„Alles läuft falsch bei den Roten“
Anstatt einer rauschenden Party hat es bei Ferrari nach dem Grand Prix von Italien am Sonntag in Monza nur lange Gesichter gegeben. Speziell bei Sebastian Vettel war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Der Deutsche fühlt sich im Kampf um die WM-Krone gegen seinen britischen Rivalen Lewis Hamilton von seinem Rennstall alleingelassen.
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Trotz der Startplätze eins und zwei nach dem Qualifying war Ferrari nach dem Rennen der große Verlierer. Mercedes-Star Lewis Hamilton baute mit seinem sechsten Saisonsieg die Führung in der Fahrerwertung auf Vettel, der nur Vierter wurde, auf 30 Punkte aus. Dass Kimi Räikkönen mit Platz zwei zum 100. Mal in seiner Karriere auf dem Podest stand, entlockte seinem Ferrari-Kollegen Vettel keine Gratulation. Denn der Deutsche hatte sich mehr Unterstützung durch den Finnen und das gesamte Team erwartet.
Haussegen hängt schief
„Ich habe den Leuten, die es betrifft, meine Meinung gesagt“, machte Vettel seinem Ärger über den Ausgang des Heimrennens im königlichen Park von Monza Luft. Aus unerklärlichen Gründen verzichtete Ferrari auf eine Stallregie zugunsten seines Titeljägers. Dazu kam ein Missgeschick Vettels, der in der ersten Runde mit dem Mercedes von Hamilton kollidierte und sich dabei den Frontflügel ruinierte. Der 31-Jährige musste das Feld von hinten aufrollen. Platz vier - und das auch nur dank einer Fünfsekundenstrafe gegen den Niederländer Max Verstappen - war maximal Schadensbegrenzung.
Ferrari scheint sich, so wie im Vorjahr, auf dem Weg zum Titel in der entscheidenden Saisonphase erneut selbst im Weg zu stehen. So sehen es zumindest die italienischen Medien. „Alles läuft falsch bei den Roten“, analysierte die „Gazzetta dello Sport“ am Montag und titelte: „Ferraris Eigentor“. Auch der „Corriere dello Sport“ sah es ähnlich: „Räikkönen und Vettel haben gut begonnen, aber Unentschlossenheit von beiden Seiten hat den Weg für Hamilton geöffnet.“
Hamilton nutzt Chance
Die furiose Triumphfahrt von Mercedes-Star Hamilton wirkte für Vettel und die Tifosi wie ein Stich ins rote Herz. „Ich werde das nie vergessen“, beteuerte der britische WM-Spitzenreiter. Seinen fünften Sieg in Monza, mit dem er Michael Schumachers Bestmarke egalisierte, hatte Hamilton zuvor mit einem gewagten Sprung in die Arme der Fans auf der Zielgeraden gefeiert. „Das Rennen seines Lebens“, schwärmte die „Daily Mail“. Dass Hamilton vor den letzten sieben Saisonläufen schon 30 Punkte vor Vettel liegt, verdankt er aber nicht allein seiner beeindruckenden Fahrkunst.
Den Weg zur möglichen Vorentscheidung im Titelduell hatte ihm das Versagen bei Ferrari geebnet. Ausgerechnet die „Scuderia“, die zu ihren Glanzzeiten alles dem Erfolg von Rekordchampion Schumacher unterordnete und per Teambefehl die Gewinnchancen maximierte, ließ sich in Monza von Mercedes strategisch vorführen. Der in der WM chancenlose Räikkönen durfte in Vettels Windschatten auf die Polposition fahren und brachte den 31-Jährigen so am Start in die Bredouille. Prompt patzte Vettel unter Druck erneut, krachte in Hamiltons Mercedes und sah als Vierter seine WM-Hoffnungen schwinden.
Mercedes zeigt Teamwork vor
Zu allem Überfluss zeigten die Silberpfeile durch den Einsatz von Valtteri Bottas als Bremsklotz für Räikkönen, wie Mannschaftsspiel zum Ziel führt. Im Kreuzverhör danach musste sich der glücklose Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene immer wieder fragen lassen, warum er das Fiasko nicht per Teamorder verhindert hatte. „Wir beschäftigen Piloten, keine Butler“, dozierte der 61-Jährige.
Dabei hat die jüngere Vergangenheit, als Rubens Barrichello und Felipe Massa mit Erfolg als Wasserträger dienten, das Gegenteil bewiesen. Hier könnte indes ein weiteres Problem für Arrivabene liegen, denn Räikkönen lässt sich womöglich bald gar nichts mehr befehlen. Der 38-jährige Finne steht bei Ferrari vor dem Aus zum Saisonende, der 20-jährige Sauber-Pilot Charles Leclerc soll bereits einen Vorvertrag als Nachfolger haben. Gut für die Stimmung ist die offiziell ungeklärte Zukunft von Räikkönen, der 2007 den bisher letzten Fahrertitel für das Traditionsteam geholt hat, auf keinen Fall.
Vettels Unmut über die verweigerte Rückendeckung passt ins Bild eines schlecht geführten Teams. „Ich erwarte mir nichts, habe noch nie etwas geschenkt bekommen“, sagte der vierfache Weltmeister. Dass er im Zweikampf mit Hamilton nicht in einer stärkeren Position ist, hat er sich aber auch selbst zuzuschreiben. Nach Patzern in Aserbaidschan, Frankreich, Österreich und Deutschland ging auch der Crash mit Hamilton auf Vettels Konto.
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