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„Da muss noch ein großer Schritt kommen“

Im WM-Riesentorlauf greift Anna Veith am Donnerstag (9.45 bzw. 13.00 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) in St. Moritz noch einmal an. Als Titelverteidigerin gibt sich die 27-Jährige ob ihrer Probleme mit dem lädierten Knie aber keinen Illusionen hin. Für eine Medaille müsste sie voll ans Limit gehen, und das gelingt ihr derzeit erst selten. In der Schweiz schaffte sie es bisher gar nicht.

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Veiths Absage für die Abfahrt am vergangenen Sonntag war nicht unerwartet, letztlich aber doch überraschend gekommen und der Weg damit für Stephanie Venier freigemacht worden, die ihre Chance mit Silber nutzte. Ihre Entscheidung sei nicht nur deshalb richtig gewesen, sagte Veith. Die Sprünge in der Abfahrt waren für ihr verletztes Knie schlecht, zu kräfteraubend. In diesem Zustand das Rennen zu bestreiten wäre laut Veith nicht dafürgestanden. Die Kosten-Nutzen-Rechnung wäre nicht aufgegangen. Nur dabei zu sein war nicht ihr Anspruch.

Im Rennen nicht fokussiert

„Ich habe selbst gemerkt, dass noch ein großer Schritt kommen muss, um vorne mitfahren zu können. Mit jedem Training ist das Gefühl aber schlechter geworden. Mir wurde klar, wie schwierig es wird, dass das Weltmeisterschaften sind und dass es in meiner Verfassung nur fair wäre, den anderen den Vortritt zu lassen“, so Veith, die bei der Landung nach den Sprüngen im Flachen unter großem Druck die größten Probleme hatte. „Dadurch war ich nicht fokussiert, sondern abgelenkt. In der Abfahrt kann das gefährlich werden“, gab Veith zu bedenken.

Anna Veith

APA/Helmut Fohringer

Für Veith lief es zuletzt nicht ganz nach Plan

Den Vor- oder Nachteil der aktuell weichen Pistenbedingungen in St. Moritz für ihr lädiertes Knie im Riesentorlauf wusste die Salzburgerin nicht recht einzuschätzen. „Das kommt drauf an, wie weich es ist. Auf pickelharter Piste ist der Druck natürlich größer. Gibt der Schnee ein bisserl nach, ist es vermutlich besser fürs Knie, weil es mehr Spielraum gibt. Ist die Piste aber ganz weich mit vielen Schlägen und Spuren, wäre es schlecht.“ Die goldene Mitte wäre wünschenswert - also weich, aber nicht zu weich, damit „es einen gewissen Halt“ gibt.

Rückkehr mit frischen Kräften

Mit dem Fokus auf den Riesentorlauf gönnte sich Veith nach ihrer Abfahrtsabsage zwei Tage Pause, um frische Kräfte zu sammeln und Abstand zu gewinnen, ehe sie in St. Anton und Lech trainierte. „Was anderes zu sehen und nicht nur im Teamhotel herumzuhängen ist sicher förderlich, wenn man kein WM-Rennen fährt“, so Veith. Mit den Trainingseindrücken war sie zufrieden. „Am zweiten Tag war es super, ich versuchte im Renntempo zu fahren, um in den Rennmodus zu finden. Ich musste mein persönliches Limit im ‚Riesen‘ austesten, weil die Konzentration zuletzt ja auf den Speed-Bewerben lag.“

Mit diesen Erfahrungen im Gepäck kam Veith nach St. Moritz zurück, wo sie am Dienstag noch einen Ruhetag einlegte und am Mittwoch trainierte. Am Donnerstag geht es um eine mögliche Medaille. Ein Wunder sei im Riesentorlauf nach einer Woche Training nicht zu erwarten. „Mir ging es um den Gefühl-Aufbau, dass ich mir sicher bin in dem, was ich mache, und dass ich bereit bin, im Rennen was zu riskieren. Ob ich Favoritin bin oder mit welcher Nummer ist starte, spielt dabei keine Rolle. Ich will mich auf meinen Lauf konzentrieren und mein derzeitiges Können abrufen. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.“

„Ich probiere es jeden Tag“

Ob sie schon voll ans Limit gehen kann? Veith lacht: „Ich probiere es jeden Tag. Aber es ist immer anders. In Cortina ging es durch (Super-G-Dritte, Anm.), dann gibt es wieder Tage wie beim WM-Super-G (ausgeschieden, Anm.), da geht es gar nicht.“ Eine Prognose für die WM-Entscheidung im Riesentorlauf sei schwierig. Von einer Medaille wolle sie erst gar nicht reden. „Ich wäre schon zufrieden, wenn ich im Ziel sagen könnte, ich habe meine beste Leistung gebracht. Welcher Platz dann rausschaut, ist nicht wichtig. Darum geht es für mich in meiner aktuellen Situation nun wirklich nicht.“

Die Sehnsucht nach dem Gefühl des Erfolgs wird bei Veith allerdings größer. Wie sich das anfühlt, sah sie bei ihren ÖSV-Teamkolleginnen in der ersten WM-Woche. „Da habe ich mich daran erinnert, was sich abspielt, wenn man eine Medaille gewinnt“, erläuterte die Doppelweltmeisterin von Beaver Creek 2015. „Jetzt ist es halt nicht so. Das muss man annehmen können, um wieder einen Schritt nach vorne machen zu können. Der Erfolg von Nicole Schmidhofer (WM-Gold im Super-G, Anm.) nach ihren Problemen ist gerade auch für mich motivierend, weil ich sah, warum man sich das alles antut und dass es sich lohnt, für den Erfolg zu kämpfen.“

Michael Fruhmann, ORF.at aus St. Moritz

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