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Ruf nach neuem Stadion wird lauter

ÖFB-Präsident Leo Windtner lässt derzeit nicht locker: Er wittert die Chance, den Aufwärtstrend des rot-weiß-roten Fußballnationalteams zu nutzen, um sich endlich den Wunsch nach einem modernen Fußballstadion in Wien zu erfüllen. Einer Arena, die für mehr als die bisher zugelassenen 48.500 Zuschauer geeignet ist und jeglichen Komfort bietet.

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In einem ORF-Interview wiederholte der Verbandschef seine Forderungen nach einer dringend notwendigen Erneuerung des Ernst-Happel-Stadions und propagierte neuerlich die Idee eines „Nationalstadions“. Der ÖFB stützt sich bei seinen Zukunftsplänen auch auf die Tatsache, dass die Elf von Marcel Koller rund um Topstar David Alaba auf einer ungewohnt hohen Popularitätswelle surft.

70.000 gegen Liechtenstein?

Für das letzte Spiel in der EM-Qualifikation, das an einem Montag um 18.00 Uhr stattfand, hätten laut ÖFB-Angaben bis zu 70.000 Karten verkauft werden können. Nicht nur damit entgeht dem heimischen Fußballverband Geld. Auch für Endspiele von Champions League, Europa League oder Europameisterschaften ist das Prater-Stadion nicht mehr geeignet.

ÖFB will neues Fußballstadion

Geht es nach dem Wunsch des Fußballbundes, könnte das Ernst-Happel-Stadion bald Geschichte sein.

„Wir haben aufgrund der gegebenen Infrastruktur keine Chance mehr, uns dafür zu bewerben“, so Windtner im ORF. Die Laufbahn um das Fußballfeld ist ein bei Fußballfans schon lange ungeliebtes Hindernis. Die Zuschauer sitzen weit vom Geschehen weg, die Stimmung leidet darunter, der einschüchternde Effekt auf die Gegner des ÖFB-Teams könnte auch größer sein. Dass ein Umbau aber nicht nur an den finanziellen Möglichkeiten, sondern auch an rechtlichen Bedingungen, etwa am Denkmalschutz, scheitern könnte, ist eine Mär.

„Natürlich gibt es Veränderungsspielräume“

Auch wenn das gesamte Stadion aufgrund seiner bewegten Geschichte und historischen Bedeutung im Jahr 2001 vom Bundesdenkmalamt unter Schutz gestellt wurde, gebe es „natürlich immer Veränderungsspielräume“, unterstrich der Leiter des Landeskonservatorats für Wien, Friedrich Dahm, im Gespräch mit ORF.at. Die Nutzung eines Sportstadions sei immer eine große Herausforderung, schon in der Vergangenheit habe die nutzungsbedingte Anpassung an neue Sicherheitsauflagen „gravierende Umbauten“ erfordert.

Aktuell gebe es allerdings lediglich eine Absichtserklärung, konkrete Pläne lägen noch nicht auf dem Tisch, deshalb könne Dahm noch nichts Konkretes sagen. abgesehen von einem Abbruch des Stadions sei aber einiges möglich. Erst wenn der Eigentümer des Stadions, die Stadt Wien, Kontakt aufnimmt, werde man sich anschauen, inwieweit sich die geplanten Veränderungen „implementieren und umsetzen“ lassen. So bereiteten auch in der Vergangenheit, etwa vor der Euro 2008, diverse und notwendige Umbauten keine großen Probleme.

Weiter Weg zu moderner Arena

Die Kriterien für ein Endspiel der Champions League oder Europa League kann das Prater-Oval nicht einmal annähernd erfüllen, und daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Die offensive Bereitschaft der öffentlichen Hand für einen Neubau oder eine umfassende Renovierung besteht derzeit nicht. Das Sportministerium unter Gerald Klug (SPÖ) wartet auf konkrete Vorschläge und Pläne des ÖFB, die Stadt Wien tendiert zu einer Renovierung der traditionsreichen Sportstätte.

Budapest als Vorbild

Für die Pläne Windtners, in Wien eine neue Fußballarena zu errichten, steht das 320-Millionen-Euro-Projekt in Budapest Pate. Dort gibt es zwar Kritik, ob diese Millioneninvestition gerechtfertigt ist, erlebte der ungarische Fußball doch zuletzt nicht etwa denselben Höhenflug wie das heimische Nationalteam. Das Stadion soll aber ab Anfang 2016 gebaut werden. Die Zeit drängt, denn bei der paneuropäischen Euro 2020 sind auch Spiele in Budapest vorgesehen.

Rendering des geplanten neuen Ferenc-Stadions in Budapest

Nemzeti Sportközpontok

Das neue Budapester Stadion ist eine Fußballarena moderner Prägung ...

Das neue ungarische Nationalstadion soll auf dem Platz des alten Ferenc-Puskas-Stadions, das bis 2001 auch als Nepstadion bekannt war, errichtet werden und verwendet auch Teile der alten Konstruktion, in denen unter anderem ein Fußballmuseum installiert wird. Die moderne Arena soll zwar wie das alte Stadion rund 68.000 Zuschauern Platz bieten, lässt diese aber wesentlich näher am Geschehen sprich Spielfeld sein und nimmt trotzdem weniger Platz ein als die bisherige Anlage - hier ein YouTube-Video zum geplanten Neubau des Ferenc-Puskas-Stadion.

Rendering des geplanten neuen Ferenc-Stadions in Budapest

Nemzeti Sportközpontok

... und trumpft mit einer Laufbahn unter dem Stadiondach auf

Daher bleiben natürlich mehr Räume für andere Einrichtungen. So sind in Budapest allein 15 Hallen für 21 verschiedene Sportarten innerhalb des Stadions geplant und ein Hotel mit 150 Zimmern. Besonders spektakulär erscheint eine geplante 800-Meter-Laufbahn, die oberhalb der Zuschauertribüne rund um das Stadion führt und einen Panoramablick über Budapest bietet. Dafür soll das Stadion komplett mit einer Parkgarage unterkellert sein.

Als in Wien Europas modernste Arena stand

Die Weichen für das heutige Ernst-Happel-Stadion wurden 1928 gestellt, als die Stadt Wien zur zehnten Jahresfeier der Republik nach Plänen des Architekten Otto Ernst Schweizer den Bau einer monumentalen Sportanlage beschloss. Nach dem Baubeginn ein Jahr später wurde die Arena schließlich nach 23-monatiger Bauzeit am 11. Juli 1931 anlässlich der II. Arbeiterolympiade eröffnet und galt damals als das modernste Stadion Europas.

Luftaufnahme des Praterstadions 1933

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Luftaufnahme des Prater-Stadions aus dem Jahr 1933

Anfänglich fanden in dem Komplex, der nicht nur Fußballern, sondern auch Radfahrern und Leichtathleten eine würdige Bühne bot, bis zu 65.000 Personen Platz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Prater-Arena um einen dritten Rang aufgestockt und fasste nun über 90.000 Zuschauer. So sorgten 90.726 Zuschauer – hier variieren die Quellen - entweder beim 3:0-Sieg der ÖFB-Elf über Spanien im Oktober 1960 oder erst ein halbes Jahr später beim 3:1-Erfolg über die UdSSR für einen bis heute gültigen Zuschauerrekord.

Legendärer Sieg bei Wiedereröffnung

Dass diese Bestmarke trotz zahlreicher weiterer Sternstunden in der Folge nicht mehr gebrochen werden konnte, ist auch der Tatsache geschuldet, dass die vorhandenen Stehplätze bis 1965 zugunsten von Sitzplätzen geopfert wurden, das Fassungsvermögen sank auf 72.200. Zwischen 1984 und 1986 wurde das Stadion schließlich überdacht. Zur Wiedereröffnung wurde ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland ausgetragen, welches Österreich sensationell mit 4:1 gewann - der bis heute letzte Erfolg über die DFB-Elf.

Einbau der Dachkonstruktion im Praterstadion 1986

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1986 bekam das Prater-Stadion ein Dach aufgesetzt

Bis zur Euro 2008 tat sich dann kaum noch etwas. Erst bei der Heim-EM wurde das mittlerweile in die Jahre gekommene Stadion, das seit 1992 den Namen der ÖFB-Legende Ernst Happel trägt und international zuletzt 1995 mit dem CL-Finale zwischen Ajax Amsterdam und Milan (1:0) international im Rampenlicht stand, wieder europareif gemacht. Knapp 40 Millionen Euro wurden in die Restaurierung des Prater-Ovals gesteckt, die Kapazität mit Sitzreihen unterhalb des ersten Ranges auf 53.008 Plätze erhöht. Diese mussten nach der EM allerdings wieder entfernt werden, weil der Leichtathletikverband auf die Nutzung der Laufbahn bestand.

Wolfgang Rieder, Martin Wagner, ORF.at

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