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Siegesparaden dünn gesät

Am Sonntag kommt es in Minneapolis zum großen Showdown um die Krone der National Football League (NFL) zwischen den Philadelphia Eagles und den New England Patriots. Vor allem für die Eagles geht es dabei um den ersten Titel seit 58 Jahren. Überhaupt haben die Sportfans in der Metropole des US-Bundesstaates Pennsylvania traditionell ein schweres Leben. Und schuld daran sind „böse Geister“.

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Die sechstgrößte Stadt der USA gilt nicht nur als Wiege der amerikanischen Demokratie, sondern gehört auch im Sport zu den traditionsreichsten Stätten des Landes. Als eine von wenigen Städten stellt Philadelphia in allen vier großen Ligen (Football, Baseball, Basketball und Eishockey) ein Team. 1980 schafften es sogar alle vier Mannschaften in ihren Ligen zumindest ins Finale - noch immer einzigartig in der amerikanischen Sportgeschichte.

Spärliche Erfolge

Auch auf Siegesparaden mussten die fanatischen und teilweise auch berüchtigten Fans in Philadelphia nicht verzichten. Die Footballer der Eagles holten dreimal einen Titel, im Baseball setzten sich die Phillies zweimal die Krone auf, die 76ers krönten sich dreimal zu Meistern im Basketball und auch die Eishockey-Cracks der Flyers durften bereits zweimal den Stanley Cup stemmen. Einziges Problem: Die Erfolge der Teams sind teilweise schon Jahrzehnte her. So gewannen die Eagles zuletzt 1960, die Flyers 1975 und die 76ers 1983 den Titel.

Torrey Smith (Philadelphia Eagles) fängt einen Pass vor den verteidigern Trae Waynes und Harrison Smith (beide Minnesota Vikings)

AP/Matt Slocum

Die Eagles (in Grün) stehen erst zum dritten Mal in ihrer Geschichte in einer Super Bowl

Während etwa der Großraum Boston, zudem auch Foxborough, die Heimat der New England Patriots gehört, in der jüngeren Vergangenheit Meisterschaften am laufenden Band sammelte, endeten für die Clubs aus Philadelphia ihre Saisonen meist mit Enttäuschungen. Zum Vergleich: Teams aus Boston eroberten seit der Jahrtausendwende insgesamt zehn Titel (fünf im Football, drei im Baseball und je einen im Eishockey und Basketball) - und damit so viele wie alle Mannschaften aus Philadelphia seit 1883.

Williams gekränkter Stolz

Philadelphia durfte sich trotz einiger Finalteilnahmen nur einmal freuen: 2008 gewannen die Phillies die World Series der Major League Baseball. Der Titel der Phillies ließ die Fans auch an ein Ende eines Fluchs glauben, der - wie bei erfolglosen amerikanischen Städten üblich - 20 Jahre über der Metropole zu schweben schien. Schuld daran soll der gekränkte Stolz von William Penn gewesen sein, der 1681 die nach ihm benannte englische Kolonie gegründet hatte. Eine Statue des Gründervaters ziert seit 1894 als Philadelphias Version des Wiener Rathausmannes die Spitze des 167 Meter hohen City Hall. Bis 1986 war kein Gebäude der Stadt höher.

Die Statue von William Penn auf der Spitze der City Hall in Philadelphia

AP/George Widman

Penns Statue, hier im Flyers-Outfit, wacht seit 1894 über die Stadt

Das änderte sich mit der Fertigstellung des One Liberty Place, eines Wolkenkratzers, der den Hut von William Penn um mehr als hundert Meter überragte. Es schien, als sei der Geist des Gründervaters nach dem Bruch des „Gentlemen Agreement“, seine Statue nicht zu überragen, schwer gekränkt. Damals begann auch die Sportmisere der „Philly“-Teams. Zwar schafften es die Teams der Stadt mehrfach bis in diverse Finale, erlitten dort aber durchwegs Niederlagen.

2008 schien der „Curse of Billy Penn“ überwunden. Bauarbeiter des Comcast Centers, das mit knapp 300 Metern das One Liberty Place als höchstes Gebäude ablöste, platzierten ein Jahr davor auf dem letzten Stahlträger eine 60 Zentimeter hohe Statue von Penn. Damit schien der Geist des Kolonialisten beruhigt, und Philadelphia durfte wieder eine Siegesparade feiern. Die kleine Statue ist noch heute auf der obersten Etage des Wolkenkratzers zu finden.

Sündenbock Lombardi

Die Misere der Eagles konnte der kleine Penn aber bisher noch nicht beheben. Heuer schaffte es Philadelphia erst zum dritten Mal in seiner Geschichte in eine Super Bowl. Ist man einem gewissen Aberglauben nicht abgeneigt, dann schauen die Eagles am 4. Februar aber auch zum dritten Mal durch die Finger. Und schuld daran ist laut einer anderen Legende jener Mann, nach dem die Siegestrophäe benannt ist: Vince Lombardi.

Der legendäre Coach, der die Green Bay Packers in den 1960er Jahren zu insgesamt fünf Titeln - darunter in den beiden ersten Super Bowls führte - verlor in seiner ruhmreichen Karriere nur ein Play-off-Spiel, eben jenes Finale 1960 gegen Philadelphia. Pikantes Detail am Rande: Zwei Jahre zuvor wurde Lombardi von den Eagles heftig umworben, entschied sich aber für Green Bay.

„Das wird uns nie wieder passieren“, soll der in seiner Ehre gekränkte Erfolgstrainer damals gesagt haben. Und der 1970 verstorbene Trainer hielt Wort und formte die Packers zum dominanten Team der Sechziger. Ein Jahr nach seinem Tod entschied die NFL, die Siegestrophäe nach Lombardi zu benennen. Geht es nach einigen abergläubischen Eagles-Fans, ist diese Namensgebung auch der Grund, warum den Eagles als Retourkutsche aus dem Jenseits der Zugriff auf die silberne Trophäe verwehrt bleibt.

Nur nichts riskieren

In Philadelphia überlässt man vor dem Showdown in Minneapolis jedenfalls nichts dem Zufall, um speziell den seit 2008 mutmaßlich besänftigten bösen Geist von Penn nicht wieder zu erwecken. So wurde beim Bau des neuen 342 Meter hohen Comcast Technology Center vorsorgliche eine kleine Penn-Statuette angebracht, sobald die neue Rekordhöhe erreicht wurde. „Die Arbeiter wollten nichts riskieren“, sagte ein Vorstandsmitglied der zuständigen Baufirma.

Auch die Statue auf der Spitze der City Hall wird bei einem Finaleinzug eines Teams mittlerweile nicht mehr mit den Vereinsfarben geschmückt, nachdem die Aktion in den 1990er Jahren schiefging. „Die letzten beiden Male, als sie geschmückt wurde, haben die Teams verloren. Diese Risiko wollte der Bürgermeister nicht eingehen“, sagte ein Sprecher von Bürgermeister Jim Kenney.

Dass aber auch der hartnäckigste Fluch besiegt werden kann, bewiesen vor zwei Jahren die Baseballer der Chicago Cubs, die den „Curse of the Billy Goat“ - ein Barbesitzer verfluchte einst den Club, weil er seine Ziege nicht mit ins Stadion nehmen konnte - überwanden und sich nach 108 Jahren wieder den Titel sicherten. Um ihre eigene Misere müssen die Eagles ebenfalls eine G. O. A. T. bezwingen. Diesmal steht der Begriff aber nicht für Ziege, sondern für den fünffachen Super-Bowl-Champion Tom Brady, der für viele „Greatest of all time“ auf der Position des Quarterbacks.

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