Disput über als Aus gegebenen Ball
„You cannot be serious“ („Das kann nicht Ihr Ernst sein“): 30 Jahre ist es nun her, dass John McEnroe beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon mit Schimpftiraden seinem Ärger über eine strittige Entscheidung Ausdruck verlieh. Der Schiedsrichter hatte einen Ball als Out gewertet.
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Zu einer Zeit ohne das mittlerweile übliche Hawkeye-System sorgte McEnroes Wutausbruch für Aufsehen in der Tenniswelt. Heutzutage ist so etwas undenkbar, denn nun gibt es bei strittigen Entscheidungen eine Challenge. McEnroe war 1981 wegen seiner früheren verbalen Entgleisungen in Wimbledon von der britischen Regenbogenpresse bereits als „Superbrat“ (in etwa: Superquälgeist) bezeichnet worden. Zu dem legendären Auftritt kam es schon in der ersten Runde im Match gegen einen Landsmann.
„Dieser Ball war auf der Linie“
Der US-Amerikaner Tom Gullikson servierte im ersten Satz beim Stand von 1:1 und 15:30, als der Schiedsrichter einen Ball McEnroes Out gab. Sich Referee Edward James annähernd, sagte McEnroe zunächst ruhig: „Überall wurde Kreide aufgeworfen, das kann nicht ihr Ernst sein.“ Dann wuchs sein Ärger und McEnroe brüllte die Worte, die ihn ein Leben lang begleiten und in die Sportannalen eingehen sollten: „You cannot be serious, that Ball was on the line“ („Das kann nicht Ihr Ernst sein, dieser Ball war auf der Linie“).

AP/Peter Kemp
McEnroe brachte seinen Unmut oft, laut und auch zerstörerisch zum Ausdruck.
Doch die Schimpftirade war damit noch nicht zu Ende. „Kreide flog hoch, er war klar drinnen. Wie um alles in der Welt kann man so einen Ball Aus geben?“, setzte McEnroe fort. „Jeder hier im Stadion weiß, dass der Ball drinnen war. Und Sie geben ihn Aus?“ Gegen Ende des Wutausbruches antwortete Schiedsrichter James in typisch britisch-höflicher Manier: „I’m going to award a point against you, Mr. McEnroe“ („Ich werde Ihnen einen Strafpunkt geben, Mr. McEnroe“). McEnroes Ausraster ist auch in einem Video auf YouTube zu sehen.
„You are misusing your racquet, Mr. McEnroe“
Das dürfte McEnroe noch mehr in Rage versetzt haben, und nach weiteren Zurechtweisungen durch den Schiedsrichter schmetterte der Haarband tragende wuschelköpfige US-Amerikaner seinen Tennisschläger zu Boden. Referee James blieb ruhig und sagte: „You are misusing your racquet, Mr. McEnroe.“ („Sie zweckentfremden Ihren Schläger, Mr. McEnroe.“)
Das Heißblut fuhr daraufhin noch mehr aus der Haut. „Sie sind ein inkompetenter Narr, eine Bedrohung für die Welt“, sagte McEnroe und bekam dafür den nächsten Strafpunkt serviert. Tennis wurde dann aber auch noch gespielt. Am Ende setzte sich der als Nummer zwei gesetzte McEnroe mit 7:6 7:5 6:3 gegen Gullikson durch, erreichte in weiterer Folge das Finale und holte sich gegen den top gesetzten Schweden Björn Borg mit einem 4:6 7:6 7:6 6:4 schließlich seinen ersten Wimbledon-Triumph.
McEnroes damaliger Auftaktgegner Gullikson zeigte wenig Verständnis für den Wutausbruch: „So etwas gehört nicht auf den Tennisplatz. Jeder fürchtet sich vor solchen Leuten. Die kann man nur durch eine Disqualifikation in ihre Schranken weisen. Wenn es die Nummer 120 der Welt gewesen wäre, hätte man ihn disqualifiziert.“

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Die übliche Ehrenmitgliedschaft im All England Club wurde verweigert.
Offizielle brechen mit einer Tradition
Die entrüsteten Wimbledon-Offiziellen waren ähnlich verärgert und brachen sogar mit einer Tradition, indem sie dem damals 22-Jährigen die sonst übliche Ehrenmitgliedschaft des Einzel-Siegers im All England Club verweigerten. McEnroe boykottierte daraufhin das „Champions’ Dinner“ und verpasste damit die Chance auf einen Tanz mit Chris Evert, die das Damen-Einzel gewann.
„You cannot be serious“ wurde schnell zu einer oft zitierten Phrase und fand in einigen Werbespots Verwendung wie beispielsweise in jenem eines Autoherstellers. Dort diskutiert McEnroe mit einem Polizisten, ob er seinen Pkw innerhalb oder außerhalb der Markierung geparkt hat. Aber auch in Comedy-Sketches, Pop-Songs und schließlich von McEnroe selbst - der seine Autobiografie „You cannot be serious“ titelte - wurde der Satz immer wieder zitiert.
Die denkwürdigsten Momente in Wimbledon
In einer Umfrage vor einem Jahr über die denkwürdigsten Momente in Wimbledon nannten 5.000 Fans unter anderem den emotionalen Heimsieg der Britin Virginia Wade 1977. Auch das epische Finale zwischen Roger Federer und Rafael Nadal 2008 - Nadal holte mit 6:4 6:4 6:7(4/7) 6:7 (8/9) 9:7 nach 4:47 Stunden seinen ersten Wimbledon-Titel - sowie das bedeutsame Tiebreak im Endspiel 1980 zwischen McEnroe und Borg wurden oft genannt.
Der Schwede holte sich nach 3:52 Stunden mit 1:6 7:5 6:3 6:7 (16/18) 8:6 seinen fünften Wimbledon-Titel in Folge, allein das Tiebreak im vierten Satz dauerte mit seinen 34 Punkten ganze 22 Minuten. In der Umfrage, die vor dem Marathonmatch zwischen John Isner (USA) und Nicolas Mahut (FRA) - Isner gewann 2010 nach unglaublichen 11:05 Stunden mit 70:68 im fünften Satz - durchgeführt wurde, gab es allerdings nur einen klaren Sieger: „You cannot be serious“.
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