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Weltcup-Chance nicht mehr abzustreiten

Spätestens seit seinem lupenreinen Hattrick innerhalb von vier Tagen ist klar, dass Marcel Hirscher heuer ein ernsthafter Kandidat auf den Gewinn des Gesamtweltcups ist. Der 22-jährige Salzburger gibt sich zwar auf der Piste offensiv und rotzfrech, bei den Rechenspielen aber weiter sehr defensiv. „Da fahren noch viele gute Skirennläufer den Berg hinunter, bis das ein Thema ist“, sagte Hirscher.

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Man nimmt Hirscher seine Lockerheit bezüglich der großen Kristallkugel durchaus ab. Der ÖSV-Shootingstar hat sich diese während der Zwangspause nach seinem im Februar 2011 erlittenen Kahnbeinbruch angeeignet. „Durch die Verletzung habe ich einen ziemlich guten Bezug zur Realität und ein bisschen Distanz zum Sport bekommen. Ich habe das Verbissene ‚Ich muss, ich muss‘ abgelegt. Wenn es nicht funktioniert, bin ich trotzdem noch der gleiche Marcel“, sagte Hirscher.

Großer Vorsprung auf Verfolger

Auch diese Einstellung macht ihn derzeit in Slalom und Riesentorlauf zum Mann der Stunde. Und die Zahlen sprechen mittlerweile eine deutliche Sprache. Hirscher sammelte in bisher nur zehn Saisoneinsätzen vor allem dank fünf Siegen bereits 725 Punkte. Damit weist der Annaberger 230 Zähler Vorsprung auf den zweitplatzierten Titelverteidiger Ivica Kostelic auf.

Einen derart großen Polster zu diesem Zeitpunkt der Saison hat es seit 2005 nicht mehr gegeben. Damals führte Bode Miller nach Adelboden 298 Punkte vor Benjamin Raich, am Ende der Saison holte der US-Amerikaner mit fast 200 Zählern Vorsprung die große Kugel.

In Wengen nur im Slalom dabei

Am kommenden Wochenende stehen in Wengen eine Superkombination (Freitag), die klassische Abfahrt (Samstag) und ein Slalom (Sonntag) auf dem Programm. Im Gegensatz zu Kostelic wird Hirscher nur im letzten Bewerb am Start sein. Vor der berüchtigten Lauberhorn-Abfahrt habe er zu viel Angst, so Hirscher, der seinen Körper noch nicht im jungen Rennfahreralter auf den Speed-Pisten verheizen will.

„Die Frage ist, ob man irgendwann den Gesamtweltcup erzwingen will“, sagte der 22-Jährige, der als erster Skifahrer seit dem Schweden Ingemar Stenmark 1978 die ersten drei Rennen eines Jahres gewonnen hat. „Das würde aber bedeuten, dass ich Slalom und Riesentorlauf vernachlässigen müsste. Das will ich aber nicht.“

Auf den Spuren von Alberto Tomba?

Ob man dennoch wie zuletzt Italiens Skilegende Alberto Tomba 1994/95 den Gesamtweltcup nur mit Starts in zwei technischen Disziplinen holen könne, wurde Hirscher zuletzt immer wieder gefragt. „Wenn man gut ist“, lautete seine schlagfertige Antwort.

Alberto Tomba

Reuters/Robert Pratta

Alberto Tomba holte vor 17 Jahren den Gesamtweltcup nur über Slalom und RTL

Und der Annaberger ist derzeit mehr als nur gut. Mit seinem angriffslustigen Fahrstil, der früher noch zu zahlreichen Ausfällen führte, „gehört ihm die Zukunft“, prophezeite Raich, der 2006 die bisher letzte große Kristalltrophäe für Österreich einfuhr. "Unglaublich, was er leistet. Ich kann nur den Hut ziehen. Marcel ist bereits jetzt sehr erfolgreich und konstant. Er weiß, was er kann, und fährt unbekümmert drauflos, so der 33-jährige Routinier. „Marcel wird ganz sicher schon heuer ein gewaltiges Wörtchen um den Weltcup mitplaudern.“

Kostelic kennt das Gefühl

Kostelic kennt Hirschers aktuelles Erfolgsgeheimnis wohl am besten, schließlich hatte der Kroate vor genau einem Jahr mit einer Siegesserie die Basis für den Gesamtweltcup-Erfolg gelegt. „Marcel reitet derzeit auf der Siegeswelle. Er gewinnt jedes Rennen, bei dem er startet. Das gibt Selbstvertrauen, und dann ist alles viel leichter. Das ist eine Kopfsache“, beschrieb Kostelic jenes Gefühl, das er in seinem unglaublichen Jänner 2011 mit 999 eingefahrenen Weltcup-Punkten hatte.

Dass man mit Starts in nur zwei Disziplinen am Ende die Nase vorne haben kann, glaubt Kostelic auf jeden Fall. „Es ist möglich. Ich habe schon vor Saisonbeginn gesagt, dass Marcel ein Anwärter ist, wenn er in den beiden Disziplinen dominiert. Derzeit ist er sehr schwer zu schlagen. Die Frage ist, ob er bis zum Saisonende dominieren kann.“ Kostelic glaubt weiter fest an seine Chance, neuerlich den großen Coup zu landen. „Ich fahre sehr gut und setze auf meine Beständigkeit.“

Gespräche über Start im Superkombi oder Super-G

Sollten der Kroate oder die weiteren Weltcup-Verfolger Aksel Lund Svindal (NOR) oder Ted Ligety (USA) den Rückstand auf Hirscher in nächster Zeit verringern, könnte sich dessen Einsatzplan allerdings ändern, wie ÖSV-Cheftrainer Mathias Berthold bestätigte. Zwar gelte Hirschers Fokus zunächst voll und ganz den Slaloms in Wengen, Kitzbühel und Schladming, danach sind aber möglicherweise auch Einsätze in anderen Disziplinen ein Thema.

„Nach Schladming werden wir uns anschauen, wie wir den Rest der Saison anlegen. Wir haben schon darüber geredet, ob Marcel eventuell den einen oder anderen Super-G oder eine Superkombination bestreitet“, sagte Berthold. Diesen Plan mit Hirscher würde auch Hermann Maier verfolgen. „Ich bin überzeugt, dass er auch im Super-G seine Möglichkeiten hat“, sagte der „Herminator“, mit 24 Weltcup-Siegen in seiner Paradedisziplin Rekordhalter, im Ö3-Interview.

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