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Die „Corviglia“ unter der Lupe

Die WM-Abfahrt auf der Corviglia in St. Moritz wird am Samstag zu einem Krimi. Dafür sorgen zahlreiche Hindernisse und Mutproben, die laut dem ORF-Experten Armin Assinger für Selektion bürgen. Für ORF.at skizzierte Assinger noch einmal die einzelnen Abschnitte und entscheidenden Stellen der WM-Strecke 2017 und die Chancen der Österreicher auf eine Medaille.

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Die Strecke, auf der bereits 2003 Michael Walchhofer in der Abfahrt zu WM-Gold gerast war, zeigte bereits in den Trainingsläufen ihre Tücken. So kam etwa der Kasache Martin Khuber im ersten Zeitlauf schwer zu Sturz und erlitt dabei eine Fraktur des zweiten Halswirbels. Auch die Topfahrer hatten mit der selektiven Piste immer wieder zu kämpfen.

„Freier Fall“ und Gleitpassagen

Assinger: „Der ,Freie Fall‘, dieser steile Start ist ein Charakteristikum der Corviglia. Da oben beschleunigen die Fahrer innerhalb von nur drei Sekunden auf über 100 km/h. Danach folgt ein eher flacher Abschnitt mit mehreren Wellen und Übergängen, wo es darauf ankommt, sich die Wellen wirklich einzuprägen und die Übergänge zu studieren. Jede einzelne Welle sollte zum Beschleunigen genutzt werden. Hier muss der Ski gut laufen bzw. eine gute und kompakte Hocke gefahren werden. Da sind ausgezeichnete Gleiterqualitäten bei den Athleten gefragt.“

Armin Assinger

GEPA/Andreas Pranter

Armin Assinger analysiert die Schwierigkeiten der WM-Abfahrt

Sprünge und schwierige Kurven

Assinger: „Der zweite Streckenteil ist geprägt von Sprüngen, zum Teil sogar sehr weiten Sprüngen mit anschließend sehr schnellen und blind einzulenkenden Kurven. Hier ist es entscheidend, sich die Einlenkpunkte davor ganz genau anzuschauen. Die Schwungansätze müssen auf den Meter genau getroffen werden, um danach nicht im Nirvana zu stehen und ein Tor zu versäumen oder so hineinreißen zu müssen, dass man einen Haken schlagen muss wie ein Hase auf der Flucht.“

Konzentration bis ins Ziel

Assinger: „Entscheidend ist in der Folge auch die Ausfahrt aus der Passage Felsen, wo es heißt, viel Geschwindigkeit für den letzten Abschnitt mitzunehmen, wo es wieder kurz flach dahingeht, bevor man beim Rominger-Sprung, dem vorletzten Sprung, wieder Tempo aufnimmt - weil es steil wird - in Richtung Ziel. Auch der allerletzte Sprung ist wichtig, wer dort nur einen kleinen Fehler macht, kann noch einmal die alles entscheidenden Hundertstelsekunden verlieren.“

Mutproben auf der Corviglia

Assinger: „Da sind der Mauritius-Sprung herauszuheben, der weit über so einen Vorbau hineingeht und die anschließende Mauer, die ebenfalls durch einen Sprung charakterisiert bzw. markiert wird. Dort hat es ja vor zwei Wochen im Training der Schweizer den Rekordsprung von Beat Feuz auf 85 Meter gegeben. Inzwischen wurde der Sprung entschärft. Aber im Rennen, wenn es hart auf hart geht, werden sie dort sicher wieder an die 60 Meter weit springen.“

Kriechmayrs Trainingsfahrt

Bei der Fahrt von Vincent Kriechmayr im Training sind die Tücken der Corviglia-Strecke gut erkennbar.

„Eine ganz besondere Mutprobe ist aber die Ausfahrt aus dem Felsen, an der wir schon im Super-G viele schwere Stürze gesehen haben und auch Max Franz sowohl im Training wie auch im Super-G grobe Probleme hatte. Die Stelle ist ungut, weil die Kante nicht genau zu sehen ist. Das ist ein lang gezogener Buckel auf dem der Läufer nicht erkennen kann, wann er leicht wird und den Boden unter den Füßen verliert.“

„Daher ist es schwierig, den Druckpunkt zu finden - also den Punkt, an dem du beginnst, den Ski zu drücken. Der Schwerpunkt muss vorne sein. Wenn du zu spät dran bist, steigen die Ski auf. Dann passiert das, was Franz passierte. Ein Sturz ist in diesem Fall nur schwer zu vermeiden.“

Nyman

GEPA/Wolfgang Grebien

Wer bei den Sprüngen nicht optimal vorbereitet ist, gerät in Sturzgefahr

Chancen der Österreicher

Assinger: „Unsere Burschen haben Chancen auf eine Medaille, keine Frage. Speziell Vincent Kriechmayr hat einen extrem starken Eindruck hinterlassen. In der Quali im Training ist er die Konkurrenten ja in Grund und Boden gefahren und klar voran gelegen. Jetzt kommt es darauf an, locker ins Rennen zu gehen und sich von dieser Bestzeit nicht beeinflussen zu lassen. Er muss, wie man so schön sagt, sein Ding durchziehen.“

Grafik zur Ski-WM in St. Moritz

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/stmoritz2017.ch

„Bei Hannes Reichelt bin ich mir leider nicht ganz sicher. Er ist auf dieser Strecke bisher interessanterweise noch nicht zurechtgekommen. Wobei ich ihn grundsätzlich hier hoch einschätze, weil eben das weiche Fahren gefordert ist. Bei Franz müssen wir schauen, wie er mit den Problemen im Training fertigwird. Er hat bisher keine ordentliche Zeit zusammengebracht.“

„Und bei Matthias Mayer müssen wir abwarten, ob es ihm gelingt, einen weiteren Schritt nach vorne zu machen. Das Training war nicht schlecht, aber der Zeitrückstand auf Kriechmayr hat ihm sicher auch zu denken gegeben - genauso wie der anderen Konkurrenz. Fazit: Die Medaillenchance lebt. Das Können wäre vorhanden, aber ohne Glück geht gar nichts.“

Michael Fruhmann, ORF.at, aus St. Moritz

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