Schwieriger Prozess
Australiens Schwimmikone Ian Thorpe hat seine Homosexualität in einem TV-Interview öffentlich gemacht. Der 31-Jährige antwortete am Sonntag auf eine entsprechende Frage des britischen Journalisten Michael Parkinson für den australischen Sender Ten: „Ich bin nicht hetero.“ Das habe er seinem engsten Umfeld erst in den vergangenen zwei Wochen sagen können.
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Thorpe, zu seinen Glanzzeiten „Thorpedo“ genannt, ist mit fünf Gold- und drei Silbermedaillen sowie einmal Bronze der erfolgreichste Olympionike Australiens und eine der bekanntesten Persönlichkeiten. Thorpe hatte trotz anhaltender Gerüchte über seine sexuelle Orientierung stets betont, nicht schwul zu sein, auch in seiner 2012 erschienen Autobiografie und einmal sogar per Pressemitteilung.
Jahrelanges Leugnen
Nun bezog er in dem TV-Interview ausführlich Stellung zu seiner Sexualität. Bereits in der Schule, die nur für Buben war, habe er verneint, schwul zu sein. „Die Lüge wurde dann so groß, dass ich meine Integrität infrage gestellt sah“, erklärte Thorpe. Nun sei er so weit zu sagen: „Ich sage der Welt, dass ich schwul bin (...), und ich hoffe, dass das die Dinge einfacher macht für andere.“

Reuters/Tim Chong
Im Schwimmbecken fühlte sich „Thorpedo“ am wohlsten
In seiner Biografie hatte Thorpe noch felsenfest seine Heterosexualität behauptet. „Ich bin nicht schwul, und alle meine sexuellen Erfahrungen waren ‚straight‘. Ich fühle mich zu Frauen hingezogen, ich liebe Kinder, und ich möchte eines Tages eine Familie haben“, hatte Thorpe damals geschrieben.
Im aktuellen Interview mit Parkinson sagte Thorpe, ein großer Teil seiner Verschwiegenheit habe damit zu tun gehabt, dass er geglaubt habe, diese Enthüllung würde nicht zu seinem Image als „australischer Champion“ passen. „Ein Teil von mir hat nicht gewusst, ob Australien seinen Champion als schwul haben will.“
Coming-out erst nach der Karriere
Vor dem fünffachen Olympiasieger und elffachen Weltmeister hatten sich bereits andere homosexuelle Spitzensportler geoutet, unter anderem Großbritanniens Wasserspringer Tom Daley und einige US-Athleten. Der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hatte sich Anfang des Jahres nach Ende seiner Laufbahn erstmals zu seiner Homosexualität geäußert.
Sportler und andere Prominente begrüßten Thorpes Coming-out, darunter US-Basketballer Jason Collins, der 2013 als erster NBA-Spieler über seine Homosexualität geredet hatte. „Cheers Ian Thorpe. Deine Geschichte wird anderen helfen und sie inspirieren“, twitterte Collins.
„Vielen Dank für aufmunternde Worte“
Thorpes vier Jahre jüngerer Landsmann, Wasserspringer Matthew Mitcham, hatte sich schon vor seinem Turm-Olympiasieg 2008 geoutet. Dem „Daily Telegraph“ sagte er: „Ich verstehe total, wie schwierig dieser Prozess für ihn war.“
Mitcham weiter: „Ich hoffe, die Medien respektieren ihn, so wie mich 2008. Die Öffentlichkeit und die Medien haben jetzt eine wunderbare Gelegenheit, ein Beispiel zu setzen für Kinder, die in einer ähnlichen Situation sind, wie Ian es war.“ Thorpe schrieb nach dem TV-Interview, für das er nach „Telegraph“-Angaben umgerechnet 277.000 Euro erhalten haben soll, auf Twitter: „An alle, die mir aufmunternde Worte geschickt haben; vielen Dank!“
„Innerer Frieden und Freiheit“
Thorpe enthüllte in dem Interview, wie unwohl er sich jahrelang fühlte. „Niemand muss sich so fühlen, wie ich es lange getan habe. Man kann aufwachsen und sich wohlfühlen und schwul sein“, sagte er. Thorpe schrieb in seiner Autobiografie über seine Depression: „Selbst meine Familie weiß nicht, dass ich einen Großteil meines Lebens gegen lähmende Depression gekämpft habe (...) Ich habe Alkohol genommen, um schreckliche Gedanken zu vertreiben und meine Stimmung zu regulieren.“
Im Februar war er nach Angaben seines Managers wegen einer schweren Depression in einer Rehabilitationsklinik. Seine Homosexualität geheim zu halten sei „psychologisch schmerzhaft“ für Thorpe gewesen, meinte der internationale Verband schwuler und lesbischer Sportler (GLISA). „Wir ziehen den Hut vor Ian Thorpe im Bezug auf alles, was er in seiner Schwimmkarriere geschafft hat, wir wünschen ihm alles Gute für die Zukunft und hoffen, dass er größeren inneren Frieden und Freiheit findet.“
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