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Die leichteste Maßnahme ist vom Tisch

Und täglich grüßt das Murmeltier: Österreichs Nationalteam steht in einer Qualifikation wieder einmal vor dem Aus. Nach den schwachen Leistungen gegen Belgien und die Türkei haben die Fans das lähmende Deja-vu, dass das Team wieder an einem toten Punkt angelangt ist. Alles und jeder wird hinterfragt - vom Trainer über Spieler und Präsidenten bis hin zu Strukturen und Nachwuchsausbildung.

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Die leichteste Maßnahme eines Trainerwechsels ist vorerst jedoch vom Tisch. ÖFB-Boss Leo Windtner lässt Dietmar Constantini bis Ende der EM-Qualifikation weiter im Amt und holte sich dafür Mittwochmittag auch die einstimmige Unterstützung des ÖFB-Direktoriums. „Ich habe mit allen geredet, und alle pflichten der Linie bei, dass es keine Teamchefdiskussion gibt. Wir haben einen Vertrag bis Jahresende, und ich gehe davon aus, dass dieser Vertrag von beiden Seiten erfüllt wird“, sagte Windtner.

Damit hat Constantini auch den offiziellen Sanktus für das, was für ihn nach der 0:2-Pleite klar war: kein Rücktritt. „Ich kann mich nicht in guten Zeiten feiern lassen und in schlechten gehen“, stellte der Teamchef klar. Auch die gekippte Stimmung im Land lässt den Tiroler zumindest äußerlich kalt, denn damit müsse man als Österreichs Teamchef leben. Das bringe der Job mit sich. „Vor dem Spiel gegen Belgien war die Stimmung positiv, jetzt haben wir ordentlich Gegenwind, aber das ist auch in Ordnung. Damit kann ich umgehen. Das Einzige, was mir körperlich wehtut, ist, wenn wir verlieren“, sagte Constantini.

Geste von ÖFB-Teamchef Dietmar Constantini

GEPA/Christian Ort

Ein zufriedener Teamchef sieht anders aus.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Dass die Chancen auf eine Teilnahme an der EM 2012 in Polen und der Ukraine weiter Richtung null gesunken sind, ist aber auch Constantini bewusst. „Leider ist es so eingetroffen, wie wir es überhaupt nicht wollten. Wir haben aus einer guten Situation eine schlechte gemacht“, zog der 55-Jährige nach fünf Spielen zur Halbzeit der Qualifikation eine nüchterne Bilanz der Tabellensituation, die Österreich mit sieben Punkten auf Platz vier ausweist.

Gänzlich abgeschrieben hat Constantini das EM-Ticket aber noch nicht. Als Trainer müsse er die Zuversicht daran weiter vorleben. „Klar haben wir jetzt eine sehr schwierige Ausgangsposition. Insgeheim muss man als Trainer immer an 15 Punkte denken. Als Trainer kann man nicht nur realistisch sein, man muss auch ein Träumer sein“, sagte Constantini. „Wenn es jetzt so transportiert wird, dass wir keine Chance mehr haben, spielen wir vielleicht befreiter“, vermutete der Teamchef, der die Niederlagen aufgrund der hohen Erwartungshaltung auch als „Kopfsache“ bezeichnete.

„Alles schlechtmachen ist nicht richtig“

Die teils erschreckenden Vorstellungen mit einer Vielzahl an Fehlpässen, technischen Fehlern, individuellen Schnitzern und - zumindest gegen Belgien - fehlender Leidenschaft zeigten jedoch einen bitteren Status quo der Nationalmannschaft, der wieder einmal die Hoffnung auf Besserung in den Vordergrund rückt. Constantini wehrte sich aber und erklärte: „Jetzt alles schlechtzumachen ist auch nicht richtig. Es kann nicht nur Kritik geben, dass wir nichts zusammenbringen. Am Gegner liegt es schließlich auch.“

Constantini auf Ursachenforschung

Der Plan gegen die Türkei war, in der eigenen Hälfte zu attackieren, über die Seite Angriffe zu lancieren und Maierhofer in der Mitte ins Spiel zu bringen. „Wir wollten die Türkei einbremsen. Das ist uns nicht so schlecht gelungen, leider ist dann der Fehler passiert. Ekrem Dag hatte ein Blackout, da kann man als Trainer nichts machen. Dieses Problem kann ich nicht lösen. Solche Fehler ziehen sich schon seit Jahren durch das Team und nicht erst in meiner Ära. Da fehlt wahrscheinlich auch die nötige Klasse“, betrieb Constantini Ursachenforschung.

ÖFB-Teamchef Dietmar Constantini hält am Spielfeldrand die Hände aneinander.

GEPA/Franz Pammer

Gegen Fehler wie jenen von Dag beim 0:1 fühlt sich Constantini machtlos.

Im Zuge derer kam der Teamchef auch auf die langes Ausfallliste zu sprechen. Gegen Belgien fehlten Veli Kavlak, Franz Schiemer, Sebastian Prödl und der gesperrte Paul Scharner. Gegen die Türkei kam zwar Scharner zurück, dafür mussten Marc Janko und Zlatko Junuzovic passen. „Ich will nicht raunzen, wenn jemand nicht zur Verfügung steht, aber gegen Belgien haben uns drei und gegen die Türkei noch einmal zwei gefehlt. Und ohne Tor bekommt man keinen positiven Spielverlauf“, sagte Constantini.

Ein Anflug von Selbstkritik

Zu seiner eigenen Leistung als Teamchef ließ Constantini jedenfalls einen Anflug von Selbstkritik erkennen. „Vielleicht habe ich bei der Strategie gegen Belgien zu wenig gemacht, das kann sein“, erklärte der Tiroler, der sich bei Spielvorbereitung und Trainingsplanung keinen Vorwurf machen wollte. „Gegen Belgien habe ich nicht gewechselt, gegen die Türkei schon. Deswegen ist es aber auch nicht besser geworden“, bilanzierte Constantini, der auch zugab, dass er manchmal das Gefühl habe, an seine Grenzen zu stoßen.

Kreative Lücke, aber keine Personalrochade

Zwar sehe er im Team keinen Mangel an Führungsspielern, „die die anderen mitreißen“, aber gleichzeitig keinen, „der die kreative Lücke schließen kann. Am ehesten vielleicht noch der Zlatko Junuzovic.“ Einzelne Spieler kritisieren wollte Constantini aber nicht. „Ich werde keine Zukunftsentscheidung bezüglich der Spieler treffen. Wir sind ein gutes Team und haben voreinander Respekt. Ein Großteil der Mannschaft ist schwer in Ordnung, die anderen werde ich versuchen hinzubiegen.“

Eine große Personalrochade wird Constantini ebenfalls nicht vornehmen. Möglicherweise bekommt der eine oder andere eine Nachdenkpause, Comebacks von aussortierten Spielern wie Andreas Ivanschitz und György Garics wird es in der Ära Constantini aber nicht geben. „Ohne jemand die Klasse absprechen zu wollen, aber die sogenannten Routiniers haben sich auch nicht für ein Turnier qualifizieren können“, sagte Constantini, ohne dabei konkrete Namen zu nennen.

Christian Wagner, ORF.at

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