In den Zwischenräumen zum Erfolg
Beim jüngsten EM-Qualifikationsspiel am 15. November 2014 war Julian Baumgartlinger noch der tragische Held. Beim Aufwärmen vor der Partie gegen Russland wollte eine Sehne im Knie des 27-Jährigen nicht mehr. Den wichtigen 1:0-Sieg sah Baumgartlinger als Zuschauer. Am Freitag in Vaduz gegen Liechtenstein (20.45 Uhr, live in ORF eins) soll der Mainz-Legionär wieder eine entscheidende Rolle spielen.
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Sechs Spiele, sechs Siege, Torverhältnis 22:1 - so lautet die makellose Bilanz des ÖFB-Teams gegen den westlichen Nachbarn. Doch das letzte Duell ist schon neun Jahre her, ein mageres 2:1 muss auch nicht zwangsläufig als Ruhmesblatt bezeichnet werden. Mittlerweile gehört Liechtenstein unter den „Zwergen“ zu den Großen. Ein 0:0 daheim gegen Montenegro und ein 1:0-Sieg in Chisinau gegen die Republik Moldau, wo auch Österreich nur mit Mühe den Sieg davon trug, sprechen eine klare Sprache. „Wir müssen sehr aufmerksam sein“, so Baumgartlinger.
Vorstoß in die Zwischenräume
Stichwort Chisinau: Eine ähnliche Situation erwartet sich der Mainz-Legionär auch in Vaduz. Vielleicht zwar deutlich bessere Platzverhältnisse, dafür aber wieder einen sehr defensiv eingestellten Gegner. Und da sieht sich Baumgartlinger gefordert. „Ich werde versuchen, zwischen die Linien zu rücken, etwas Bewegung reinzubringen und Läufe zu machen, die ich normalerweise nicht mache, weil ich sonst meine Position verlassen müsste“, so der defensive Mittelfeldspieler, der in Chisinau bereits offensiver agiert hatte.

GEPA/Christian Ort
Schon in Chisinau musste das ÖFB-Team eine dichte Abwehr überwinden
Baumgartlinger erwartet, dass Liechtenstein vor dem eigenen Sechzehner eine Verteidigungslinie aus zwei Viererketten aufbauen wird. Um den Riegel zu knacken, müsse man durch die Mitte, so der Mainz-Spieler. „Man muss in die Zwischenräume kommen“, so Baumgartlinger, „wenn du nur außen herumspielst, werden sie immer verschieben.“ Heißt aber nicht, dass man auf Flankenläufe verzichtet. Denn immerhin lauert mit Marc Janko ein großer Stürmer in der Mitte, dem man derzeit beruhigt den Stempel Topform aufdrücken darf.
„Wichtig wird die Balance zwischen aggressiv nach vorne gehen und absichern sein“, so Baumgartlinger. Der wichtigste Schlüssel zum Erfolg gegen die topmotivierten Kicker aus dem Fürstentum: „Wir müssen sie beschäftigen.“ Baumgartlinger appelliert auch an die Geduld der Fans, denn schließlich spielt das Nationalteam nach fünf Monaten erstmals wieder zusammen. „Wir müssen schnell wieder den Rhythmus und den Flow herstellen“, so der 27-Jährige.
Konkurrenzkampf belebt
Auch wenn es wohl keinen Zweifel an der Aufstellung im defensiven Mittelfeld gibt, sieht sich Baumgartlinger dort nicht auf Dauer gesetzt. Denn die Partie gegen Russland zeigte: Auch ohne einen Baumgartlinger oder einen David Alaba - der war damals ebenfalls verletzt - kann das Nationalteam mittlerweile Schlüsselspiele gewinnen. Damals sprangen Christoph Leitgeb - der ist allerdings diesmal angeschlagen - und Stefan Ilsanker ein. „Wir haben jetzt einfach Qualität und Reife im Kader“, so Baumgartlinger.
Ein möglicher Ersatzmann mit Qualität wäre Veli Kavlak. Der 26-Jährige, im türkischen Titelkampf mit Besiktas Istanbul derzeit im Dauerstress, im Nationalteam allerdings meist Edelreservist, sieht es aber wie Baumgartlinger. Wer spielt, ist mittlerweile egal. „Ich merke, dass jeder hungrig ist“, so Kavlak, „wir sind alle heiß und wollen uns die Chance nicht entgehen lassen.“
Für Baumgartlinger ist der interne Konkurrenzkampf auch ein Grund für die jüngsten Erfolge des Teams: „Vielleicht kitzelt das noch das eine Prozent aus dir heraus.“ Zur EM 2016 wollen alle Spieler zu hundert Prozent. Und um mit von der Partie zu sein, sind drei Punkte in Liechtenstein Pflicht. „Spiele gegen die vermeintlich Kleinen werden entscheidend sein“, sagte Kavlak. Bezogen hat der Wiener diese Aussage zwar auf die Situation im türkischen Titelkampf. Für die EM-Qualifikation gilt diese Weisheit aber genauso.
Karl Huber, ORF.at
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