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„Muss sich in den Fußball einbringen“

Der Österreichische Fußballbund (ÖFB) hat mit Marcel Koller einen neuen Teamchef gefunden und ihn bei einem Pressetermin in Oberwart am Dienstag offiziell vorgestellt. Der 50-jährige Schweizer tritt die Nachfolge von Dietmar Constantini an, der nach verpatzter EM-Qualifikation vorzeitig seinen Hut nehmen musste.

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Die endgültige Entscheidung pro Koller wurde am Dienstagvormittag vom sechsköpfigen Direktorium des ÖFB unter Vorsitz von Präsident Leo Windtner getroffen, nachdem seine Bestellung schon am Montag durchgesickert und in den österreichischen Medien verbreitet worden war. Zielvorgabe Kollers ist die Qualifikation für die WM-Endrunde 2014 in Brasilien. Sein Debüt auf der Trainerbank wird er am 15. November beim Länderspiel in der Ukraine geben.

Der neue österreichische Teamchef Marcel Koller, der Präsident des Österreichischen Fußballverbandes Leo Windtner und Interims-Teamchef Willi Ruttensteiner

APA/Robert Jäger

Präsident Windtner (l.) und Ruttensteiner (r.) mit dem neuen Teamchef

„Akribischer Arbeiter“

Koller entspricht laut Windtner dem Anforderungsprofil des ÖFB, das unter anderem beinhaltete: „Der Teamchef muss eine Persönlichkeit mit internationaler Erfahrung und ein Teamplayer sein, Führungskompetenz haben und wissenschaftlichen Methoden gegenüber aufgeschlossen sein. Er muss sich aktiv in den österreichischen Fußball einbringen und dazu bereit sein, seinen Wohnort nach Wien zu verlegen.“ Deshalb sei Koller „die beste Lösung“. Man habe jenen Kandidaten ausgewählt, der den aufgestellten Kriterien am meisten entsprochen habe.

„Er ist ein akribischer Arbeiter und hat gezeigt, dass er in der Lage ist, eine Mannschaft und junge Spieler zu entwickeln“, ergänzte Windtner. Der Schweizer komme mit Innovation daher. „Er ist unbelastet und kann mit neutraler Sicht an die Aufgabe herangehen. Er kann in Österreich seine eigenen Spuren ziehen und hinterlassen“, fügte Windtner hinzu. Wie der weitere Trainerstab aussehen wird, ist derzeit noch vollkommen offen.

„Mit viel Leidenschaft“

„Das Team spielt einen sehr guten Fußball - mit viel Leidenschaft, da muss ich meinem Vorgänger Constantini ein Kompliment machen“, so Koller. Auch gebe es junge Spieler mit Talent zur Weiterentwicklung. „In der Vergangenheit hat es oft an Kleinigkeiten gefehlt. Chancen wurden zwar herausgespielt, aber nicht genützt. Hinten sind individuelle Fehler passiert. Ich denke, dass wir gemeinsam einen guten Weg gehen können.“

Ried-Trainer Paul Gludovatz, der ebenfalls als heißer Teamchefkandidat gegolten hatte, sagte in seiner ersten Reaktion: „Ich kann zu Koller nichts sagen. Ich weiß nur, dass ich die Punkte im Anforderungsprofil erfüllt hätte, außer dass ich vielleicht zu wenig verlangt habe. Ich fühle mich nicht übergangen.“

Geteilte Meinungen

Kollers Bestellung zum ÖFB-Teamchef teilt die Meinungen. Die einen hätten eine heimische Lösung bevorzugt, die anderen einen spektakulären Namen aus dem Ausland. „Was kann Koller besser als ein Foda oder die österreichischen Kandidaten?“, fragte die „Kronen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe), „Herzog, Kurt Jara oder Gludovatz müssten sich gefrozzelt vorkommen.“ Frenkie Schinkels sagte in „Österreich“: „Ich hätte mir einen Teamchef gewünscht, der mehr Ansehen genießt.“

Doch dürfte Koller, der als kühler Taktiker beschrieben wird und als profunder Kenner der Szene gilt, auch ins persönliche Anforderungsprofil von ÖFB-Sportdirektor und -Interimsteamchef Willibald Ruttensteiner passen. Ruttensteiner selbst wolle in Zukunft mehr Einfluss auf die Arbeit des Teamchefs nehmen und die Linie mehr als in der Vergangenheit vorgeben, ohne in die tägliche Arbeit des Teamchefs eingreifen zu wollen. Ziel sei eine effektivere Zusammenarbeit. „Koller hat sich eine Chance verdient“, urteilt das Gros der österreichischen Fußballexperten.

Trotz guter Arbeit entlassen

Als Trainer blickt der 55-fache Schweizer Nationalspieler auf genügend Erfahrung zurück. Seine letzte Tätigkeit endete jedoch schon 2009. Damals wurde er beim VfL Bochum, wo er ÖFB-Verteidiger Christian Fuchs kennenlernte, trotz guter Arbeit nach Fanprotesten entlassen, fünf Jahre davor vom 1. FC Köln nach dem Abstieg in die zweite Liga beurlaubt. Fuchs spricht noch immer in den besten Tönen über Koller, der in Deutschland als Entdecker von Lukas Podolski gilt.

Den Anfang seiner Trainerkarriere machte Koller 1997 beim FC Wil in der Schweiz, um im Jänner 1999 zum FC St. Gallen zu wechseln, wo er in der Saison 1999/2000 Meister wurde - wofür er zum Schweizer Trainer des Jahres bestellt wurde. Im Jänner 2002 wechselte er zu Grasshoppers Zürich und holte eineinhalb Jahre später neuerlich den Titel in der obersten Schweizer Spielklasse. Österreich ist Kollers sechste Trainerstation.

Dienstantritt im November

Der ÖFB dürfte mit Koller seinen Wunschpartner gefunden haben - kein Showman, dafür ein akribischer Fachmann. Auf die Reise zu den bedeutungslosen EM-Qualipartien nach Aserbaidschan (Freitag) und Kasachstan am darauffolgenden Dienstag verzichtet der Neo-Teamchef aber - offizieller Arbeitsbeginn ist der 1. November. „Ich bin ein Trainer, der dabei sein will, wo die Musik gespielt wird“, sagte der Neo-ÖFB-Teamtrainer, der vor 14 Tagen erstmals kontaktiert wurde.

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