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Islands Fußballwunder geht weiter

Island hat gegen den WM-Titelanwärter und zweifachen Weltmeister Argentinien am Samstagnachmittag völlig überraschend 1:1 gespielt und damit einen historischen Punkt geholt. Im ersten WM-Spiel der isländischen Fußballgeschichte lieferte der Underdog dem Starensemble um Lionel Messi einen großen Kampf und bestand den Auftakt zur Gruppe D mit Bravour.

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Vor 44.200 Zuschauern in der Spartak-Arena in Moskau wurde Messi mit einem vergebenen Elfmeter sogar zur tragischen Figur. Sergio Agüero hatte den Vizeweltmeister von 2014 in der 19. Minute in Führung gebracht. Doch Alfred Finnbogasson glich in der 23. Minute einer taktisch sehr interessanten Partie für den Außenseiter aus.

Halldorsson hält Messi-Elfer (64. Minute)

Island-Goalie Hannes Halldorsson hält einen Elfmeter von Lionel Messi und bewahrt sein Team vor einem Rückstand.

Islands Torhüter Hannes Halldorsson krönte schließlich seine insgesamt herausragende Leistung in der 64. Minute, als er einen nicht gut geschossenen Strafstoß von Messi parierte. Schon bei der EM 2016 hatte Island mit dem Einzug ins Viertelfinale (u. a. dank eines Sieges über Österreich) sein Fußballwunder eingeleitet, das in die erfolgreiche WM-Quali mündete und sich nun weiter fortsetzte.

Spartak-Arena als argentinisches Tollhaus

Zehntausende argentinische Fans hatten seit Tagen das Stadtbild geprägt. Messi-Trikots, wohin man blickte, hellblau-weiß war Trumpf. Auch in der Spartak-Arena gaben dann die fanatischen Anhänger der „Albiceleste“ klar den Ton an, und das schon Stunden vor Anpfiff. Die dunkelblauen Isländer und ihr „Huh“ hörte man nur, wenn die „Gauchos“ mit ihren ohrenbetäubend lauten Gesängen kurz Pause machten. Das zweite Moskauer WM-Stadion neben „Luschniki“ war jedenfalls eine äußerst stimmungsvolle Bühne für den ersten Auftritt der Südamerikaner.

Argentinische Fans im Stadion

Reuters/Albert Gea

Die Stimmung unter den argentinischen Fans war hervorragend - zumindest vor Anpfiff

Messi und Co. wollten gleich im ersten Match der Gruppe D liefern, und so legten sie auch los. Die von Teamchef Jorge Sampaoli aufgebotene Startelf kam ohne Großkaliber wie Gonzalo Higuain und Paulo Dybala aus. An Messis Seite sollte vielmehr ManCity-Goalgetter Agüero - auch kein schlechter Stürmer - für die Akzente in der Spitze sorgen. Nicht einmal fünf Minuten waren gespielt, als Außenverteidiger Nicolas Otamendi per Kopf die erste sehr gute Chance der Argentinier vergab. Nicolas Tagliaficio (achte Minute), der linke Außenverteidiger, setzte einen Hinterkopfball knapp neben die Stange - beide Male war Regisseur Messi jeweils per Freistoß der Vorbereiter.

Agüero legt für den Favoriten vor

Die in den Bereichen individuelle Technik und Kombinationsspiel klar unterlegenen, dafür aber körperlich stärkeren Isländer waren zunächst im Konter gefährlich. Und der Außenseiter hatte durch Birkir Bjarnason (9.) auch gleich die erste „Hundertprozentige“ der von Beginn an sehr schnellen Partie. Aus kurzer Distanz setzte er den Ball unbedrängt neben das Tor, nachdem die argentinische Abwehr alles andere als sattelfest gewirkt hatte. Dann war erstmals der Maestro selbst im Abschluss dran: Ein scharfer, aber zu unplatzierter Distanzschuss von Messi (17.) wurde zur Beute von Keeper Halldorsson.

1:0 für Argentinien durch Agüero (19. Minute)

Sergio Agüero dribbelt sich im 16er frei und versenkt den Ball im Kreuzeck des Island-Tors.

Die Startphase war von beiden Teams vielversprechend, spektakulär und offensiv geführt. Belohnt wurden dafür als Erste die Argentinier. Agüero spielte sich im Sechzehner gegen zwei Verteidiger mit guter Drehung und starkem Antritt frei. Mit links zog der Starstürmer unwiderstehlich ab und netzte in die linke obere Ecke zum 1:0 (19.) ein. Das Spartak-Stadion bebte, Agüero wurde unter der Jubeltraube seiner erleichterten Kollegen regelrecht begraben. Nicht einmal zwei Minuten später hätte Messi mit einem weiteren Distanzschuss beinahe „scharf nachgewaschen“, doch wieder war der starke Halldorsson auf dem Posten.

Historischer WM-Treffer für Island

Island verteidigte nichtsdestotrotz sehr gescheit und aggressiv. Messi wurde mehrmals von zwei Spielern „gedoppelt“ und erfolgreich ohne Foul vom Ball getrennt. Und dann ging es oft blitzschnell nach vorne, wo in der 23. Minute schließlich Finnbogason Eingang in die Geschichtsbücher seines Landes finden sollte. Nach einer zu kurz und außerdem zentral geratenen Abwehraktion des argentinischen Keepers Wilfredo Caballero war der Angreifer perfekt postiert und verwertete den Abpraller zum 1:1. Der erste WM-Treffer in der Historie des isländischen Fußballs wurde stürmisch bejubelt und war auch nicht unverdient.

Finnbogason stellt auf 1:1 (23.)

Alfred Finnbogason nützt die Verwirrung in der Argentinien-Abwehr zum Ausgleichstreffer.

Denn die athletische, disziplinierte und kämpferische Spielweise der Elf von Heimir Hallgrimsson nötigte einem Respekt ab. Bis zur Pause ging es ganz im Sinne des vermeintlichen Underdogs weiter. Messi wurde über weite Strecken abmontiert. Rekordnationalspieler Javier Mascherano (144 Einsätze) tat sich ebenfalls schwer, das „Werkl“ von hinten anzukurbeln. In den letzten Minuten der ersten Hälfte hatte Gylfi Sigurdsson sogar zwei gefährliche Abschlüsse. Schiedsrichter Szymon Marciniak aus Polen, der auf beiden Seiten je einmal mit Elfmeterreklamationen konfrontiert war, aber beide Male nicht vom Videoreferee alarmiert wurde, pfiff zur Halbzeit.

Halldorsson hält Elfer von Messi

Nach dem Seitenwechsel begann ohne Umschweife eine Drangperiode Argentiniens. Man versuchte nun öfter über die Flügel Angel di Maria und Maximiliano Meza zu kommen. Denn Messi wurde in der Mitte nach wie vor von zwei bis drei Gegenspielern bearbeitet, wenn er an den Ball kam. Das tat der Barcelona-Superstar auch in der 63. Minute - in einem Angriff, der schließlich in einer Flanke auf Agüero mündete. Hördur Magnusson lief dem Stürmer dabei eher unabsichtlich von hinten in die Beine. Foul war es dennoch, und da es im Strafraum passierte, entschied Marciniak zu Recht auf Elfmeter.

Halldorsson hält Elfer von Messi

Reuters/Albert Gea

Lionel Messi scheitert am starken isländischen Torhüter Halldorsson

Das gesamte Stadion hielt den Atem an, denn natürlich machte sich Messi für die Ausführung des Strafstoßes bereit. Teamchefheißsporn Sampaoli hatte schon nach dem Elferpfiff gejubelt, vielleicht zu früh, dachte man sich. Messi lief an, schoss etwas zu leicht, eine Spur zu unplatziert, und Halldorsson parierte. Riesenjubel in den Reihen der Isländer, eine Art Schockstarre bei Messi und den Argentiniern folgte. Doch die dauerte nicht lange - nur wenige Minuten nach dem unerwarteten Scheitern des Offenivgenies vom Punkt liefen die argentinischen Dauerangriffe wieder an.

Island kämpft sich über die Ziellinie

Die Isländer stemmten sich weiter mit allem dagegen, was sie hatten - und das war an diesem Tag nicht wenig. Viel wurde nun auf beiden Seiten gewechselt, ehe es schließlich in die letzte Viertelstunde ging. Cristian Pavon, einer der bei Argentinien ins Spiel Gekommenen, wurde in der 77. Minute im Strafraum gelegt. Der Offensivmann fiel aber etwas zu leicht, und der Schiedsrichter pfiff diesmal keinen Penalty. Schwalbe war es aber mit Sicherheit auch keine. So blieb es enorm spannend.

Einmal ließen die Isländer Messi (81.) noch zu viel Platz, und um ein Haar hätte sein schön angedrehter Schuss auch gepasst. Es fehlten nur Zentimeter, und Sampaoli brachte nun auch Juventus-Stürmer Higuain für die letzten heißen Minuten. Auch Diego Maradona zitterte und bangte auf der Ehrentribüne mit seinen Landsleuten, die sich an der gut gestaffelten isländischen Abwehr die Zähne ausbissen. Schon in der Nachspielzeit zog Messi noch einmal von der Strafraumgrenze ab, doch neben das Tor. Auch ein letzter Freistoß von Messi (95.) führte nicht mehr zum Ausgleich. Danach war Schluss, und nun hörte man im Stadion nur noch den Jubel der isländischen Fans.

Isländische Fans während des Spiels

AP/Matthias Schrader

Islands Fans hatten beim 1:1 ihrer Mannschaft gegen Argentinien am Ende eindeutig mehr Grund zum Klatschen

Fußball-WM, Gruppe D

Samstag:

Argentinien - Island 1:1 (1:1)

Moskau, Spartak-Stadion, 44.200 Zuschauer, SR Marciniak (POL)

Torfolge:
1:0 Agüero (19.)
2:0 Finnbogason (23)

Messi scheitert mit einem Elfmeter an Halldorsson (63.)

Argentinien: Caballero - Salvio, Otamendi, Rojo, Tagliafico - Mascherano, Biglia (54./Banega) - Meza (84./Higuain), Messi, Di Maria (75./Pavon) - Agüero

Island: Halldorsson - Sävarsson, Arnason, R. Sigurdsson, Magnusson - J. Gudmundsson (62./Gislason), Gunnarsson (76./Skulason), Hallfredsson, Bjarnason - G. Sigurdsson, Finnbogason (89./Sigurdarson)

Gelbe Karten: Keine

Die Besten: Otamendi bzw. Finnbogason, Halldorsson

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