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Am Anfang war das Blut

Von Herbst 2003 bis Februar 2006 war Humanplasma auch Anlaufstelle für „organisiertes Blutdoping“, wie es in einem Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Wien heißt. Die Idee dazu hatte laut Humanplasma-Geschäftsführer Rudolf Meixner und dem Transfusionsmediziner Paul Höcker der skandalumwitterte Ex-ÖSV-Trainer Walter Mayer, so steht es in den Protokollen der SoKo Doping.

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Mayer hatte von 1999 bis 2006 führende Betreuerpositionen in Langlauf und Biathlon im Österreichischen Skiverband (ÖSV) bekleidet. „Er hat mich im Sommer 2003 telefonisch kontaktiert, und es kam in der Folge in meinem Büro in Wien zu einem persönlichen Treffen, an dem Walter Mayer, Dr. Paul Höcker und ich teilgenommen haben“, gab Meixner bei seiner Zeugenvernehmung durch die Sonderkommission (SoKo) Doping am 8. September 2009 zu Protokoll.

„An diesem oder dem nächsten Treffen, bei dem zugleich die ersten Blutabnahmen stattfanden, hat auch Martin Kessler teilgenommen.“ Der war damals Ruder-Nationaltrainer und hat mittlerweile Blutabnahmen von ihm betreuter Sportler bei Humanplasma eingestanden. Wie die frühere Weltkasseläuferin Stephanie Graf gab der Vorarlberger aber an, die Blutkonserven seien niemals refundiert worden. Doch schon dieser Blutdopingversuch genügt laut Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), um zweijährige Sperren über Athleten zu verhängen.

Appell an den Patriotismus

„Bei dem Treffen hat Mayer unter anderem an unseren Patriotismus appelliert, indem er uns erklärt hat, dass sämtliche Ausdauersportler weltweit leistungssteigernde Maßnahmen durchführen würden, ohne die man gar nicht die Chance hat, zu gewinnen. Dabei überzeugte er uns davon, dass das Blutdoping eine legale, leistungssteigernde Maßnahme ist, deren Anwendung auch für die österreichischen Sportler notwendig ist“, erklärte Meixner, wie die Firma Humanplasma in die heimischen Machenschaften verstrickt wurde.

Davor hätten die österreichischen Sportler „nach Minsk fahren müssen, um Blutabnahmen durchzuführen, wo sehr schlechte hygienische Zustände herrschen würden“, so Meixner, der bei seiner Aussage Wert darauf legte, dass Humanplasma mit der Blutrückführung „in keinster Weise befasst“ gewesen sei. „Die Rückführung des Erykonzentrates sollte und wurde ausschließlich von den Sportlern selbst bzw. sonstigen Personen durchgeführt“, betonte der Humanplasma-Geschäftsführer.

Mit Wissen der Verbände

Meixner hatte auch den Eindruck, „dass Walter Mayer nicht nur für ‚seine‘ Langläufer, sondern vielmehr für den gesamten Ausdauersport sprach. Das Bild, das mir von Walter Mayer vermittelt wurde, war, dass bereits das Training der Sportler auch auf Eigenblutabnahmen und dessen Rückführung ausgerichtet war, die einzelnen Verbände davon in Kenntnis waren und dass das einfach jeder macht. Mir wurde weiters der Eindruck vermittelt, dass die Rückführung des Erykonzentrates durch die Mannschaftsärzte erfolgen würde.“

Erst durch den Dopingskandal um ÖSV-Langläufer und -Biathleten bei den Olympischen Winterspielen 2006 habe bei Meixner und Höcker ein Umdenkprozess eingesetzt. „Im Zusammenhang mit der Turin-Affäre ist uns erstmals wirklich klargeworden, worauf wir uns eingelassen haben, und wir haben beschlossen, unsere Tätigkeit zu beenden. Wir haben daraufhin sämtliche noch eingelagerte Blutbeutel ordnungsgemäß vernichtet. Wir selbst haben mit Februar 2006 sämtliche Blutabnahmen an Sportlern bei der Firma Humanplasma beendet“, betonte Meixner.

Blutdoping in Eigenregie

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch nicht mehr Walter Mayer, sondern der damalige Sportmanager Stefan Matschiner Kontaktmann zu Humanplasma. Der ehemalige Mittelstreckenläufer habe Mayer „etwa Anfang 2005“ abgelöst. Matschiner hatte nach dem Humanplasma-Ausstieg von Meixner diverse Gerätschaften gekauft, um Blutdoping in Eigenregie weiterführen zu können, und wurde am 11. Oktober des Vorjahres wegen versuchten Blutdopings und der Weitergabe von illegalen Dopingmitteln zu 15 Monaten teilbedingt verurteilt.

Mayer steht sein Prozess dagegen noch bevor. Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen den 54-jährigen Salzburger einen Strafantrag wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Gesetz und das Arzneimittelgesetz eingebracht. Mayer wird u. a. vorgeworfen, von 2005 bis zum Februar 2009 - und damit auch noch Monate nach dem im August 2008 in Kraft getretenen Anti-Doping-Gesetz - teilweise höchst prominente Sportler gedopt zu haben. „Ich möchte wissen, wer diese prominenten Sportler sind. Und ab 2006 habe ich nicht einmal mehr einen getroffen“, erklärte Mayer zu diesen Vorwürfen und bezeichnete den Strafantrag als „lachhaft“.

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