Die Angst vor der Reaktion
Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung sollen nach Schätzungen homosexuell sein. Im Leistungssport dürfte daher der Anteil an Schwulen und Lesben nicht unbedingt wesentlich geringer sein. Doch obwohl es einige Beispiele sich bekennender Spitzensportler gibt, ist die gleichgeschlechtliche Sexualität in vielen Sportarten - in Europa allen voran im Fußball - noch immer ein Tabuthema.
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Wenn überhaupt, dann bekennen sich Sportler am Ende oder nach ihrer aktiven Karriere zu ihrer Homosexualität. Der Druck und die Anfeindungen, denen sie im Wettkampf ausgesetzt wären, ist für viele eine zu große Last. Die zu erwartenden Schmähungen durch Zuschauer in einem Stadion oder möglicherweise auch körperliche Übergriffe sind oft der Hauptgrund, warum homosexuelle Fußballer nie über ihre sexuelle Veranlagung sprechen.

APA/EPA/Lindsey Parnaby
Auf dem Platz lassen Fußballer ihren Emotionen oft freien Lauf.
Coming-out fällt schwer
Auch wenn immer wieder Namen zum Teil prominenter Kicker als mögliche Homosexuelle gerüchteweise kursieren, blieb das große Coming-out bisher aus. Für die deutsche Wissenschafterin Tatjana Eggeling von der Universität Göttingen, die sich seit sechs Jahren mit dem Thema „Homosexualität im Profisport“ beschäftigt, eine logische Konsequenz aus den Umweltbedingungen des Sportlers.
Der einzelne Athlet müsste verschiedene Faktoren bedenken, die durch sein Handeln beeinflusst werden. Der Fußballer als Teamsportler muss die Reaktionen seiner Teamkollegen, der Mitarbeiter im Verein, der Sponsoren, seiner Manager, aller, die mit ihm Geld verdienen wollen, einschätzen können. Ein aktuelles Beispiel, warum sich Fußballer nicht offen bekennen, lieferte am Donnerstag Vlatko Markovic ab.
„Nur normale Menschen spielen Fußball“
Der Präsident des kroatischen Verbandes sorgte mit schwulenfeindlichen Äußerungen für Aufregung. In einem Interview mit der Tageszeitung „Vecernji List“ erklärte Markovic, er wolle keine schwulen Spieler im Nationalteam. „Solange ich Präsident bin, werden sicher keine Homosexuellen im Nationalteam spielen.“ Auf die Frage, ob er in seiner aktiven Karriere je einem schwulen Fußballer begegnet sei, meinte der ehemalige Rapid-Coach: „Nein, glücklicherweise, Fußball spielen nur normale Menschen“.
Der 73-Jährige Markovic erklärte später, er sei bei seiner Aussage missverstanden worden. Einzelfall wäre seine Meinung aber keine. Laut der Aktion „Fairplay“ verurteilte der europäische Fußballverband UEFA bereits 2007 einen in Österreich bekannten Trainer aufgrund homophober Diskriminierung.
Der frühere Rapid-Trainer und ÖFB-Teamchef Otto Baric musste 1.800 Euro zahlen, nach dem er 2004 in einem Interview mit der kroatischen Zeitung „Jutarnij list“ erläuterte: „Ich weiß, dass kein Homosexueller in meinem Team ist. Ich erkenne einen Schwulen innerhalb von zehn Minuten und ich will sie nicht in meiner Mannschaft haben.“
Bekennende Homosexuelle wären „befreit“
Dass das Tabuthema aber vielleicht doch langsam aufbricht, beweist DFB-Teamstürmer Mario Gomez. Er hat homesexuelle Fußballer aufgefordert, sich offen zu ihrer Neigung zu bekennen. „Sie würden dann wie befreit aufspielen“, sagte der 25-Jährige der Illustrierten „Bunte“. „Schwulsein ist doch längst kein Tabuthema mehr“, betonte der FC-Bayern-Spieler. „Wir haben einen schwulen Vizekanzler, der Berliner Bürgermeister ist schwul.“ Also sollten auch Fußballprofis sich outen.
Ob die Wahrnehmung Gomez’ mit jener der großen Mehrheit in einem Fußballstadion übereinstimmt, ist fraglich. Noch 2006 war die Einstellung gegenüber homosexuellen Fußballern negativ. Damals wurde in Deutschland die Studie „Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball“ präsentiert. Eine der Erkenntnisse war die offen geäußerte Ablehnung von Homosexualität durch viele Stadionbesucher. „Schwulenfeindlichkeit gehört zur Normalität im Fußballalltag“, folgerte Victoria Schwenzer, Mitautorin der Studie.
Um diese Vorurteile zu bekämpfen, standen Mitte Oktober die Spiele der österreichischen Bundesliga unter dem Motto „Hirn einschalten - Vorurteile platzen lassen“. Im Rahmen der von der UEFA unterstützten 11. Aktionswoche des Netzwerks FARE (Fußball gegen Rassismus in Europa) verlasen alle Mannschaftskapitäne Statements gegen rassistische, sexistische und schwulenfeindliche Vorurteile im Fußball.
Frauen als Begleiterscheinung
Welche seltsamen Blüten der Umgang mit homosexuellen Fußballern offenbar treibt, schilderte letzten Samstag die Wissenschaftlerin Eggeling auch im ZDF-Sportstudio. Sie behauptete, dass einige schwule Fußballer nur vorgetäuschte Heteropartnerschaften eingehen, um ihre wahren Neigungen zu verbergen. Frauen, die Spieler bei offiziellen Anlässen wie Weihnachtsfeiern begleiten.
„Ich weiß, dass Scheinehen geführt werden. Auch im deutschen Fußball und in der Bundesliga“, so Eggeling. Namen nannte sie keine. Dafür berichtete sie von Vermittlungsagenturen. „Ich weiß ganz sicher aus der italienischen Liga, dass es regelrechte Agenturen gibt, die Spielern Ehefrauen oder Frauen als Begleitung vermitteln.“

Reuters/Kieran Doherty
Gareth Thomas ist Rugby-Held und bekennender Homosexueller.
Knallharter Rugby-Held liebt Männer
Ähnliches berichtete einer der besten Rugby-Spieler der Welt. Der optisch einschüchternde Waliser Gareth Thomas, genannt „Alfie“, hat für die „Red Dragons“ 100 Länderspiele bestritten und ist einer der härtesten Spieler in dem ohnehin schon rauen Sport. Kurz vor Weihnachten 2009 gestand er in einem Interview, dass er schwul sei. Er sei sich dessen seit seinem 16. Lebensjahr bewusst.
Er ließ sich dennoch darauf ein, eine Jugendfreundin zu heiraten. Die Ehe, die nur zur Tarnung diente, scheiterte 2006. Erst dann vertraute er sich auch seinem Trainer und zwei seiner Teamkollegen an. Thomas spielte weiter - vermutlich genauso wie einige andere schwule Sportler. Doch „Alfie“ ist derzeit der einzige bekennende schwule Spitzensportler dieser Welt.
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