Ruiss geht in die Offensive
Österreichs Schiedsrichterwesen steht wieder einmal in der Kritik. Doch diesmal nicht von Spielern, Trainern oder Medien, sondern aus den eigenen Reihen. Harald Ruiss hat am Dienstagabend in einem offenen Brief seinen Rückzug als Schiedsrichter der Bundesliga angekündigt und bei dieser Gelegenheit scharfe Kritik, vor allem an den verantwortlichen Funktionären, geübt.
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In dem achtseitigen Schreiben, das an den ÖFB, die Schiedsrichterkommission und Medienvertreter gerichtet war, berichtet der Wiener über „offenkundige Fehlentwicklungen“ und „gravierende Missstände“. Ruiss kam mit dem Brief seiner bereits feststehenden Rückstufung auf die „Leistungsstufe 3“ (Regionalliga) zuvor. Aus Rachegelüsten habe er die Mitteilung aber nicht verfasst, betonte der 30-Jährige.
Kritik an Führungsduo
„Vielmehr geht es mir darum, die Öffentlichkeit über Missstände im Elitebereich des Schiedsrichterwesens zu informieren und das Schweigen darüber zu brechen.“ Vor allem Johann Hantschk, Vorsitzender der Schiedsrichterkommission, und Schiedsrichtermanager Fritz Stuchlik sind Ruiss ein Dorn im Auge. Hantschk sei „trotz Nichtqualifikation“, der 73-Jährige leitete nur zwei Spiele der zweithöchsten Spielklasse, in sein Amt gehievt worden und versuche sich ins mediale Rampenlicht zu spielen, ohne eine höhere Professionalität anzustreben.

GEPA/Andreas Reichart
Fritz Stuchlik pfiff bis Dezember 2009 Spiele in der Bundesliga
Stuchlik hätte laut Ruiss schon viel früher den Hut als Schiedsrichter nehmen müssen, weil er an den Lauftestvorgaben scheiterte. Seine Zeiten seien aber vom Elitekomitee zugunsten Stuchliks verfälscht worden. Der Schiedsrichtermanager habe ein „weitreichendes Mediennetzwerk“ aufgebaut und sei „seit Jahrzehnten mit den Interna des ÖFB und seiner Mitarbeiter vertraut“. Dadurch sei Stuchliks Position derart gefestigt, „dass sein Handeln keiner Kontrolle unterliegt“.
Ruiss: Stuchlik zieht die Fäden
In Wahrheit sei Stuchlik der starke Mann im heimischen Schiedsrichterwesen. „Der medial gekrönte ‚Schiri-Boss‘ Hantschk wirkt wie seine Mitstreiter lediglich wie eine Marionette, die - wie die meisten anderen Mitglieder des Komitees - an Stuchliks Fäden hängt. Das, was der Manager sagt, hat zumeist Gültigkeit - seine ‚Erkenntnisse‘ werden aber immer im Namen des Komitees verlautbart.“
Weiters bemängelte Ruiss das seiner Meinung nach willkürliche Benotungssystem für Schiedsrichter und das „Bundesländer“-Denken. Da jeder Landesverband im Profibereich mit einem Referee vertreten sein muss, „kann es vorkommen, dass ein sehr guter, talentierter Schiedsrichter aufgrund seiner ‚falschen‘ Bundesländer-Zugehörigkeit unberücksichtigt bleibt“. Ruiss leitete in seiner Karriere 21 Spiele der Ersten Liga und drei ÖFB-Cup-Partien. Seinen bisher letzten Einsatz absolvierte er am 27. März beim 1:1 zwischen Grödig und dem LASK.
ÖFB über Vorwürfe „bestürzt“
In einer Stellungnahme am Mittwochabend zeigte sich der ÖFB „bestürzt“ über die Aussagen von Ruiss und sprach von „ungerechtfertigten, persönlichen Angriffen“. „Für konstruktive Kritik sind wir innerhalb unserer Organisation sehr offen und dankbar. Daher wären wir auch für Harald Ruiss jederzeit für ein konstruktives Gespräch zur Verfügung gestanden. Die Möglichkeit dazu hat er in den Jahren seiner Assistenz- und Schiedsrichtertätigkeit im Bundesliga-Bereich allerdings nie genutzt“, wurde Fritz Stuchlik zitiert.
Die „inhaltlich und argumentativ haltlosen Aussagen“ seien laut ÖFB „zum Zeitpunkt einer, menschlich durchaus nachvollziehbaren, persönlichen Frustration“ entstanden, es handle sich „primär um einen emotional motivierten Rundumschlag“.
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