Mumbai, Chennai und Co. in Startlöchern
Eine gigantische neue Zielgruppe von 1,2 Milliarden Menschen soll in den nächsten Jahren in Indien davon überzeugt werden, dass Fußball mindestens so interessant ist wie Kricket. Geht es nach den ambitionierten Plänen einiger schwerreicher Unternehmer, Industrieller, Bollywood-Schauspieler und Kricketstars, ist die neu gegründete Indian Super League (ISL) das geeignete Instrument dafür. Los geht es am 12. Oktober.
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Nicolas Anelka, französisches Enfant terrible mit Weltklasseclub-Erfahrung aus England, Italien und Spanien, ist der bisher letzte Superstar, den die indischen Organisatoren und Investoren für die ISL an Land zogen. Der 35-jährige Stürmer, der schon für Chelsea, Manchester City, Arsenal, Liverpool, Paris Saint-Germain, Real Madrid und Juventus spielte, unterschrieb am Montag einen höchstwahrscheinlich recht ordentlich dotierten Vertrag mit dem Mumbai City FC.

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West Bromwich war die letzte Europastation von Nicolas Anelka
Trainiert wird Anelka dort vom ehemaligen englischen Internationalen Peter Reid, der davor den Ex-Dortmunder und früheren DFB-Innenverteidiger Manuel Friedrich nach Mumbai gelotst hatte. Miteigentümer des Mumbai City FC ist Bollywood-Star Ranbir Kapoor. Es ist einer von acht Clubs aus Metropolen unterschiedlicher Regionen des fußballerisch unerschlossenen Subkontinents. Bis Dezember wird ein Grunddurchgang mit Hin- und Rückrunde gespielt. Danach geht es für die besten vier Teams mit einem Play-off im K.-o.-Modus weiter.
Del Piero in Delhi, Materazzi in Chennai
Vor Anelka hatten bereits zahlreiche Ex-Weltklassespieler den Weg in die ISL gefunden. Einer davon ist der italienische Weltmeister von 2006, die Juventus-Ikone Alessandro del Piero. Der im November 40-Jährige spielte in den letzten zwei Saisonen für den nunmehrigen Arbeitgeber von Marc Janko, den Sydney FC. Seine Mission bei Dynamos Delhi ist dieselbe wie in Down under: dem Fußball in neuen geografischen Gefilden zum Durchbruch verhelfen. „Das Spielfeld ist nicht das Einzige, das mich interessiert“, so Del Piero über seine in Indien fortdauernde Rolle als „Entwicklungshelfer“ und Aushängeschild.

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In Sydney war Del Piero das perfekte Zugpferd
Ein Jahr älter als Del Piero ist sein Landsmann Marco Materazzi, Inter-Mailand-Legende und berühmt-berüchtigt als Zinedine Zidanes Gegenspieler im „Headbutt-Skandal“ des WM-Finales 2006 Italien - Frankreich. Der 41-Jährige agiert in der ISL-Premierensaison als Spielertrainer der Chennai Titans, die auch am brasilianischen Ex-Weltstar Ronaldinho dran waren. Der langjährige Mittelfeldzauberer ging nach Mexiko, doch Materazzi gab dem äußerst lukrativen Werben von Bollywood-Schauspieler Abhishek Bachchan gern nach.
Trezeguet stürmt für Pune, Zico trainiert Pires in Goa
Aus Frankreichs goldener Generation hatte Anelka in Welt- und Europameister David Trezeguet einen mehr als namhaften Wegbereiter in Indien. Pune City hatte sich schon Ende Juli die Dienste des 36-Jährigen gesichert. Wie Anelka, der von 2012 bis 2014 in China spielte, verfügt auch Trezeguet schon über Erfahrungen außerhalb Europas. Vor seinem Engagement in Pune verdiente sich der Stürmer in Argentinien sein finanzielles Ausgedinge. Treffen wird Trezeguet in der ISL unter anderen auf Landsmann Robert Pires. Der 40-Jährige spielt für den FC Goa, der vom früheren brasilianischen Weltstar Zico trainiert wird.

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In Argentinien stürmte David Trezeguet für die Newell’s Old Boys
Zwei Leistungsträger aus dem glorreichen spanischen Team von 2008 (Europameister), 2010 (Weltmeister), Luis Garcia (Atletico de Kolkata) und Joan Capdevila (NorthEast United), nehmen die ISL-Saison in knapp vier Wochen ebenfalls in Angriff. Der ehemalige Torhüter des englischen Nationalteams, David James, heuerte im Spätherbst seiner Karriere wiederum bei den Kerala Blasters an. In Relation zu den Gagen der Stars macht sich das Startgeld für die neue Liga geradezu lächerlich aus: 250.000 Euro zahlte jeder Club für einen Platz in der neuen Achterliga, die personell ein interessantes Konzept verfolgt.
Jedem Club seine Altstars und Zukunftshoffnungen
Laut ISL-Regulativ muss jedes Team zumindest einen „Promi“ verpflichten, der sein Land mindestens einmal bei einer großen kontinentalen Endrunde oder einer WM vertreten hat. Nach US-Draft-Vorbild kann sich zudem jeder Club zwölf indische Fußballprofis auswählen, von denen zumindest vier aus der jeweiligen Region kommen müssen. Ebenfalls in einem draftähnlichen Auswahlverfahren werden sieben weitere ausländische Spieler zugeteilt. Zwei von 22 Kaderplätzen bleiben dann noch für - wenn möglich - namhafte Legionäre, die ohne Beschränkungen geholt werden können.
Frederick Ljungberg, ehemaliger Arsenal-Topmann und schwedischer Nationalspieler, der Anelka bei Mumbai voranging, fällt etwa in diese Kategorie. Beteiligt an diesen bemerkenswerten Deals sind auch europäische Clubs, die sich am indischen Merchandising- und Spielermarkt ein Standbein schaffen wollen. So kooperieren der AC Fiorentina mit Pune City, Inter Mailand mit Chennai und Atletico Madrid mit Atletico de Kolkata. Für Indien selbst steht das große Ziel fest: 2026 will man mit der Nationalmannschaft, aktuell die Nummer 150 der FIFA-Weltrangliste, erstmals an einer WM-Endrunde teilnehmen.
Harald Hofstetter, ORF.at
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