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„Völliges Umdenken“

Statt sportlicher Analysen haben Trainer, Spieler und Funktionäre von Rapid und Austria im Wiener Hanappi-Stadion ihrer Bestürzung und Fassungslosigkeit Ausdruck verliehen. Die erschreckenden, geplanten Ausschreitungen von Rapid-Hooligans führten am Sonntag nicht nur zum Abbruch des Derbys beim Stand von 2:0 für die Austria, das Image des Fußballs und von Rapid wurden ebenfalls schwer beschädigt.

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Vermummte Randalierer waren nach dem zweiten Tor der Austria von der Westtribüne auf das Spielfeld und in Richtung Austria-Fansektor gestürmt. Auf dem Weg dorthin gingen die Chaoten sogar auf Rapid-Spieler wie Stefan Kulovits und Christopher Drazan los. Dass es in dem vom Rasen aus mit Raketen und bengalischen Feuern beschossenen Gästesektor keine lebensbedrohlichen Verletzungen oder noch Schlimmeres gab, war pures Glück. Die gegen 400 angerückte Polizisten ausgeübte Gewalt suchte ihresgleichen. Die Beamten wurden mit Leuchtraketen angegriffen, dazu flogen Sessel und Feuerzeuge.

Schlechte Stimmung steigerte sich seit Wochen

„Das ist eine neue Liga“, brachte es Rapids oberster Fanbeauftragter Andy Marek auf den Punkt. Dass es so weit kommen konnte, sollte den Verantwortlichen endlich zu denken geben. So wurden die Kontrollen an den Eingängen laut Erfahrungsberichten mehrerer Abobesitzer zuletzt immer schlampiger. Genau untersucht oder abgetastet wurde kaum jemand. Unerlaubte Wurfgegenstände und pyrotechnische Ausrüstung ins Hanappi-Stadion zu bringen stellt keine Schwierigkeit dar. Beim Derby, einem Spiel mit hohem Risiko, wurde nicht nur vor, sondern auch im Stadion Alkohol verkauft. Und einige am Spielfeldrand bei der Nordtribüne eingesetzte Ordner waren beim Platzsturm plötzlich weg.

Rapid-Fans werfen bengalisches Feuer in den Austria-Sektor

APA/Herbert P. Oczeret

Sturm auf die mit 2.000 Austria-Fans voll besetzte Auswärtstribüne.

Ihre zurückgelassenen Klappsessel wurden danach als Wurfgegenstände gegen Polizisten verwendet. Deren Gegenattacke mit Pfefferspray traf auch Frauen und Kinder, die aus der Gefahrenzone nicht schnell genug wegkamen. Auch in den vergangenen Runden waren aus den unteren Reihen der Nord- und Südtribüne immer wieder Bierbecher und Feuerzeuge in Richtung Linienrichter geworfen worden. Außer erhobener Zeigefinger der Ordner hatten diese Personen bisher aber nichts zu befürchten.

Um es mit den Worten von Steffen Hofmann, der seine Kinder nach den Randalen ebenfalls beruhigen musste, zu sagen: „Was da passiert ist, hatte mit Fußball nichts zu tun.“ Eine von Rapid selbst herbeigeführte Entwicklung ist dagegen, dass den Fangruppen immer mehr Macht und Bedeutung zugestanden wurde. Dass Fans in die Kabine kamen und den damaligen Trainer Peter Pacult für eine schlechte Leistung zur Rede stellten, wäre bei fast allen Profivereinen der Welt undenkbar.

Polizei wird mit Feuerwerkskörpern beschossen

GEPA/Walter Luger

Die Polizei wurde beim Vorrücken in Richtung Westsektor angegriffen.

Platzsturm mit Ansage

„Wir haben in den letzten Jahren enorm viele Fans dazugewonnen und vieles richtig gemacht“, sagte Marek. „Aber alles können wir nicht richtig gemacht haben, sonst wäre das nicht passiert.“ Dazu kommt, dass der Platzsturm in den Tagen vor dem Derby in diversen Fanforen angekündigt worden war. „Vor Heimspielen wird aber oft erzählt, dass es Probleme geben könnte. Die Gerüchte waren nicht so, dass ich sie ernst genommen habe“, gab Präsident Rudolf Edlinger zu. „Man hat das schon öfter gehört und gelesen. Aber die Drohung ist das eine, die Realisierung das andere.“

Am Sonntag war offensichtlich das andere der Fall, die von den Randalierern an den Tag gelegte Brutalität kam laut Edlinger für alle überraschend. „Es ging ihnen nur darum, dem Verein zu schaden“, so der Rapid-Chef. „Es gibt neue Gruppierungen unter den Fans, die uns das Leben schwermachen“, sagte Marek und fügte hinzu: „Es muss ein völliges Umdenken einsetzen.“ Diese Aussage hatte auch eine Rapid-Aussendung am Abend des „schwarzen Sonntags“: „Dieser rabenschwarze Tag bringt mit sich, dass ab der neuen Saison in Sachen Fanpolitik des Vereins ein neuer Weg eingeschlagen wird, damit solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden können“, hieß es da.

Hooligans am Spielfeld

GEPA/Christian Ort

Auch szenekundige Beamte brachten die Randalierer nicht unter Kontrolle.

Derbys künftig wieder im Happel-Stadion

Zuvor sollen aber die Übeltäter vom Derby identifiziert, gefunden und hart bestraft werden. „Einige konnten mit Videokameras auch identifiziert werden, bevor sie sich vermummten“, berichtete Edlinger. „Wir werden die Anführer dieser Aktion mit Spitzenstrafen belegen.“ Diesen Ansatz hatte auch Austria-Trainer Karl Daxbacher, der eine entsprechende Problematik auch bei seinem Club ortet. „Man muss sich etwas überlegen, um diese Fans aussortieren zu können“, forderte er.

In das nächste Derby dürfte Daxbacher seine Elf dann schon im Ernst-Happel-Stadion führen. Sowohl Hanappi- als auch Horr-Stadion (jetzt Generali-Arena) scheinen bei dieser Explosivität des Derbys nicht geeignet zu sein. „Ich hätte kein Problem damit, alle Derbys im Happel-Stadion zu spielen“, betonte Edlinger. Bundesliga-Vorstand Georg Pangl nahm diesen Steilpass dankend an: „Fakt ist, dass die Bundesliga wegen der Sicherheitsfrage immer wieder das Happel-Stadion als Derby-Schauplatz in die Diskussion eingebracht hat. Deshalb ist es jetzt schön, dass nun aus dem Westen Wiens solche Töne zu hören sind.“

Die Polizei wird laut Oberst Fritz Schwarz (Einsatzkommandant im Hanappi-Stadion) aber nicht darauf drängen. Für Sonntag habe man für den schließlich eingetretenen Fall eines Rückstands von Rapid mit Ausschreitungen gerechnet. „Wir kannten das Risiko und hatten unsere Grundszenarien“, so Schwarz. „Grundsätzlich ist das Hanappi-Stadion ein sicheres Stadion, aber es hängt natürlich vom Verhalten der Fans ab.“

Hand hält ein kegeleförmiges Wurfgeschoss

GEPA/Christian Ort

Nach dem ersten Tor sammelte Referee Einwaller auf das Spielfeld geworfene Gegenstände ein.

Image geht den Bach hinunter

Zumindest drei der insgesamt 690 Polizisten im Derby-Einsatz bezahlten diesen mit Verletzungen. Den Platzsturm habe man vor dem Abbruch unter Kontrolle gehalten, eine Fortsetzung der Partie wäre aus sicherheitstechnischen Gründen aber nicht verantwortbar gewesen. So hätte Austria-Keeper Heinz Lindner in der zweiten Hälfte vor der Westtribüne spielen müssen, und die Reaktion der Rapid-Fans auf ein mögliches drittes Austria-Tor wäre wohl kaum besser gewesen. Taktik bzw. Ziel des Einsatzes beim Platzsturm sei gewesen, die Randalierer vom Austria-Sektor fernzuhalten und eine direkte Konfrontation zu vermeiden.

„Beim Vorrücken in Richtung Rapid-Sektor ist es dann zur Gewalt gekommen“, sagte Schwarz. Wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt habe es vorerst drei Festnahmen gegeben. Der von Schwarz auf dem Spielfeld quasi abgelöste Schiedsrichter Thomas Einwaller fand abschließend die passenden Worte für die Schande von Hütteldorf: „Ich kenne auch die internationale Szene. Und das bisschen positives Image, das der österreichische Fußball hat, wird so komplett zerstört. Mir tut das alles sehr leid.“

Harald Hofstetter, ORF.at

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