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Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg

Erst 26 Jahre nach der Gründung des Weltverbandes (FIFA) am 21. Mai 1904 hat die erste Fußball-Weltmeisterschaft stattgefunden. Die WM-Geschichte begann im Juli 1930 in Uruguay im kleinen Rahmen, Qualifikation hatte keine stattgefunden, nur 13 Teams beteiligten sich. Das Gastgeberland, bereits 1924 und 1928 Olympiasieger, eroberte mit einem 4:2 gegen Argentinien im Finale vor 93.000 Zuschauern den WM-Pokal.

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Die geringe Teilnehmerzahl am ausschließlich in Montevideo abgehaltenen Turnier hing mit dem Schwarzen Donnerstag, dem spektakulärsten Börsencrash des 20. Jahrhunderts im Oktober 1929 an der Wall Street zusammen, der eine weltweite Wirtschaftskrise zur Folge hatte. Den meisten europäischen Ländern, darunter auch Österreich, Italien, Deutschland und Spanien, fehlte es an Geld für die mehrwöchige Schiffsreise nach Südamerika. Mit dabei waren aber Frankreich, Jugoslawien, Belgien und Rumänien.

Spielszene 1930

Fotolia/Between The Wars /TopFoto/picturedesk.com

Uruguay kürte sich bei der WM-Premiere im eigenen Land zum ersten Weltmeister

Wassergraben für „Fanbekämpfung“

Rund um das Endspiel im erst während der WM fertiggestellten Estadio Centenario ranken sich einige teils heitere, teils heikle Episoden. Die Sicherheitskräfte waren in höchster Alarmbereitschaft. Was in Europa noch völlig unbekannt war, zählte in Südamerika zum Alltag: prügelnde, randalierende und bewaffnete Fans. Im neuen Stadion von Montevideo wurden sie durch einen 2,5 Meter hohen Drahtzaun, einen Wassergraben und Hundertschaften von Polizei und Militär in Schach gehalten.

Das Centenario Stadion in Montevideo, 1930, aus der Vogelperspektive

AP

93.000 Zuschauer waren beim ersten WM-Finale an Ort und Stelle dabei

Allen Zuschauern wurden beim Betreten des Stadions die Revolver abgenommen. 1.600 Pistolen sollen beschlagnahmt worden sein. Der belgische Schiedsrichter John Langenus bestand darauf, dass Leibwächter für ihn hinter jedem Tor standen und im Hafen ein Boot bereitgehalten wurde, falls er gezwungen sein würde, vor einer wütenden Menge zu fliehen.

Die WM kommt nach Europa

Vier Jahre später, 1934, durfte Italien die erste WM in Europa ausrichten - und nutzte den Vorteil zum Titelgewinn. Für die Faschisten um Benito Mussolini war das eine willkommene Propaganda. Unter 16 Teilnehmern waren nur zwei südamerikanische Teams - Brasilien und Argentinien - zu finden. Titelverteidiger Uruguay revanchierte sich für das Fernbleiben der meisten Europäer 1930 gleichfalls durch Absenz.

Österreichs Wunderteam, das die Jahre zuvor die Fußballwelt beherrscht hatte, erreichte durch Siege über Frankreich (3:2) und Ungarn (2:1) das Semifinale, wo die Mannschaft schließlich vom schwedischen Schiedsrichter Ivan Eklind, tags zuvor Ehrengast bei Mussolini, entzaubert wurde. Der Schwede durfte daraufhin auch das Finale pfeifen. Italien besiegte die Tschechoslowakei mit harter Gangart nach Verlängerung mit 2:1.

Der Zweite Weltkrieg wirft seine Schatten voraus

Der dräuende Zweite Weltkrieg warf seinen langen Schatten auf die WM 1938 in Frankreich. So wurde das deutsche Team im Pariser Prinzenpark beim Hitlergruß während des Horst-Wessel-Lieds ausgepfiffen und mit Eiern und Tomaten bombardiert. Danach folgte im Achtelfinale gegen die Schweiz ein peinliches 2:4 der „großdeutschen Mannschaft“, der auch Österreicher angehörten. Die ÖFB-Auswahl hatte sich als eigenständiges Team qualifiziert, wurde nach dem „Anschluss“ aber Teil der DFB-Mannschaft.

Weltmeister wurde wie 1934 Italien. Und auch bei den Italienern spielte die Politik mit. Vor dem 4:2 im Endspiel gegen Ungarn kabelte der faschistische Diktator Mussolini ins Teamquartier: „Siegen oder Sterben.“ Ungarns Tormann Antal Szabo sagte danach: „Ich war noch nie so stolz wie jetzt. Wir haben elf Menschen das Leben gerettet.“

„Maracanaco“ - Brasiliens Trauma

Zwölf Jahre später kehrte die WM nach Südamerika zurück. Die WM 1950 ist für die kommende von besonderer Bedeutung, weil sie die erste in Brasilien war und sich als kollektives Trauma tief in die Fußballseele des Gastgeberlandes eingebrannt hat. Uruguay stürzte damals die fünftgrößte Nation mit einem 2:1-Sieg im entscheidenden Spiel um den Titel ins Tal der Tränen und wurde zum zweiten Mal nach der Heim-WM 1930 Weltmeister.

In Brasilien herrschte nach dieser Niederlage Weltuntergangsstimmung, die ganze Nation lag in Trauer. Bereits im Stadion spielten sich auf den Tribünen wahre Tragödien ab. Drei Zuschauer starben an Herzversagen, einer stürzte sich in den Tod. Und die weiße Spielkleidung der Brasilianer wurde für immer abgelegt, seither spielt die „Selecao“ vorrangig in Gelb-Blau. Der Ausdruck „Maracanaco“ (der Schlag von Maracana) ist seither jedem Brasilianer ein unliebsam bekannter Begriff.

Die Absenz zahlreicher europäischer Staaten beruhte auch bei der zweiten WM in Südamerika und ersten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur auf Freiwilligkeit. So musste etwa Österreich aus Geldmangel passen, die Deutschen waren dagegen noch nicht wieder in die FIFA aufgenommen worden. Dafür war erstmals das „Fußball-Mutterland“ England dabei. Das nur 13 Mannschaften umfassende Feld beinhaltete auch Titelverteidiger Italien, obwohl nur ein Jahr zuvor beim Absturz eines Flugzeuges mit der Mannschaft des damaligen Meisters AC Torino auch die halbe Nationalelf getötet worden war.

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