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Fußballfest und kein Platz für Gewalt

England mag das Mutterland des Fußballs sein, zu Hause ist er aber auf der ganzen Welt - und ganz besonders in Brasilien. Die Copa 2014 bewies in viereinhalb Wochen eindrucksvoll, dass die Kombination aus Fußball-WM und Brasilien unschlagbar ist, auch wenn die „Selecao“ ihre rund 200 Millionen Fans bitter enttäuschte. Was Qualität, Tempo und Attraktivität des Turniers betraf, war es ein wahres Fußballfest, das nicht den kleinsten Platz für Gewalt ließ.

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„Eine Inspiration auf dem Fußballfeld“, meinte FIFA-Boss Joseph Blatter über das Niveau der 64 größtenteils spektakulären WM-Partien. Damit traf der umstrittene Schweizer Spitzenfunktionär ausnahmsweise genau ins Schwarze. ORF.at führt in der sportlichen Gesamtbilanz einer denkwürdigen WM zwar auch einige negative Punkte an, alles in allem erfand sich der Fußball im Land des „Jogo Bonito“, des schönen Spiels, aber selbst neu. „Die Intensität war noch nie so hoch“, brachte es der oberste FIFA-Spielbeobachter Gerard Houllier auf den Punkt.

Arjen Robben (Niederlande)

APA/AP/Manu Fernandez

Arjen Robben verkörperte die Geschwindigkeit dieser WM-Endrunde

Leidenschaft und Begeisterung der Gastgeber

Im Gegensatz zur brasilianischen Mannschaft zeigten sich ihre Anhänger in Bestform. Nicht nur bei den Spielen von Neymar und Co. begeisterten die brasilianischen Zuschauer in den Stadien sich selbst und die Spieler. Auch bei allen anderen Aufeinandertreffen in sämtlichen zwölf WM-Arenen sorgten die „neutralen“ Gastgeber auf den Rängen dafür, dass die Euphorie der angereisten Fans noch wesentlich verstärkt wurde. Dass Ausschreitungen und Fangewalt zumindest bei WM-Spielen in Brasilien ein absolutes No-Go sind, rundete die grandiose Fußballatmosphäre ab.

Brasilien-Fans

APA/EPA/Diego Azubel

Brasiliens Fans durften zunächst jubeln, mussten zum Schluss aber auch leiden

Fanansturm, schöne Stadien, fantastische Stimmung

Ob nun auf dem einen oder anderen Stadion ein Dachziegel fehlte oder eine Zugangsrampe nicht rechtzeitig fertig wurde, fiel bei dieser WM ungefähr so ins Gewicht wie das Umfallen des sprichwörtlichen Fahrrads in China. 54.592 begeisterte Zuschauer kamen im Schnitt zu den WM-Partien im Stadion. Das ist der zweithöchste Wert der Geschichte nach der WM 1994 in den USA (68.991). Damals wurden aber nur 52 Spiele ausgetragen. 3.429.873 Zuschauer kamen insgesamt zu den 64 Spielen und sorgten für einzigartige Stimmung.

Kaum Proteste oder Ausschreitungen

Obwohl es die FIFA mit den berichtenden Leitmedien bei den letzten Endrunden gut verstand, diverse Fanzusammenstöße und Gewalttätigkeiten am Rande der Spiele unter den Teppich zu kehren, muss nach Brasilien 2014 festgehalten werden: Fußball und Gewalt gehören nicht mehr zusammen. Außer ein paar betrunkenen Engländern, die angeblich einen Taxifahrer ausraubten, einigen übermotivierten Argentiniern und verzweifelten Pressezentrumsstürmern aus Chile verhielten sich Millionen Fans aus aller Welt vorbildlich. Die enorme Polizeipräsenz in Brasilien wirkte sicher abschreckend, schadete der positiven Atmosphäre aber nicht. Was die politischen Proteste betraf, verliefen sie während der WM gemäßigt.

Tore, Tempo und Dramatik

Sensationelle 2,83 Treffer pro Spiel machten die Gruppenphase zur spektakulärsten der WM-Geschichte - weil nämlich auch Tempo und Dramatik der Partien atemberaubend waren. Trotz Mittagshitze, hoher Luftfeuchtigkeit oder Wasserschlachten gingen fast alle Teams über 90 Minuten und mehr volles Tempo. Unzählige Duelle wurden erst in der Schlussphase entschieden, nachdem sich die Spiele oft mehrmals gedreht hatten. Der Gesamttorschnitt ging nach der taktisch geprägten, aber nicht minder spannenden K.-o.-Phase zwar auf 2,67 zurück, lag aber immer noch klar über dem in Südafrika 2010 (2,27).

Deutsche Spieler jubeln

APA/AP/Francois Xavier Marit

Insgesamt 18-mal durfte Weltmeister Deutschland in Brasilien ein Tor feiern

Goalies in bestechender Form

Angeführt vom überragenden Manuel Neuer im Tor der deutschen Weltmeistermannschaft wurde das WM-Turnier trotz der vielen Treffer auch von starken Torhüterleistungen geprägt. Francisco Guillermo Ochoa etwa führte die Mexikaner mit unglaublichen Paraden bis ins Achtelfinale, wo man den Niederlanden im Finish äußerst unglücklich unterlag. Keylor Navas wiederum war hauptverantwortlich dafür, dass der Weg von Außenseiter Costa Rica sogar bis ins Viertelfinale führte. In der „Todesgruppe“ mit Italien, England und Uruguay war der Keeper mit seinen Kollegen die Sensation der Vorrunde. Im Elferkrimi im Achtelfinale gegen Griechenland wurde Navas zum Nationalhelden.

Amerikaner zu Hause eine Macht

Ob es die Zehntausenden Fans waren, das gewohnte Klima oder weder das eine, noch das andere war, was den Heimvorteil der amerikanischen Teams ausmachte, bleibt umstritten. Fest steht, dass Südamerika fünf seiner sechs WM-Teams ins Achtelfinale brachte. Der häufig belächelte CONCACAF-Verband Mittel- und Nordamerikas schaffte das mit den USA, Mexiko und Costa Rica mit drei von vier Mannschaften. Wenngleich der Pokal erstmals in Südamerika von einem europäischen Team gewonnen wurde, stellten die Amerikaner im Viertelfinale noch die Hälfte der Teilnehmer. Europa war in der K.-o.-Phase nur mit sechs Teams vertreten.

Costa-Rica-Spieler jubeln

APA/EPA/Srdjan Suki

Costa Rica bejubelte gegen Griechenland den Einzug ins Viertelfinale

Freistoßspray und Torlinientechnik

Was wurde im Vorfeld der WM darüber geschrieben und diskutiert: Im Endeffekt war der erstmals bei einer Endrunde eingesetzte Schaum zur optischen Festlegung der Freistoßgrenzen einer der großen Sieger des Turniers. Das schiedsrichterliche Sprayen nach dem Abmessen der Distanz zwischen dem Schützen und der Mauer beschleunigte den Ablauf wesentlich. Endlose, dem Zuschauer lästige Diskussionen zwischen den Beteiligten entfielen. Auch die Premiere der GoalControl, der ebenfalls heftig diskutierten Torlinientechnologie, war ein Erfolg. Im Spiel zwischen Frankreich und Honduras gab es den einzigen Fall, der Schiedsrichter entschied mit Hilfe der Technik richtigerweise auf Tor.

Harald Hofstetter, ORF.at

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