„Bin Tag und Nacht für sie da“
Markus Maurberger ist der Mann hinter den Erfolgen des Stubaier Traumduos Gregor Schlierenzauer und Andreas Kofler. Der 43-jährige Tiroler zeichnet als Stützpunkttrainer beim SV Innsbruck-Bergisel hauptverantwortlich für deren atemberaubende Entwicklung. Seit 2009 arbeitet Maurberger mit Kofler, ein Jahr später kehrte Schlierenzauer zu seinem Jugendtrainer zurück.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Maurbergers Spitzname „Maggo“ könnte auch für magische Fähigkeiten stehen, die er seinen Schützlingen zu verleihen scheint. Den bisher fünffachen Saisonsieger Kofler führte er aus einem hartnäckigen Formtief zurück an die Weltspitze. Mit dem frischgebackenen Tournee-Champion Schlierenzauer überwand er die Folgen eines Trainingssturzes samt schwerer Verletzung.
Neben Heinz Kuttin (Villach/Thomas Morgenstern) und Harald Diess (Salzburg/Wolfgang Loitzl) ist der hauptberuflich in der Verwaltung der Tiroler Uniklinik als Buchhalter tätige Maurberger einer von drei Stützpunkttrainern. Ein System, das ÖSV-Cheftrainer Alexander Pointner seit Jahren erfolgreich forciert. Vor dem spektakulären Kulm-Weltcup-Skifliegen am Wochenende nahm sich der „Mr. X“ im Hintergrund die Zeit für ein ausführliches Gespräch mit ORF.at.
ORF.at: Fünf Saisonsiege von Kofler, drei für Schlierenzauer - dazu der Tournee-Gesamtsieg. Sind Ihre Schützlinge mental, körperlich und sprungtechnisch stärker denn je?
Maurberger: Es läuft wirklich sensationell. Das ist fast schon kitschig. Aber die Erfolge sind hart erarbeitet, Resultate einer stetigen Entwicklung. Momentan befinden wir uns in einer Art neutralen Phase: Die Defizite, an denen wir hart gearbeitet haben, klingen ab. Ab jetzt wird es wesentlich einfacher, dafür umso spannender.
ORF.at: Das heißt, dass sowohl Schlierenzauer als auch Kofler noch nicht am Zenit ihres Könnens angelangt sind?
Maurberger: Bisher musste ich als Trainer in die Sprungabläufe eingreifen und sie umstellen. Das führte zu kontraproduktiven Begleiterscheinungen, weil natürliche Fähigkeiten darunter leiden. Jetzt werden die Abläufe immer klarer, meine Arbeit wird in erster Linie begleitend. Die Athleten fangen an, selbst zu leuchten. Ich habe meinen Stempel aufgedrückt, aber sie leben ihre Fähigkeiten jetzt voll aus. Ich bin sicher, dass sich das in diesem Winter auch noch weiterentwickeln und entfalten wird.
ORF.at: War für Sie schon während der Vorbereitung im Sommer abzusehen, dass dieser Punkt bald erreicht sein würde?
Maurberger: Der Weg, den ich vor zweieinhalb Jahren mit Andreas bzw. vor eineinhalb Jahren mit Gregor eingeschlagen habe, greift jetzt. Ansatzweise war schon im Sommer zu sehen, dass die Basis, das Fundament gelegt ist. Andi springt seit Monaten konstant, Gregor hat durch die Tournee noch einmal einen Ruck bekommen. Sie fangen so richtig an zu leben. Während des Trainings kommt es nicht mehr auf jedes Wort an. Blicke und Gesten reichen, das meiste erkennen sie selbst.
ORF.at: Zu Beginn Ihrer Arbeit mit Schlierenzauer mussten Sie die Folgen seines Trainingssturzes in Seefeld (Innenbandeinriss im rechten Knie im Dezember 2010, Anm.) überwinden. Wo lagen sonst die Schwerpunkte?
Maurberger: Vor allem bei der Anfahrtshocke, das war die Basis. Als ich begonnen habe, mit Gregor zusammenzuarbeiten, hatte er mit 20 Jahren schon viele Weltcup-Springen gewonnen. Es war gar nicht so einfach, ihn auf meine Linie zu bringen - zu erreichen, dass er mir die Sachen glaubt. Nur so war es aber möglich, seine Hockeposition im Anlauf entscheidend umzustellen.

GEPA/Andreas Pranter
Markus Maurberger verhalf Gregor Schlierenzauer zu sensationellen Höhenflügen
ORF.at: Und worauf ist es bei Andreas Kofler angekommen?
Maurberger: Ihm hat die nötige Ruhe in den Momenten vom Absprung in die Flugphase gefehlt. Außerdem hat er sich früher zu wenig zugetraut. In den letzten Jahren hat er gemerkt, was er kann und dass die anderen auch nur mit Wasser kochen.
ORF.at: Beide scheinen - nicht zuletzt wegen überwundener Verletzungen oder Formkrisen - zu starken Persönlichkeiten gereift zu sein. Gibt es charakterliche Parallelen?
Maurberger: Kaum. Zwar sind beide extrem professionell, es handelt sich aber um zwei komplett verschiedene Persönlichkeiten. Als Steinbock genießt Gregor seine Freiheiten, agiert teilweise gemächlich und ruhig. Andererseits spürt er im Training enorm viel, was es herauszuarbeiten gilt. Und er ist ein knallharter Realist. Sein klassischer Spruch ist: ‚Wir sind noch nicht gut genug.‘ Selbstzweifel darf man da als Trainer keine haben. Andi ist mehr der Tüftler, auch im Materialbereich. So wie Gregor ist auch er extrem ehrgeizig.
ORF.at: Wie sieht der zeitliche Ablauf Ihrer Arbeit aus? Kommt es zum regelmäßigen Austausch mit den anderen Stützpunkttrainern bzw. mit Headcoach Alexander Pointner?
Maurberger: Ich bin für meine Springer Tag und Nacht da - das ganze Jahr. Wenn sie im Weltcup, während der Tournee oder eine WM über mehrere Tage oder Wochen unterwegs sind, nutzen wir alle modernen Kommunikationsmittel wie Skype usw. Ansonsten mache ich mit ihnen auch die Intensivarbeit zwischen den Weltcup-Springen. Das ist ein nahtloser Prozess mit Analysen, Training und Wettkampfrhythmus. Grundsätzlich gilt bei den Trainern untereinander: Es wird weniger geredet, dafür mehr und gut gearbeitet.
ORF.at: Sie genießen also vollstes Vertrauen von Cheftrainer Pointner und haben bei Ihrer Arbeit weitgehend freie Hand?
Maurberger: Ich habe 20 Jahre Erfahrung als Skisprungtrainer. Ich genieße dieses Vertrauen, und Gott sei Dank gibt mir der Erfolg recht. Alles andere würde zu viel Zeit und Energie kosten - wenn ich zum Beispiel jede Trainingsmaßnahme erst vorschlagen müsste, um sie absegnen zu lassen.
ORF.at: Wer gewinnt den Gesamtweltcup - Andreas Kofler oder Gregor Schlierenzauer?
Maurberger: Wenn es so kommen sollte, dass es sich die zwei untereinander ausmachen, wäre das großartig. Wer es dann für sich entscheidet, hängt von so vielen Faktoren ab. Ich kann es Ihnen nicht sagen (lacht), will ich auch gar nicht.
ORF.at: Werden Sie am Wochenende beim Kulm-Skifliegen an Ort und Stelle sein?
Maurberger: Nein, das muss ich aus zeitlichen Gründen auslassen. Ich arbeite ja neben meiner Trainertätigkeit hauptberuflich als Buchhalter. Und momentan müssen wir den Jahresabschluss erledigen.
Das Gespräch führte Harald Hofstetter, ORF.at
Links: