Auch Paralympics als Politikum
In Sotschi haben am Freitag die elften Winter-Paralympics begonnen. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach im Stadion Fischt um 21.37 Uhr (Ortszeit) die Eröffnungsformel. An der vom politischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine überschatteten Veranstaltung nehmen 547 Sportler aus 45 Nationen teil.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Ukrainer hatten tagelang mit vorzeitiger Abreise wegen des Krim-Konflikts gedroht, letztlich rangen sie sich zur Teilnahme durch und setzten bei der Eröffnungszeremonie ein erlaubtes politisches Zeichen: Fahnenträger Michail Tkatschenko fuhr beim Einmarsch der Nationen mit seinem Rollstuhl als einziger Ukrainer überhaupt in die Fischt Arena ein. Er verzog kaum eine Miene, wurde aber vom Publikum mit ermunterndem Applaus bedacht.
Das deutsche Team verzichtete als Zeichen stillen Protests darauf, wie angedacht deutsch-russische Fähnchen zu tragen. Die österreichische Delegation, der insgesamt 13 Aktive angehören, wurde von Fahnenträger Philipp Bonadimann angeführt. Der 33-jährige Vorarlberger, der seit einem Motorradunfall 1998 querschnittgelähmt ist, hat bei den Paralympics in Vancouver zwei Bronzemedaillen in Slalom und Superkombination gewonnen.
APA/EPA/Sergei Chirikov
Philipp Bonadimann führte das rot-weiß-rote Team an
Friedenswünsche bekräftigt
Der ukrainische Verbandspräsident Waleri Suskewitsch bestätigte die Teilnahme seines Teams, nachdem ihn Russlands Präsident Putin am Vorabend für eine halbe Stunde empfangen hatte. „Ich hoffe, dass der Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten und nach Frieden erhört wird, vor allem von Putin“, sagte Suskewitsch am Freitag und betonte: „Die ukrainische Mannschaft hat den herzlichsten Wunsch nach Frieden für unser Land, Europa und die Welt.“
„Wir bemühen uns um eine Sache: Dass es keinen Krieg gibt während der Paralympics, dass wir Frieden genießen können“, kommentierte ein emotionsgeladener Suskewitsch mittags im völlig überfüllten Raum „Dostojewski“ des Main Press Centers von Sotschi. „Ich bete dafür. Die Paralympics können der Welt helfen, Frieden zu finden.“ Kreml-Chef Putin selbst gab sich im Konflikt nach außen eher milde. „Ich hoffe, dass die Spiele die Spannungen rund um den Ukraine-Konflikt verringern werden“, sagte er der Agentur Interfax zufolge.
Abreise im Kriegsfall
Der Chef der ukrainischen Delegation ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass seine Mannschaft im Fall eines Kriegsbeginns während der Spiele sofort abreisen werde. „Meine Angst ist, dass trotzdem etwas Unheilvolles passieren kann. Beim Allerschlimmsten gehen wir heim“, sagte er. „Während der Paralympics sollte man Schritte unternehmen, um den Konflikt zu deeskalieren. Jeder Schritt in Richtung Krieg sollte ausgeschlossen werden.“
Ganz viel Pathos hatten die Ukrainer schon am Donnerstagabend bei der Willkommenszeremonie im Athletendorf von Krasnaja Poljana gezeigt. Die Athleten hatten laut ihre Nationalhymne mitgesungen und angesichts der Krim-Krise mit Sprechchören („Frieden für die Ukraine“) auf sich aufmerksam gemacht.
Offizielle Untersuchung durch IPC
Das Internationale Paralympische Committee (IPC) reagierte daraufhin am Freitag mit einer offiziellen Untersuchung, dem ukrainischen Team drohen Sanktionen. Es werde geprüft, ob Teammitglieder gegen die Charta der Spiele verstoßen hätten. „Wenn es ein politischer Protest gewesen sein sollte, wären wir enttäuscht“, sagte ein IPC-Sprecher, „hier in Sotschi soll der Sport und nicht die Politik im Vordergrund stehen.“ Vor den Augen von Putin, dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach und Philip Craven, dem Präsidenten des IPC, wurden bei einer farbenprächtigen Show alle Teams mit Beifall empfangen.
APA/EPA/Sergei Chirikov
Die Eröffnungsshow stand unter dem Motto „Das Eis brechen“
Unter dem Motto „Das Eis brechen“ boten die Gastgeber eine Showreise, an deren Ende ein riesiges Eisbrechermodell mit dem Namen „Mir“ (Frieden) den Aufbruch Russlands auf neuen Wegen beim Umgang mit Behinderten symbolisierte. Die Feier wurde von Sängern, Tänzern und Musikern mit und ohne Behinderung gestaltet. „Dank der Paralympics hat eine neue Ära in der Geschichte Russlands begonnen: eine ohne Hindernisse und Klischees“, sagte Organisationschef Dimitri Tschernischenko.
Links: