Zahlreiche Verletzte bei Stadion-„Sturm“
Dem deutschen Zweitligisten Dynamo Dresden droht wegen gewalttätiger Ausschreitungen seiner Anhänger erneut schweres Ungemach. Nach dem bizarren martialischen Auftritt von rund 2.000 Dynamo-Hooligans rund um das am Sonntag mit 4:3 gewonnene Match beim Karlsruher SC nahm der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Montag die Ermittlungen auf. Es drohen saftige Strafen.
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Eingehüllt in Rauchschwaden und begleitet von Leuchtraketen waren teils vermummte Dresdner Krawallmacher im kompletten Militärlook durch Karlsruhe marschiert. „Krieg dem DFB“ stand auf einem ihrer Transparente. Danach überrannten die Chaoten den Eingangsbereich im Wildparkstadion, plünderten Imbissstände und verletzten dabei laut Behördenberichten 21 Ordner. Auch Personal an den Verpflegungsständen wurde laut Polizeibericht „massiv angegangen“, zuvor 15 Polizisten durch Pyrotechnik verletzt.

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Verstörende Szenen in einem Fußballstadion am Sonntag beim Spiel Karlsruhe gegen Dresden
Der Großteil der Dynamo-Fans war mit Militärhüten und Shirts mit dem Aufdruck „Football Army Dynamo Dresden“ im Wildparkstadtion erschienen. „Dieser militärische Anstrich ist eine neue Komponente, die wir in unsere Überlegungen einzubeziehen haben“, sagte Hans E. Lorenz, Vorsitzender des DFB-Sportgerichts am Montag der Tageszeitung „Die Welt“. Die Dresdner sorgten nun „für eine Premiere, die das Strafmaß beeinflussen könnte“.
Verein reagiert erneut zurückhaltend
„Gewalt, Kriegsrhetorik & Panzer auf Zaunfahnen? Die SGD ist stark und ruhmreich. Aber ganz gewiss nicht so“, hatte Dynamo nach den Vorkommnissen getwittert. Während der Partie hatten Dynamo-Fans unter anderem - unter dem Applaus der Karlsruher Haupttribüne - mit Plakaten einen Panzer rollen lassen. Am Montag blockten die Dynamo-Verantwortlichen Fragen ab. Sie wollen sich zur lange geplanten Aktion der „Football Army“ schriftlich äußern.
Man wolle keine Vorverurteilungen treffen, ohne nicht alle Hintergründe zu kennen, erklärte die Pressestelle des Vereins. Nach Spielende hatte Dynamo-Geschäftsführer Michael Born zur „Sächsischen Zeitung“ die irritierende Aussage getätigt: „Zum Teil beeindruckend, zum Teil weit über die Grenzen hinaus und so nicht akzeptabel.“ Nach intensiver Analyse kündigte Born Konsequenzen an, er wolle jedoch „keine vorschnellen Schlüsse“ ziehen.
Auch Spieler mit militärischem Gruß
Unverständlich die Reaktion der Spieler: Teile der Dynamo-Mannschaft liefen nach Schlusspfiff im Stechschritt in Richtung Fankurve und zeigten einen militärischen Gruß. Dynamo reagiert wie immer bei Ausschreitungen seiner Fans. „Wir distanzieren uns als Verein klar von jeder Form von Gewalt und verurteilen auch Spruchbänder, die dazu aufrufen“, erklärte Sportgeschäftsführer Ralf Minge. Zugleich entschuldigte er sich bei den Verletzten. Der kaufmännische Geschäftsführer Michael Born kündigte Konsequenzen an, die „nachhaltige Wirksamkeit entfalten, aber gleichzeitig nicht zu einer weiteren Eskalation beitragen sollen“.
So verurteilte der Traditionsverein zwar die Vorkommnisse - wie fast immer -, doch er muss sich die Frage gefallen lassen: Warum ist er nicht gegen seine eigenen Anhänger eingeschritten? Bereits im Vorfeld rief das Umfeld mit Camouflage-Fanpaketen zu einem „Marsch mit Überraschungen“ auf. Warum durften die Dynamo-Anhänger nach so einem martialischen Auftritt überhaupt ins Stadion? Die Begleitung der Polizei erfolgte nach eigenen Angaben nur „bis zum abgesperrten Stadionbereich des Gästeeingangs“.
Politik gefordert
Danach „überrannten die Dynamo-Fans in einer gezielten Aktion die dort eingesetzten Ordner, sodass eine Vielzahl von Personen gewaltsam und unkontrolliert in das Stadion gelangen konnte“. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sagte der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“: „Ich kann schon verstehen, dass sich viele Bürger fragen, warum die Kollegen hier nicht eingegriffen haben.“
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verurteilte die gewaltsamen Zwischenfälle: „Wir mussten bei einem Fußballspiel wieder Dinge sehen, die wir wirklich nicht sehen wollen. Das können wir nicht einfach ignorieren.“ Strobl hat bereits einen Sicherheitsgipfel angekündigt, bei dem alle Beteiligten an einen Tisch gebracht werden sollen, um nach Lösungen gegen die Gewalt zu suchen. Das Treffen wird voraussichtlich Anfang Juli sein.
Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere nannte die Vorkommnisse jedenfalls „völlig inakzeptabel“. „Wegen der neuen Qualität der Vorfälle werden wir die Lage am kommenden Freitag im DFB-Präsidium zur Sprache bringen und dort ausführlich mit den Vertretern der Liga analysieren. Die bisherigen Reaktionen bleiben weit hinter dem zurück, was jetzt notwendig ist“, sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch in einer Stellungnahme.
„Schnelle und harte Reaktion der Justiz“
CDU-Politiker De Maiziere sagte in der „Heilbronner Stimme“ (Dienstag): „Wer Ordner und Polizisten attackiert, ist in Wahrheit kein Fußballfan und gehört nicht ins Stadion, sondern hinter Schloss und Riegel.“ Er hoffe auf „eine schnelle und harte Reaktion der Justiz, damit alle wissen, was ihnen droht, wenn man sich so verhält. Die Täter schaden ihrem Verein und sie schaden dem gesamten Fußball.“
„Das hat mit Fußball überhaupt nichts zu tun. Man kann sich auch die Frage stellen, ob solche paramilitärischen Aufmärsche überhaupt geduldet werden dürfen von staatlicher Seite“, sagte Karlsruhe-Präsident Ingo Wellenreuther der dpa. „Die Ermittlung von Tätern und wirksame Prävention werden auch künftig im Zentrum unserer Bemühungen stehen. Die Vorkommnisse in Karlsruhe waren auf unserem Weg zweifelsohne ein Rückschlag“, sagte Dynamos Hauptgeschäftsführer Born.
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