Siegesserie unter Foda geht weiter
Das lange Warten ist zu Ende: Österreich hat den ersten Sieg gegen Deutschland seit 1986 gefeiert. Vor 29.200 begeisterten Zuschauern im ausverkauften Wörthersee Stadion in Klagenfurt gewann die ÖFB-Auswahl gegen den Weltmeister am Samstag mit 2:1. Wegen eines Gewitters mit Starkregen und Hagel war die Partie vor der Absage gestanden, konnte aber mit erheblicher Verspätung angefiffen werden. Im fünften Spiel unter Teamchef Franco Foda kam man so zum fünften, sensationellen Sieg.
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Mesut Özil brachte den klaren Favoriten und WM-Titelanwärter bereits in der elften Minute in Führung, nachdem Österreichs Torhüter Jörg Siebenhandl ein haarsträubender Abspielfehler unterlaufen war. Martin Hinteregger (53.) gelang mit einem Volleytraumtor der Ausgleich, ehe Alessandro Schöpf (69.) wie schon gegen Russland den Siegestreffer erzielte. Die Österreicher boten vor allem in der zweiten Hälfte eine sehr starke Leistung, nachdem die Deutschen vor der Pause noch souverän agiert hatten.
Schöpf erzielt das goldende Tor
Julian Baumgartlinger beweist Übersicht, findet Stefan Lainer, der auf Alessandro Schöpf ablegt - Schöpf bewahrt Ruhe und trifft zum 2:1 für Österreich.
Insgesamt war es im 40. Duell mit Deutschland erst der neunte Sieg für Österreich, der dritte in der Nachkriegszeit. Nach 1978 bei der WM in Argentinien (3:2 in Cordoba) hatte das ÖFB-Team nur noch 1986 ein Freundschaftsspiel in Wien mit 4:1 gewonnen. Das mitreißende Match gegen die DFB-Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw in Klagenfurt war nun das zweite von drei hochkarätigen Testspielen innerhalb von zwölf Tagen. Am Mittwoch hatten die Österreicher in Innsbruck mit 1:0 gegen Russland gewonnen. Am nächsten Sonntag (16.00 Uhr, live in ORF eins) kommt es zum nächsten „Kracher“ in Wien gegen Brasilien.
Drei Umstellungen im ÖFB-Team
Das österreichische Team war im Vergleich zum 1:0 über Russland mit drei Änderungen in der Startformation ins Spiel gegangen. Im Tor kam Sturm-Graz-Keeper Jörg Siebenhandl zu seinem zweiten ÖFB-Einsatz. Im Mittelfeld begannen David Alaba und Florian Grillitisch statt Louis Schaub und Florian Kainz. Der in den letzten zwei Tagen angeschlagen gewesene Marko Arnautovic konnte spielen. Bei den Deutschen gab wie erwartet Torhüter Manuel Neuer sein Comeback. Sein erstes Länderspiel seit Oktober 2016 war für Deutschlands Weltmeisterkapitän gleichzeitig der letzte Belastungstest vor der Kadernominierung für die WM in Russland.
Nach dem Unwetter kam die kalte Dusche
Einige WM-Fixstarter hatte Löw im Vorbereitungscamp in Südtirol gelassen. So standen Toni Kroos - der überhaupt erst am Samstag angereist war -, Thomas Müller und Mats Hummels nicht im Aufgebot des vierfachen Weltmeisters. Auch Jerome Boateng war nicht dabei. Stars hatten die Deutschen dennoch zur Genüge. Einer davon, Mesut Özil vom FC Arsenal, verpasste den Österreichern nach dem überstandenen Unwetter die sprichwörtliche kalte Dusche. In der elften Spielminute, das Publikum hatte sich nach dem langen Warten gerade erst warmgesungen, brachte Özil die Deutschen in Führung.
ÖFB-Keeper Siebenhandl war aus österreichischer Sicht die tragische Figur bei dieser Aktion zum 0:1. Nach einem Rückpass von Verteidiger Martin Hinteregger missglückte der Abschlag des Torhüters völlig. Siebenhandl spielte den Ball direkt auf Özil, der sich nicht lange bitten ließ und trocken in die lange Ecke einnetzte. Der Unglücksrabe der Österreicher war zwar noch mit den Fingerspitzen am Ball, konnte das Malheur aber nicht mehr verhindern. Das gesamte Stadion war konsterniert. Und der österreichischen Mannschaft war der Schock deutlich anzusehen.
![© GEPA/Daniel Götzhaber DFB-Torschütze Mesut Özil jubelt mit seinen Teamkollegen](../../../static/images/site/sport/20180622/fus_testspiele_aut_ger_oezil_body_g.2443184.jpg)
GEPA/Daniel Götzhaber
Özil nutzte den Patzer von Goalie Siebenhandl zur Führung für die Gäste
Gute Chancen auf beiden Seiten
Zehn Minuten brauchten die Gastgeber etwa, um ihn aus ihren Knochen zu schütteln - da hatten die Deutschen durch Julian Brandt (20.) nach schönem Doppelpass mit Nils Petersen auch schon die nächste Großchance vorgefunden. Brandt scheiterte an Siebenhandl, nachdem sich Abwehrmann Sebastian Prödl zu leicht hatte ausspielen lassen. Außer zwei zu unplatzierten Schüssen von Alessandro Schöpf (14.) und Peter Zulj (31.), die Neuer problemlos entschärfte, war von den Österreichern noch wenig Gefährliches gekommen.
Das änderte sich, als Grillitsch (32.) am Fünfer auftauchte und Neuer beinahe mit einem Abschluss auf die kurze Ecke überraschte. Etwas schärfer, und der deutsche Einsergoalie, dem die lange Verletzung nicht anzumerken war, hätte vielleicht mehr Probleme bekommen. So blieb es beim knappen Vorsprung der ballsicher und souverän auftretenden Deutschen, die bis zur Pause noch einen guten Freistoß durch Leroy Sane (41.) verbuchten. Unmittelbar vor dem Pausenpfiff wäre Marko Arnautovic alleine vor Neuer einschussbereit freigestanden, doch der Querpass von Schöpf war viel zu ungenau.
Hinteregger lässt Stadion kochen
Mit mehr Schwung kamen die Österreicher dann aus der Halbzeit. Foda dürfte ihnen wieder Mut eingeimpft haben, denn Arnautovic und Co. legten nun mindestens einen Gang zu. Alaba (51.) schoss vom Sechzehner knapp über die Latte, da hatte der Weltmeister schon Glück. Doch in der 53. Minute war es dann so weit: Bayern-Legionär Alaba trat eine hohe, weite Eckballflanke von rechts an die zweite Stange. Dort nahm der aufgerückte Verteidiger Hinteregger den Ball aus vollem Lauf volley und traf mit dem linken Fuß traumhaft in die lange Ecke. Neuer war chancenlos, das Stadion stand Kopf und Rot-Weiß-Rot war wieder im Spiel.
Hinteregger gleicht mit Volley aus (53.)
Martin Hinteregger lauert bei einem Alaba-Eckball an der zweiten Stange, zieht volley ab und trifft aus spitzem Winkel sehenswert zum 1:1.
Schöpf schießt ÖFB-Elf auf Siegerstraße
Es ging in dieser Tonart weiter: Arnautovic (54.) kam nach einem herrlichen Pass von Alaba zum Abschluss, doch Neuer hielt bravourös. Bei zwei bis drei Angriffen der Österreicher über die Flügel brannte es im Strafraum der Deutschen in der Folge ebenfalls lichterloh. Zulj (66.) schoss aus der Distanz nicht weit daneben. Das Führungstor für die ÖFB-Elf lag in der Luft, die Deutschen konnten sich nur vereinzelt durch schnelle Konter etwas Luft verschaffen.
![© GEPA/Matic Klansek Jubel des ÖFB-Spielers Alessandro Schöpf](../../../static/images/site/sport/20180622/fus_testspiele_aut_ger_schoepf_body_g.2443193.jpg)
GEPA/Matic Klansek
Schöpf erzielte den umjubelten Siegestreffer
Und in der 69. Minute verwandelte sich die Wörthersee-Arena endgültig in ein Tollhaus. Kapitän Julian Baumgartlinger flankte hoch in den Strafraum, fand Stefan Lainer rechts beinahe schon an der Toroutlinie. Doch der Salzburger nahm den Ball direkt mit dem rechten Fuß und spielte scharf zur Mitte, wo Schöpf herangesprintet kam und zum viel umjubelten 2:1 einnetzte. Neuer war wieder geschlagen, und nun schmeckte die nach dem Gewitter klargewaschene Luft in Klagenfurt schon nach Sensation.
Bereits gegen Russland war Schalke-Legionär Schöpf mit seinem Tor der Matchwinner gewesen. Und es sollte wieder so kommen. Mit viel Herz und grandioser Laufarbeit brachte Fodas Mannschaft den knappen Vorsprung über die Zeit. Deutschland hatte im Finsh keine klaren Chancen mehr, Österreich fuhr vielmehr noch ein paar gefährliche Konter. Als Referee Kralovec abpfiff, war der Jubel grenzenlos und ein langer, denkwürdiger Abend zu Ende. Österreich bejubelte zudem den siebenten Länderspielsieg in Serie.
Fußballtestspiel
Samstag
Österreich - Deutschland 2:1 (0:1)
Wörthersee Stadion, 29.200 Zuschauer, SR Kralovec (CZE)
Torfolge:
0:1 Özil (11.)
1:1 Hinteregger (53.)
2:1 Schöpf (69.)
Österreich: Siebenhandl - Dragovic, Prödl, Hinteregger - Lainer, Grillitsch (79./Ilsanker), Baumgartlinger, Alaba - Schöpf (76./Bauer), P. Zulj (88./Kainz) - Arnautovic (84./Burgstaller)
Deutschland: Neuer - Kimmich, Süle, Rüdiger, Hector - Khedira (46./Rudy), Gündogan (56./Goretzka) - Brandt (67./Werner), Özil (76./Draxler), Sane (67./Reus) - Petersen (76./Gomez)
Links:
Harald Hofstetter, ORF.at, aus Klagenfurt