„Wir bedauern diese Entscheidung“
FIFA und UEFA haben am Freitag Bosnien-Herzegowina bis auf weiteres suspendiert. Das Land darf damit vorerst keine Länderspiele mehr bestreiten. Der Grund: An der Verbandsspitze stehen ein Bosnier, ein Serbe und ein Kroate - doch mit diesem Trio wollten die internationalen Verbände nicht leben und forderten einen einzigen Chef. Der zerstrittene Nationalverband konnte sich dazu nicht durchringen.
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„Wir bedauern, dass diese Entscheidung getätigt werden musste“, erklärten FIFA und UEFA in einer gemeinsamen Aussendung. Bei einem Treffen der beiden Verbände soll so bald wie möglich geklärt werden, wie „Bosnien wieder zurück in die Fußballfamilie geführt werden könnte“. Eine Möglichkeit wäre, dass die FIFA einen Notfallausschuss installiert, der es Clubs und Schiedsrichtern erlauben könnte, international tätig zu sein, bis die Strukturen modifiziert wurden.
„Diese Leute sind unfähig“
Dass das von bosnischer Seite bald der Fall sein könnte, ist allerdings äußerst fraglich. „Es gibt absolut keine Chance, dass der Verband einen Ausweg aus dieser Sackgasse findet. Diese Leute sind unfähig, den Verband zu führen“, schimpfte etwa Nationaltrainer Safet Susic. Seine Mannschaft mit Stars wie Manchester-City-Legionär Edin Dzeko hat in der EM-Qualifikation in einer Gruppe mit Frankreich, Weißrussland, Albanien, Rumänien und Luxemburg große Chancen auf Rang zwei.
Sollte die Sperre allerdings bis zum nächsten Spiel am 3. Juni gegen Rumänien aufrechtbleiben, dann ist eine EM-Teilnahme ernsthaft in Gefahr. „Den Spielern ohne deren Fehler die Chance zu nehmen, auf einer großen Bühne zu spielen, ist, als würde man Leute unschuldig ins Gefängnis schicken“, sagte Susic und appellierte an FIFA und UEFA, Verständnis für die vertrackte Lage zu zeigen.

Reuters/Dado Ruvic
Im letzten EM-Qualispiel gegen Rumänien feierten die Bosnier einen 2:1-Sieg.
Clubvereinigung kritisiert Sperre
Kein Verständnis für die Aktion hat indes die Vereinigung europäischer Proficlubs (ECA), die den Ausschluss der bosnischen Vereine von internationalen Wettbewerben kritisierte. „Auf keinen Fall dürfen diese Clubs Opfer politischer Themen innerhalb des Verbandes werden. Die Auswirkungen einer Suspendierung, die nicht auf das Verhalten der Vereine zurückzuführen ist, wäre schädlich für die Clubs und ihre Spieler“, erklärte der ECA-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.
Radmilo Sipovac, Präsident von Tabellenführer Borac Banja Luka, sieht die Suspendierung ähnlich wie Rummenigge. „Es wäre ein irreparabler Schaden, wenn wir international nicht spielen dürften. Überhaupt jetzt, wo wir so knapp vor dem Titel stehen“, sagte Sipovac, der allerdings an eine schnelle Lösung des Problems glaubt.
„Das ist doch wohl ein Aprilscherz“
Auch die bosnischen Fußballfans sind vom spektakulären Schritt der FIFA und UEFA schockiert. „Das ist doch wohl ein Aprilscherz“, schrieb ein Leser der Zeitung „Dnevni Avaz“ in Sarajevo. Ein anderer sieht nur die tatsächliche Lage im Sport bestätigt: „In Bosnien halten die Serben ja sowieso nur zum Nachbarn Serbien und die Kroaten zum benachbarten Kroatien, nur die Muslime sind für Bosnien.“ Einige Kommentare hoffen auf die heilsame Wirkung dieser sportlichen Ohrfeige: „Hut ab! Europa hat endlich mal den richtigen Schritt gemacht. Auf dass dieser Zirkus beendet wird.“
Der Verband selbst sah sich nur geringfügig in der Lage, den aufsehenerregenden Ausschluss zu kommentieren. „Das schlimmste Szenario wäre, wenn die Suspendierung bis Ende dieses Jahres dauern würde. Das hätte katastrophale Konsequenzen“, erklärte Generalsekretärin Jasmin Bakovic und ergänzte: „Wir sind einfach ein Teil dieser Gesellschaft. Der Verband ist ein Spiegelbild des Staates.“
Chaos pur nach Parlamentswahl
Denn vor allem die Serben widersetzen sich allem, das auch nur entfernt den Anschein einer Zentralisierung des Landes erweckt. Mehr noch. Seit langem drohen die Serben mit der Abspaltung ihrer schon heute fast unumschränkt selbstständigen Landeshälfte und ihrem Anschluss an das benachbarte „Mutterland“ Serbien.
Erst in dieser Woche hatte Serben-Führer Milorad Dodik ein Referendum angekündigt, mit dem die Serben die Auflösung des obersten Gerichts in Bosnien durchsetzen wollen, das wenigstens formal noch als Klammer für das ganze Land gilt. In dem von Muslimen und Kroaten bewohnten zweiten Landesteil herrscht seit Wochen reines Verfassungschaos.
Fünf Monate nach der Parlamentswahl wurde eine Regierung gebildet, allerdings ohne die Kroaten. Die boykottieren diese verfassungswidrig gebildete Regierung nach Kräften. Das Verfassungsgericht, das Klärung bringen sollte, hat sich als nicht zuständig aus der Affäre gezogen. Keiner weiß, wie es in dem Balkanland weiter gehen soll. Kroaten gegen Muslime und Muslime gegen Serben heißen die gar nicht sportlichen Paarungen.
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