Madrilenen stürmen Lissabon
Real Madrid greift am Samstag (20.45 Uhr) im Estadio da Luz von Lissabon gegen Atletico Madrid nach „La Decima“, dem heiß ersehnten zehnten Triumph im wichtigsten Europacup-Bewerb. Cristiano Ronaldo hat den Champions-League-Pokal bereits 2008 mit Manchester United gestemmt und will nun die Wartezeit der „Königlichen“ nach zwölf Jahren beenden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Das ist die Trophäe, die jeder Real-Fan will“, sagte der portugiesische Superstar vor der Reise in die portugiesische Hauptstadt, in der an diesem Wochenende Spanisch zur ersten Amtssprache wird. 120.000 Fans aus Madrid werden erwartet, zwischen den Flughäfen der südwesteuropäischen Metropolen herrscht Dauerbetrieb. Der Schwarzmarkt um die 61.000 Tickets für das erste finale Stadtduell der CL-Geschichte treibt schon seit Tagen wildeste Blüten.
Atletico hat weniger zu verlieren als Real
In der Luft holte sich Real schon einmal einen kleinen Vorsprung. Der Favorit landete bereits zwei Tage vor dem Showdown am Finalort. Der leichte Außenseiter Atletico ließ es gemächlicher angehen. Erst Freitagmittag traff der frischgekürte spanische Meister im Nachbarland ein. „Wir haben nichts zu verlieren“, sagte Atletico-Coach Diego Simeone entspannt.
Für Real steht hingegen eine ganze Menge auf dem Spiel. Zwar hat Trainer Carlo Ancelotti mit dem Finalsieg in der Copa del Rey über den FC Barcelona die Minimalvorgabe des mächtigen Präsidenten Florentino Perez erfüllt, nach der verpassten Meisterschaft - es reichte nur zu Rang drei hinter Atletico und Barcelona - würde aber nur „La Decima“ für eine gelungene erste Saison des italienischen Nachfolgers von Starcoach Jose Mourinho sorgen.
Nur die Fitness der Stars ist ein Geheimnis
Doch Ancelotti, der die bedeutendste Europacup-Trophäe zum dritten Mal als Trainer gewinnen könnte und in diesem Fall auf einer Stufe mit dem legendären Ex-Liverpool-Coach Bob Paisley wäre, gab sich in den Tagen vor dem Endspiel betont gelassen. „Es gibt keine Geheimnisse, beide Teams kennen sich gut“, sagte der 54-Jährige. Und doch gaben sich beide Clubs im Vorfeld extrem zugeknöpft, über die Gesundheitszustände ihrer Stars wurde nichts verraten.
Dennoch scheint laut spanischen Medienberichten sicher, dass die beiden Real-Topstars Ronaldo und Gareth Bale am Samstag einsatzbereit sind. Auch für den an Adduktorenproblemen laborierenden Karim Benzema dürfte es sich ausgehen. Innenverteidiger Pepe hingegen wird wegen einer Wadenverletzung wohl fehlen und durch Raphael Varane ersetzt. Für den gesperrten Xabi Alonso springt im zentralen Mittelfeld wohl Asier Illarramendi ein und nicht der von einem Kreuzbandriss genesene Sami Khedira.
Costa nach Rosskur bei „Wunderheilerin“ fit?
Auf Atletico-Seite bangen die Fans mit Stürmerstar Diego Costa, der wegen seines vor einer Woche gegen Barcelona lädierten Oberschenkels extra eine serbische „Wunderheilerin“ in Belgrad aufsuchte und sich von ihr mit Pferdeplazenta behandeln ließ. Angeblich zeigte die Rosskur Wirkung - der gebürtige Brasilianer soll am Donnerstag schon wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen sein. Mittelfeldspieler Arda Turan hat seine Hüftverletzung, die er sich ebenfalls gegen Barca zuzog, weitgehend überwunden.

Reuters/Paul Hanna
Ob Diego Costa seine Torgefährlichkeit beweisen kann, ist noch nicht ganz sicher
Real-Torwart Iker Casillas, der bei den letzten Real-Siegen in der Champions League 2000 und 2002 bereits dabei war, erwartet ein enges Duell. „Die Details werden den Rhythmus des Spiels bestimmen“, sagte der 33-Jährige. „Wir werden alles tun, um mit unseren Fans den Titel zu feiern“, versprach Casillas.
Bemerkenswerte Renaissance Atleticos
Ein Blick in die Statistik untermauert die Favoritenrolle Reals: In praktisch allen Erfolgskategorien liegen die „Königlichen“ gegenüber Atletico voran - bei den Meistercup/CL-Titeln steht es etwa 9:0, bei den spanischen Meistertiteln seit heuer „nur noch“ 32:10. Zieht man allerdings nur die jüngere Vergangenheit heran, so ergibt sich ein anderes Bild. Während Real in den letzten fünf Jahren lediglich einmal Meister (2012) und zweimal Cupsieger (2011 und 2014) wurde, durfte Atletico zwei Titel in der Europa League und im europäischen Supercup (jeweils 2010 und 2012), einen Cupsieg (2013) und am vergangenen Wochenende den ersten Meistertitel seit 18 Jahren bejubeln.
Arm, aber erfolgreich - so könnte man die Situation beim Arbeiterclub aus der spanischen Hauptstadt beschreiben. Denn auch wenn die „Colchoneros“ sportlich eine Renaissance erleben, finanziell sind sie weiter angeschlagen. Nach wie vor drücken den Verein Schulden in Millionenhöhe, vor allem beim Finanzamt steht man tief in der Kreide. Auch in Zukunft wird Atletico daher die besten Spieler verkaufen müssen. Zuletzt ging der Kolumbianer Radamel Falcao, nun ist der Abgang von Diego Costa nur noch eine Frage der Zeit. Umso größer wäre die Genugtuung, Real „La Decima“ zu verderben.
Links: