„Alles oder nichts“ gegen Deutschland
Im Klassiker zwischen Deutschland und den Niederlanden geht es Mittwoch (20.45 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) in Charkiw um weit mehr als nur die Rivalität zweier großer Fußballnationen. Denn „Oranje“ ist nach der 0:1-Auftaktpleite gegen die Dänen ausgerechnet gegen den „Lieblingsfeind“ zum Siegen verdammt, soll der Viertelfinal-Einzug gelingen.
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Die Deutschen, die sich beim ersten Turnierauftritt zu einem 1:0 über Portugal quälten, hoffen vor der zu erwartenden Hitzeschlacht bei 35 Grad in Charkiw indes auf eine Steigerung in der Offensive. DFB-Coach Joachim Löw will schon am Mittwoch den Einzug ins Viertelfinale dingfest machen. „Jeder weiß, Holland steht unter Druck“, erklärte er. Das aber werde seinen Matchplan nicht beeinflussen.
Löw erwartet sich vor allem von seinen Offensivspielern um Mesut Özil mehr. „Nach vorne war noch nicht die Durchschlagskraft da.“ Dafür hob Löw die kollektiv gute Defensivarbeit hervor. „Die Abwehr ist immer das Sensibelste in einer Mannschaft. In der Qualifikation gewinne ich lieber mal 4:1, 5:2. Im Turnier ist es wichtig, die defensive Stabilität zu haben“, bemerkte der Schwabe, der gegen den „Fluch der zweiten Partie“ ankämpft: Bei Endrunden hat er bisher jedes zweite Spiel verloren: 2008 gab es ein 1:2 gegen Kroatien, 2010 setzte es eine 0:1-Pleite gegen Serbien.

AP/Martin Meissner
DFB-Erfolgscoach Löw fordert mehr Durchschlagskraft
Vertrauen in Siegerteam
Gegen die Niederlande wird Löw vermutlich dieselbe Elf aufbieten wie beim 1:0 gegen Portugal, als er überraschend den schließlich starken Mats Hummels in die Abwehr und Torschütze Mario Gomez in den Sturm beorderte. Die mediale Debatte über den Bayern-Stürmer, dem teilweise mangelnde Einsatzfreude nachgesagt wurde, lässt Löw kalt. „Ehrlich gesagt habe ich keine Energie, mich um das zu kümmern“, erklärte Löw, der das Team schon zwei Tage vor dem Spiel komplett abschottete - erstmals waren auch Medien ausgeschlossen.
Auch Mittelfeldmann Bastian Schweinsteiger, der gegen Portugal nicht ins Spiel fand, erhielt moralische Unterstützung. Auch wenn Schweinsteiger weiter um Topform ringt, betonte Löw: „Es war extrem wichtig, dass er auf dem Platz war. Bastian hat seinen Spielrhythmus. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass er körperliche Probleme gehabt hätte.“ Auch mental macht sich Löw „keine Sorgen“ um Schweinsteiger: „Er ist absolut selbstbewusst, hat eine gute Körpersprache, ist ehrgeizig und siegesgewillt.“
„Wir müssen gewinnen“
Für die „Bayern“ in der DFB-Elf ist es auch ein Treffen mit Kollege Arjen Robben, der gegen Dänemark eine unglückliche Figur abgab - wie zuletzt schon im Dress der Münchner. Gomez übermittelte bereits liebe Grüße: „In diesem Spiel werden wir keine Freunde sein.“
Gruppe B
Mittwoch, 20.45 Uhr, live in ORF eins und im Livestream
Niederlande - Deutschland
Charkiw, Metalist-Stadion, SR Eriksson (SWE)
Mögliche Aufstellungen:
Niederlande: Stekelenburg - Van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Willems - Van Bommel, N. De Jong - Robben, Sneijder, Afellay - Van Persie
Deutschland: Neuer - Boateng, Badstuber, Hummels, Lahm - Schweinsteiger, Khedira - Müller, Özil, Podolski - Gomez
Ein niederländischer Ex-Bayer richtete einen eindringlichen Appell an sein Team: „Wir müssen gewinnen. Bei dieser EM hat diese einzigartige Generation ihre letzte Chance, einen Titel zu holen. Das muss uns gegen die Deutschen klar sein“, sagte Kapitän Mark van Bommel.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Denn kassieren die Niederlande die zweite Niederlage und holt Dänemark zuvor gegen Portugal zumindest einen Punkt, könnte die EM für „Oranje“ bereits vor dem letzten Spieltag der Gruppe B beendet sein.
Niederländer angespannt
Tatsächlich ist die Stimmung im Lager der Elftal angespannt. Der über seine Reservistenrolle frustrierte Klaas-Jan Huntelaar und Robin van Persie weigerten sich am Montag, an den traditionellen Tischgesprächen mit den heimischen Medienvertretern teilzunehmen, weil sie keine Lust hatten, die Dauerdiskussion über die Besetzung der Offensive zu kommentieren.
Trainer Bert van Marwijk, der in der jüngsten Zeit dünnhäutig wirkt, verzweifelt daran, die richtige Mischung für seine Elftal zu finden. Bisher ist es dem Bondscoach nicht gelungen, eine Taktik zu entwerfen, in der sowohl Van Persie als auch Huntelaar spielen können. Auch die Balance zwischen Offensive und Defensive fehlt noch.
Kritik an Coach Van Marwijk
Die Van Marwijk extrem kritisch gesinnte Tageszeitung „De Telegraaf“ berichtete in ihrer Montag-Ausgabe von ersten Zerwürfnissen. So hätten Nigel de Jong wegen seiner vorzeitigen Auswechslung und Rafael van der Vaart wegen seiner späten Einwechslung jeweils einen dicken Hals. Ihr Vertrauen in den Trainer sei aufgebraucht, schrieb die Zeitung. Immerhin kann Van Marwijk auf seinen kompletten Kader zurückgreifen. Auch der zuletzt verletzte Joris Mathijsen ist wieder fit und wird für Ron Vlaar in die Innenverteidigung rücken.
Das Aufeinandertreffen ist bereits das achte Duell der Nachbarn bei einer WM oder EM, Deutschland hat mit 3:2 Erfolgen die Nase leicht vorn. Treffer scheinen garantiert zu sein: Bisher hat noch jedes Team in jedem der direkten Duelle zumindest ein Tor erzielt. Insgesamt hat man 38 Spiele gegeneinander bestritten, mit 14:10-Siegen liegt Deutschland auch hier in Front. Schwarz-Rot-Gold hat die jüngsten zwölf Pflichtspiele alle gewonnen - das ist DFB-Rekord. Die bisher letzte Niederlage in einem Wettbewerbsspiel war das 0:1 gegen Spanien im WM-Halbfinale 2010 in Südafrika.
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