Wurfgerät in London angekommen
Lukas Weißhaidinger stellt sich das so vor: Er schafft am Freitag in London unauffällig die Qualifikation für das WM-Finale der Top Zwölf im Diskuswurf, um sich in keine Mitfavoritenrolle zu bringen. Er greift dort am Samstag zu seinem „Space Traveller“, mit dem er 2016 in Rio de Janeiro überraschend Olympiasechster war, und zeigt den perfekten Wurf.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Weil Weißhaidinger die zwei Kilogramm schwere Scheibe schon einmal nicht im Handgepäck mitführen durfte, ging Trainer Gregor Högler auf Nummer sicher und checkte das schon aufgekratzte und verharzte Lieblingsgerät seines Schützlings in Wien ein. „Alles gut gegangen, Gepäck in London angekommen“, sagte Högler, der den Diskus am Donnerstag bei der Wettkampfleitung abgegeben musste. Kommt er wie erhofft durch die Prüfung, wird ihn Weißhaidinger am Freitag in der Qualifikation im Olympiastadion griffbereit vorfinden.

APA/EXPA/Johann Groder
Der Diskus vom Olympiafinale in Rio de Janeiro hat noch nicht ausgedient
Jeder Athlet darf dann theoretisch darauf zugreifen, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Auch vom Veranstalter werden bei einem Wettkampf stets Disken aufgelegt, von der Firma Denfi sind das zum Beispiel der „Skymaster“ und der „Hyperspin“, aber nicht der von Weißhaidinger bevorzugte „Space Traveller“, der laut Högler ein besonders gutes Flugverhalten im Stadion hat.
Gutes Gefühl vor Qualifikation
Weißhaidinger ist am Freitag in der ersten Gruppe der Qualifikation ab 20.20 Uhr im Einsatz, unter anderem mit dem polnischen Titelverteidiger Piotr Malachowski und dem deutschen Robert Harting, dem Olympiasieger von London 2012. „Ruhig bleiben und technisch sauber arbeiten“, nimmt sich der 25-jährige Oberösterreicher vor. Wer bei drei Versuchen einmal zumindest 64,50 Meter wirft, ist fix im Finale dabei. Anschließend wird das Feld auf mindestens zwölf Athleten aufgefüllt.
„Ich fühle mich sehr gut“, sagte Weißhaidinger jedenfalls nach der Ankunft in der WM-Stadt. Die letzte Wurfeinheit war am Dienstag in der Südstadt, technisch sah das laut dem Trainer „sehr gut“ aus. „Es ist alles gesagt, jetzt müssen dann einmal Taten folgen. Ich freue mich auf den Wettkampf. Ich will mich mit den Besten der Welt messen und meine beste Leistung zeigen. Da kann es regnen, die Sonne scheinen, schneien, es ist mir egal“, meinte Weißhaidinger im verregneten London. Die abschließende Krafteinheit hatte der 1,97 m große und 142 Kilogramm schwere Athlet von Mittwoch auf Donnerstag verlegt - abgestimmt schon auf das Finale.
„Der Favorit gewinnt sicher nichts“
Davor heißt es aber einmal, den Einzug in den Endkampf zu fixieren. „Es gibt für keinen eine Planungssicherheit in der Quali. Du hast drei Versuche und musst unter die besten zwölf kommen. Wenn der erste nichts wird, musst du trotzdem die Coolness haben, im zweiten nochmals dasselbe zu probieren. Im dritten ist eh alles wurscht, da musst alles riskieren“, sagte Weißhaidinger. „Für mich ist neu, wie viel Prozent ich in die Quali lege, ohne dass es in die Hose geht.“

APA/Herbert Pfarrhofer
Trainer Högler will erst im WM-Finale einen perfekten Wurf von Weißhaidinger
Högler hat seine Wunschvorstellung: „Am besten wäre es, unauffällig ins Finale zu kommen, als Zehnter, das wäre mein Traum. Aber nicht wie voriges Jahr in Rio als Zweiter, das ist eine Katastrophe. Klar war er auch im Finale top, aber mir wäre lieber, er wirft 63 und dann im Finale 67 und macht eine Medaille.“ Das Potenzial, alles gleich im ersten Qualiwurf zu erledigen, hätte Weißhaidinger. „Aber er soll ja auch nicht Rekord werfen. Dann sagt jeder, er ist der Favorit. Und der gewinnt sicher nichts, das ist immer so.“
Für den perfekten Wurf muss alles stimmen
Weißhaidingers Saisonbestleistung steht bei 66,52 m, der von ihm gehaltene ÖLV-Rekord seit 2015 bei 67,24 m. Den perfekten Wurf hatte er trotz des achten Platzes in der Jahresweltbestenliste in dieser Saison noch nicht. „Es müssen drei Sachen zusammenspielen: der Ring, wie Lukas drauf ist und der Wind. Aber es war heuer immer, dass es nicht so perfekt war, aber er hat es immer perfekt gelöst“, sagte Högler. Aus seiner Sicht hatte sein Schützling mit den 64,67 m beim Sieg in Dessau des besten Wurf 2017, denn da waren die Bedingungen wegen starken Seitenwindes schwierig.
Das mit den Würfen ist so eine Sache. „Es gibt Würfe, die ich besser finde, und welche, die Gregor besser sieht. Gregor sieht immer auch das Potenzial, das aus einem Wurf entstehen kann. Man muss das über einen langen Zeitraum betrachten. In ein paar Monaten kann sich etwas richtig anfühlen, das sich vorher nicht richtig angefühlt hat“, versuchte Weißhaidinger zu erklären, wie viel Geduld es in dieser komplexen Disziplin manchmal braucht.
„Ich weiß, wie der perfekte Wurf ausschaut, wie er sich anfühlt. Der perfekte Wurf für London ist schon entschieden.“ Es gebe fünfzig Punkte, auf die man schauen müsse. „Ich werfe seit zehn Jahren. Bei der WM ist dann kein Punkt mehr da, da muss alles von allein gehen.“ Was aus einem Wurf werde, entscheide sich ganz früh in der Drehphase im Kreis. „Es ist ein eigenartiges Gefühl, das ich sonst im Leben nicht habe. Wenn du so einen Zug auf dem Finger hast, dann weißt du, der ist weit. Lange bevor der Diskus fliegt.“ Bei 7.000 Würfen im Jahr braucht es da schon ein bestimmtes Gespür.
Links: