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Bale vollendet Comeback

Der Sieger der Champions League heißt zum zehnten Mal Real Madrid. Das „Weiße Ballett“ setzte sich am Samstag im Finale in Lissabon gegen den Stadtrivalen Atletico mit 4:1 (0:1/1:1) nach Verlängerung durch. Nur zwei Minuten fehlten Atletico dabei zum ersten CL-Titel der Clubgeschichte. Denn erst in der dritten Minute der fünfminütigen Nachspielzeit kassierte der spanische Meister den Ausgleich.

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Sergio Ramos rettete Real Madrid in einem über weite Strecken zerfahrenen Finale - insgesamt wurden zwölf Gelbe Karten verteilt - in die Verlängerung, nachdem Diego Godin (36.) Atletico in der ersten Hälfte in Führung gebracht hatte. In der Verlängerung sorgte schließlich Gareth Bale (110.) für die Entscheidung. Marcelo (118.) und Cristiano Ronaldo per Elfmeter (120.) besiegelten das Comeback Reals und die erste Niederlage Atleticos in dieser Champions-League-Saison.

Die Fans von Atletico unter den 61.000 Zuschauern im Estadio da Luz hatten wenigstens vor dem Anpfiff Grund zur Freude. Die Behandlung von Stürmerstar Diego Costa bei der serbischen „Wunderärztin“ Marijana Kovacevic - Stichwort Pferde-Plazenta - schien angeschlagen zu haben. Denn der in Brasilien geborene Spanier stand im Aufgebot. Eine Überraschung hatte auch Real-Trainer Carlo Ancelotti im Talon: Der Italiener bot etwas unerwartet Sami Khedira, heuer lange Zeit mit Kreuzbandriss auf Eis, anstelle des gesperrten Xabi Alonso erstmals in dieser Saison in der Startelf auf.

Kurzauftritt von Diego Costa

Die Anfangsminuten gehörten jedenfalls Ancelottis Team. Real riss von Beginn an die Initiative an sich. Atletico schien das nur recht zu sein. Der spanische Meister baute rund vor dem eigenen Sechzehner ein engmaschiges Netz auf und ließ die „Weißen“ spielen. Viel Zählbares gab es für Real in der Anfangsphase aber nicht zu vermelden. Auch weil Goalie Thibaut Courtois auf dem Posten war, als Karim Benzema Bale mit der Ferse einsetzen wollte (6.).

Auswechslung von Diego Costa (Atletico Madrid)

Reuters/Kai Pfaffenbach

Der Finalauftritt von Atleticos Torjäger Costa dauerte ganze neun Minuten

Nach neun Minuten war die Freude der Atletico-Fans über Costas vermeintliche Gesundung auch schon wieder verflogen. Die Plazenta-Kur hatte offenbar aufgehört zu wirken. Der Torjäger musste nach einem Kurzeinsatz wieder vom Feld, Adrian Lopez übernahm. So früh war noch nie ein Spieler im CL-Finale ausgewechselt worden. Am Spiel änderte der Wechsel vorerst nichts. Real versuchte zu kombinieren, Atletico hielt kompromisslos dagegen und wartete auf eine günstige Gelegenheit zum Gegenstoß. Zum Glück für die „Colchoneros“ war Schiedsrichter Björn Kuipers mit seinen Pfiffen nicht kleinlich.

Bale lässt Geschenk ungenutzt

Ein Leckerbissen war das erste Stadtderby in einem CL-Finale in der ersten Hälfte nicht. Viele Zweikämpfe zerstörten den Spielfluss. Erst in der 23. Minute durften die Statistiker nach einem harmlosen Freistoß von Luka Modric den ersten Torschuss registrieren. In der 27. Minute gingen kurz die Wogen hoch. Raul Garcia säbelte Reals Angel di Maria auf dessen Weg zum Tor vor dem Strafraum von hinten um und löste damit einen Tumult aus. Einen Freistoß gab es auch, doch Ronaldo zirkelte den Ball zu zentral auf das Tor und in die Hände von Courtois.

In der 33. Minute hätte Tiago Real die Führung beinahe auf dem Silbertablett serviert. Der Portugiese im Atletico-Dress fabrizierte einen fast verhängnisvollen Fehlpass in der eigenen Hälfte. Fast verhängnisvoll, weil Bale das Geschenk nicht nutzen konnte und die Kugel nach einem Sololauf links am Tor vorbeischob. Courtois war bereits geschlagen gewesen. Auch Xabi Alonso auf der Tribüne konnte die fast schon fahrlässig vergebene Chance nicht fassen.

Casillas hilft Atletico

Nur vier Minuten später sollte sich Bales Versäumnis rächen. Nach einem Eckball kam der Ball wieder zu Juanfran in den Strafraum, Real-Torhüter Iker Casillas irrte herum und stand daher beim Kopfball von Godin, der schon im Meisterschaftsfinale gegen den FC Barcelona zum Helden geworden war, zu weit vor dem Tor. Die Rettungsaktion des Goalies kam zu spät. Praktisch mit der ersten Chance stand es 1:0 für Atletico. Und der spanische Meister setzte nach. In der 41. Minute ging ein Kopfball von Adrian Lopez nur knapp über das Tor.

Tor von Diego Godin (Atletico Madrid)

Reuters/Sergio Perez

Casillas konnte seinen Patzer nicht mehr rechtzeitig ausbügeln

Real schaffte es hingegen nicht, den Schock über den Gegentreffer bis zur Pause zu verdauen. Das „Weiße Ballett“ rannte sich immer wieder an der gut stehenden Atletico-Abwehr fest. Von den Superstars Ronaldo und Benzema war nichts zu sehen. Der Real-Frust entlud sich in teils unschönen Attacken. So fuhr Khedira, der beim 0:1 das Kopfballduell verloren hatte, David Villa in der Nachspielzeit heftig in die Beine und hatte Glück, nicht vor dem Pausenpfiff unter die Dusche zu müssen.

Ronaldo mit Triple-Chance

Real-Trainer Ancelotti schien in der Pause nicht wirklich etwas eingefallen zu sein, um den Abwehrriegel Atleticos zu knacken. Im Gegenteil: Der frischgebackene Meister nahm Ronaldo und Co. konsequent den Wind aus den Segeln und zeigte, dass man auch kombinieren konnte. Den ersten Torschuss in Hälfte zwei verzeichnete daher auch Atletico. Doch ein Volleyschuss von Raul Garcia aus 16 Metern ging über das Tor (51.).

Nur drei Minuten später weckte Atletico-Verteidiger Miranda Real mit einem Foul an Angel di Maria wieder auf. Ronaldo nahm das Tor dreimal in Folge unter Beschuss. Zuerst entschärfte Courtois einen guten Freistoß des Portugiesen, dann fälschte ein Atletico-Bein einen Schussversuch Ronaldos nach dem Eckball im letzten Moment ab und schließlich setzte der Weltfußballer den nächsten Eckball knapp neben das Tor - die bisher besten Aktionen des Portugiesen. Im Gegenzug blockte Khedira einen Schuss von Adrian gerade noch ab (56.).

Real müht sich vergeblich

Ancelotti verordnete seinem Team eine Blutauffrischung und brachte Marcelo und Isco für Fabio Coentrao und Khedira. Ein Ruck ging dennoch nicht durch sein Team, auch nicht, als Ronaldo bei einer Flanke im Strafraum zwar am höchsten, aber auch knapp am Ball vorbeisprang (63.). Atletico igelte sich weiter nicht ein. Über die Seiten kam der spanische Meister immer gefährlich in die Nähe des Tores, nur die Flankenschüsse funktionierten zum Glück für Real nicht nach Wunsch.

Auf der Gegenseite brachte Di Maria die Atletico-Abwehr in Verlegenheit. In der 70. Minute fand sich der Argentinier nach schneller Kombination in guter Schussposition im Strafraum wieder, doch er versuchte noch einen Pass anstelle des Abschlusses. Eine falsche Entscheidung, denn die Abwehr konnte klären. Praktisch im Gegenzug sorgte David Villa für eine Schrecksekunde bei den Freunden und Angehörigen von Casillas. Der Atletico-Stürmer kam nach einer Koke-Flanke im Rutschen mit seinen Beinen dem Gesicht des Real-Torhüters gefährlich nahe (73.).

Real-Ausgleich in Nachspielzeit

Die Gesichter der Real-Fans wurden immer verzweifelter. Auch weil Bale die nächste Topchance ausließ. Der Waliser entwischte Godin, doch sein Schuss aus spitzem Winkel ging vorbei (78.). Nur eine Minute später lag der Ball für Isco einschussbereit, doch die Atletico-Abwehr konnte mit vereinten Kräften klären. Da war Benzema, der an diesem Abend farblos blieb, bereits umgezogen. Ancelotti hatte statt des Franzosen mit Alvaro Morata sein letztes Pferd in die Schlacht geworfen.

Und diese Schlacht wurde noch einmal richtig heiß. Real warf noch einmal alles nach vorne und zwang Atletico tief in die eigene Hälfte. Die „Colchoneros“ stemmten sich aber mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen. In der Nachspielzeit, die Schiedsrichter Kuipers mit fünf Minuten ansetzte, wurde Real dann doch noch belohnt: Zum ersten Mal passte die Atletico-Abwehr bei einem Eckball nicht auf, und Sergio Ramos versenkte den Ball wuchtig im Eck (90.+3). Courtois war chancenlos, die Entscheidung musste doch noch in Überstunden fallen.

Kopfballtor von Sergio Ramos (Real Madrid)

APA/EPA/Mario Cruz

Sergio Ramos nutzte die einzige Unachtsamkeit der Abwehr zum Ausgleich

Bale vollendet Comeback

Der späte Ausgleich hatte nicht nur die Real-Fans wieder aufgeweckt. Vor allem Torschütze Sergio Ramos trieb Real in der Verlängerung immer wieder nach vorne. Bei Atletico schien der Schock tief zu sitzen, die kraftraubende Taktik Diego Simeones forderte ihren Tribut. Der spanische Meister kam kaum noch über die Mittellinie. In Szene setzte sich nur Atletico-Trainer Simeone, der während des Seitenwechsels in der Verlängerung den Referee bestürmte und für einen Tumult sorgte. Die lange Nachspielzeit der regulären Spielzeit nagte noch immer an der Seele des Argentiniers.

Real blieb spielerisch überlegen - und wurde in der 110. Minute belohnt. Di Maria tankte sich durch die stehend k. o. wirkende Abwehr und zwang Courtois zu einer Glanzparade. Pech für Atletico, dass Bale goldrichtig stand und den Ball über die Linie köpfelte. Marcelo (118.) und Ronaldo (120./Elfmeter) setzten dem Comeback schließlich die Krone auf. Während Real den ersten Titel seit 2002 gewann, wiederholte sich für Atletico die Geschichte. Bereits 1974 gegen Bayern München hatte ein später Ausgleich von Georg Schwarzenbeck Atletico den Titel gekostet. Damals hatte man dann im Wiederholungsspiel verloren.

Karl Huber, ORF.at

Champions League, Finale

Samstag:

Real Madrid - Atletico Madrid 4:1 n.V. (1:1, 0:1)

Lissabon, Estadio da Luz, 61.000 Zuschauer, SR Kuipers (NED)

Torfolge:
0:1 Godin (36.)
1:1 Ramos (90.+3)
2:1 Bale (110.)
3:1 Marcelo (118.)
4:1 Ronaldo (120./Elfer)

Real: Casillas - Carvajal, Sergio Ramos, Varane, Coentrao (59./Marcelo) - Modric, Khedira (59./Isco), Di Maria - Bale, Benzema (79./Morata), Cristiano Ronaldo

Atletico: Courtois - Juanfran, Miranda, Godin, Filipe (83./Alderweireld) - Raul Garcia (66./Sosa), Tiago, Gabi, Koke - Diego Costa (9./Adrian Lopez), Villa

Gelbe Karten: Ramos, Khedira, Marcelo, Ronaldo, Varane bzw. Raul Garcia, Miranda, Villa, Juanfran, Koke, Gabi, Godin

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