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Fans trifft keine Schuld

Die Tragödie von Hillsborough, bei der vor 28 Jahren 96 Menschen zu Tode gekommen sind, ist durch „polizeiliche Fehleinschätzung“ und nicht durch Fehlverhalten der Fans zustande gekommen. Das ist das Ergebnis einer jahrelangen juristischen Untersuchung, die im April 2016 in England präsentiert wurde.

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Am 15. April 1989 starben während des FA-Cup-Semifinales zwischen Liverpool und Nottingham im Hillsborough-Stadion, der Heimstätte von Sheffield Wednesday, 96 Liverpool-Anhänger infolge einer Massenpanik im Gästeblock. Eine erste Untersuchung hatte 1991 ergeben, dass für die Tragödie niemand verantwortlich zu machen sei. Die Polizei hatte ihre Verantwortung lange abgestritten und die Schuld den Fans zugeschoben.

Gedenktafel zur Hillsborough-Tragödie

picturedesk.com/Action Press

Eine Gedenktafel vor dem Stadion erinnert an die Tragödie

Doch bereits 2012 kam eine unabhängige Kommission zu der Erkenntnis, dass die Exekutive eine wesentliche Schuld traf, was sogar zu einer offiziellen Entschuldigung von Premierminister David Cameron führte. Im März 2014 begannen die Geschworenen in einem eigens eingerichteten Gerichtssaal in Warrington nahe Liverpool mit der Anhörung von mehr als 800 Zeugen. Es wurde die bisher längste Untersuchung in der englischen Rechtsgeschichte.

3.000 Menschen in Sektor für 1.600 Personen

Jahrelang wertete die Jury Hunderte von Zeugenaussagen, Bildern und Videos der Katastrophe aus und sprach in ihrer Erkenntnis von „grober Fahrlässigkeit“. Die Katastrophe ereignete sich durch die Entscheidung der Polizei, zu Spielbeginn ein zusätzliches Stadiontor zu öffnen, das eigentlich als Ausgang gedacht war.

Dadurch strömte die Masse in den ohnehin schon überfüllten unteren Liverpooler Fansektor im Hillsborough Stadium. Der Sektor war schnell überfüllt, und plötzlich waren 3.000 Personen in dem für maximal 1.600 Menschen vorgesehenen Block zwischen den nachdrängenden Massen und einem unüberwindbaren Metallgitterzaun eingequetscht.

Menschen erstickten, weil sie gegen den Zaun gedrückt oder totgetrampelt wurden. Gleichzeitig verhinderten Ordnungskräfte im Stadion zunächst das Öffnen der Tore auf das Spielfeld, wodurch die Situation weiter verschärft wurde. Nur ein einziger Krankenwagen wurde dann auf das Spielfeld gelassen. Das Spiel wurde trotz des Gedrängels angepfiffen und erst nach sechs Minuten gestoppt. Als Konsequenz aus dieser Katastrophe gibt es in englischen Stadien keine Zäune und Stehplätze mehr.

„Gerechtigkeit für die 96“

Angehörige der Opfer hatten 27 Jahre lang dafür gekämpft, die Fans von der Schuld zu entlasten. Nach der Verkündung der Entscheidung am Dienstag jubelten die vor Gericht anwesenden Hinterbliebenen und fielen einander unter Tränen in die Arme. Sie hielten einander an den Händen und sangen die Liverpool-Hymne „You Never Walk Alone“, außerdem riefen sie „Gerechtigkeit für die 96“. Viele hielten Bilder ihrer verstorbenen Angehörigen hoch.

Premierminister Cameron würdigte den Kampf der Hinterbliebenen und deren „außergewöhnlichen Mut“ auf ihrer „langen Suche nach Gerechtigkeit“. Die Entscheidung von Warrington sei die „überfällige Gerechtigkeit für die 96 Liverpool-Fans, die bei dem tragischen Unglück gestorben sind“, erklärte er im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Polizei entschuldigt sich

Die Polizei entschuldigte sich für ihren Umgang mit der Tragödie. Der Polizeichef von South Yorkshire, David Crompton, sagte, er entschuldige sich „bei den Familien und allen Betroffenen“. Die Polizei akzeptiere „uneingeschränkt“ das Ergebnis der Untersuchung. Bei dem damaligen Verfahren handelte es sich aber lediglich um eine gerichtliche Untersuchung mit dem Ziel, die Todesumstände der Opfer zu klären. Nach englischem Recht wird bei einer solchen Untersuchung keine Strafe verhängt.

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