„Ich habe die Welt erschüttert“
Muhammad Ali, „The Greatest“, hat am 17. Jänner in seiner Heimatstadt Louisville (Kentucky) seinen 70. Geburtstag begangen. Der Körper gebeugt, der Gang schlurfend, die zittrigen Arme gestützt von Frau und Tochter, die Stimme kaum vernehmbar: Viele fürchten, dass jeder Auftritt sein letzter sein könnte. Ali ist gezeichnet von der Parkinson-Krankheit - und weiß, dass er diesen Kampf verlieren wird.
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Die tückische Parkinson-Krankheit hält Muhammad Ali gefangen
Die rund 350 geladenen Gäste, darunter sein am Mittwoch verstorbener Trainer Angelo Dundee, hatten ihn mit Applaus und „Ali, Ali“-Sprechchören empfangen. Der Jubilar schnitt die kleine Geburtstagstorte an. Der Erlös der Veranstaltung kam der Ali-Stiftung zugute. Auch an seinem Lebensabend ist Ali der Kämpfer, der er immer war und der ihn weltweit zu einer der größten Legenden des Sports machte.
Fahrraddieb als erster Gegner
Ali war ein grandioser Künstler im Faustgefecht, er faszinierte die Massen mit seiner Perfektion im und seinem Charisma außerhalb des Rings. Er riss Millionen Menschen rund um den Erdball aus dem Schlaf und fesselte sie vor den Fernsehschirmen. Ali war Provokateur und Narziss zugleich, geißelte das Unrecht, attackierte Machthaber, kämpfte gegen Rassismus und gegen den Vietnam-Krieg. Der dreifache Weltmeister vergangener Tage ist noch immer Held und Mythos.
„Er ist wohl die bekannteste Figur auf Erden, bekannter als der Papst“, sagte der deutsche Boxmanager Wilfried Sauerland treffend. Als er noch Cassius Clay hieß und zwölf Jahre alt war, trieb Ali sein Gerechtigkeitsempfinden zum Boxen. Der schwarze Junge wollte denjenigen verprügeln, der ihm sein Fahrrad gestohlen hatte. Sechs Jahre später, 1960 in Rom, war der smarte Bub Olympiasieger. Die Medaille landete im Ohio River, weil ihm in einem Restaurant wegen seiner Hautfarbe die Bedienung verweigert worden war.
„Ich bin der Größte“
So heißt es zumindest, wenngleich einige Ali-Biografen das bezweifeln, wohl aber den Verlust der Medaille erwähnen. Eine neue goldene Plakette bekam er 1996, als er - gezeichnet von der Schüttellähmung - vor Milliarden TV-Zuschauern mit zittriger Hand das olympische Feuer in Atlanta entzündete. Spätestens da schlossen ihn auch jene ins Herz, die ihn einst ablehnten. Ali war geradlinig, aber auch widersprüchlich, er schwamm gegen den Strom und passte sich doch an.
Als er merkte, dass sich seine bis heute unerreichten boxerischen Fähigkeiten mit großen Sprüchen besser verkaufen ließen, schliff er sein rhetorisches Talent und wurde zum boxenden Entertainer. Wer Ali nie im Ring sah, kennt dennoch seinen Urschrei: „Ich bin der Größte.“ An seinen Rivalen ließ er zumeist kein gutes Haar: Die waren „hässlich“, „Penner“, „Analphabeten“ und „Zuchthausboxer“. „Ich habe die Welt erschüttert“, schrie er 1964 nach seinem sensationellen ersten WM-Titelgewinn gegen Sonny Liston in die Mikrofone.
Neue Maßstäbe im Ring
Der „Lautsprecher“ aus Louisville, der nach dem Titelgewinn zum Islam übertrat, sich Muhammad Ali nannte und seinen alten „Sklavennamen“ Cassius Clay ablegte, setzte auch boxerisch neue Maßstäbe. „Ali-Shuffle“ und „Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“ wurde das genannt, was Ali so perfekt beherrschte: unglaublich leichtfüßig und schnell wie ein Federgewichtler durch den Ring tänzeln, mit herausragenden Reflexen den Gegner ins Leere schlagen lassen und ansatzlos den Rivalen treffen.

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Im legendären „Rumble in the Jungle“ erkämpft sich Ali gegen George Foreman in Kinshasa durch K. o. in der 8. Runde die WM-Titel der WBA und WBC zurück
Die dreijährige Sperre, die dem Gegner des Vietnam-Krieges 1967 wegen Kriegsdienstverweigerung aufgebrummt worden war, hatte an Alis Boxkunst genagt. Die WM-Titel von WBA und WBC war er los. Als er 1970 sein Comeback gab, war er nicht mehr so schnell und leichtfüßig. Doch seine Kämpfe waren spektakulärer denn je, und er wurde wieder Champion. In Erinnerung geblieben sind vor allem Duelle gegen seinen im vergangenen November gestorbenen großen Rivalen Joe Frazier.
Im ersten kassierte Ali am 8. März 1971 in New York die erste Niederlage seiner Karriere. Das dritte ging als die wohl größte Ringschlacht in die Boxgeschichte ein: Im „Thrilla in Manila“ lieferten sich Ali und Frazier am 1. Oktober 1975 bei tropischer Gluthitze einen gnadenlosen Schlagabtausch über 14 Runden, ehe Frazier auf Order seines Trainers aufgab. „Wir kamen als junge Champions nach Manila und gingen als alte Männer“, gestand der dreimalige Weltmeister später.
„Sei bereit, um in den Himmel zu gehen“
Doch Ali verpasste wie so viele große Boxer vor und nach ihm den richtigen Zeitpunkt für den Abschied. Schon gezeichnet von der heraufziehenden Krankheit, verlor er am 11. Dezember 1981 bei einem erschütternden Auftritt gegen den Kanadier Trevor Berbick. Als „Drama auf den Bahamas“ ging der Fight in die Geschichte ein.
Ob zahlreiche Kopftreffer und Parkinson in kausalem Zusammenhang stehen, ist bis heute nicht bewiesen. Der neunfache Vater, der zum vierten Mal verheiratet ist, bemitleidet sich nicht. Ali betrachtet seine Krankheit als „einen Test Gottes“. „Du wirst eines Tages sterben. Also sei bereit, um in den Himmel zu gehen und um ewig glücklich zu leben“, so Muhammad Ali.
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