer“ bekannt sind, ein enormes Einzugsgebiet. 70 bis 80 Millionen Menschen wohnen innerhalb weniger Autostunden in Boston, New York City oder Montreal. Die Wintersportindustrie macht hier ihre Umsätze.
Auch ein Großteil der wichtigen Skiinternate wie die Burke Mountain Academy, in der die in Vail geborene Slalom-Olympiasiegerin Mikaela Shiffrin ihre Skitechnik perfektioniert hat, liegen in Vermont. Sie habe von den „europäischen“ Verhältnissen hier profitiert, betonte Shiffrin. Bode Miller ist im 150 Meilen von Killington entfernten Franconia in New Hampshire aufgewachsen und hat dort seine einzigartige Renntechnik entwickelt.
Wiege des US-Skisports
Auf ihr skifahrerisches Können sind alle Ostküstenskifahrer stolz. Sie haben sich mit dem „East Coast Skier“ einen eigenen Qualitätsbegriff geschaffen. Denn aufgrund der niedrigen Seehöhe und der feuchten Atlantikluft lernt man hier Skifahren auf eisigen, schwierigen Pisten statt im luftigen Pulverschnee der Rockies. Der Österreicher Rupert Huber ist in den 1960ern Profiskirennen in Killington gefahren. Der Salzburger erinnert sich an heiße Bewerbe gegen Asse wie Billy Kidd, Jimmy Heuga, Pepi Gramshammer und Jean-Claude Killy sowie an arktische Temperaturen in Vermont.

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Der Skiort Killington aus der Vogelperspektive
„Hier wurde der amerikanische Alpinskifahrer geboren und hier wurde schon Kunstschnee gemacht, als man die Technologie bei uns daheim noch gar nicht kannte“, so Huber. „Deshalb nennt man den Pulverschnee hier auch scherzhaft blue ice.“ Blaues Eis also. Bei den kommenden Technikauftritten der Damen wird es wohl nicht so schlimm kommen. Obwohl Anfang der Weltcup-Woche eine Front einen Temperatursturz sowie gut 30 Zentimeter Neuschnee brachte und gleichzeitig ein Sturm mit bis zu 100 km/h über den nur 1.291 Meter hohen Killington Peak herfiel.
„Es hat genau gestimmt“
Nachdem man seit Oktober wegen der hohen Temperaturen wochenlang mit 120 Kanonen um jedes Kunstschneekristall auf einem einsamen Schneeband gekämpft hatte, ist nun am Rennwochenende sogar „Weihnachtsstimmung“ angesagt. Wie Shiffrin flogen deshalb auch die ÖSV-Damen früher als geplant aus Colorado herbei, nachdem nun auch Trainings- und Einfahrpiste zur Verfügung stehen.
Dass die Vergabe von Weltcup-Rennen an die Ostküste ein Risiko gewesen sei, glaubt Demschar nicht. „Wir haben Aufzeichnungen, die über 35 Jahre besagen, dass wir in einem Jahr sind, in dem es vor Thanksgiving kalt wird. Es hat genau gestimmt.“
Letztlich wurde auf dem Rennhang Superstar eine zwei Meter dicke Schneedecke produziert. „Wir hätten schon Dienstag locker ein Rennen fahren können“, sagte Demschar zur APA. Die Idee, wieder Rennen an der Nordostküste zu fahren, hat Hintergründe. Weil Aspen diesen Winter das Finale im März austrägt, war der November frei. Und damit der Weg zu Rennen in Killington, nachdem man laut Demschar sogar ein Rampenskirennen im Baseball-Stadion der Red Sox in Boston angedacht hatte.
Keine Zufallssiegerin zu erwarten
Während diesmal alle Herren-Rennen in Nordamerika wegen Schneemangels abgesagt werden mussten, bewährte sich nun mit Killington ausgerechnet das am niedrigsten liegende Nordamerikaresort. Das Ziel liegt auf nur 760 Metern. „Jede Minute haben wir genutzt, um Schnee zu produzieren“, berichtet Demschar stolz. Er bezeichnete die Rennpiste mit ihrem steilen Starthang als „Mittelding zwischen Maribor und Kranjska Gora“ sowie als Herausforderung für die Damen.

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Auch Mikaela Shiffrin lernte an der Ostküste richtig Skifahren
Zufallssiegerin werde es eher keine geben, ist der ehemalige Coach überzeugt. „Aber warten wir ab, wie sich die Piste entwickelt.“ Denn an der US-Ostküste sei das von Jetstream, Topografie und Atlantiknähe geprägte Wetter launisch. „Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte fünf Minuten, sagt man hier“, so Demschar. Deshalb werde man den Kraftakt auch erst bejubeln, wenn die letzte Läuferin im Ziel sei. „It isn’t over, until the fat lady sings“, zitierte Demschar. Das Stück ist nicht vorbei, bevor der Vorhang fällt.
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