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Umbau sinnvoll und notwendig

Mit der erstmaligen sportlichen Qualifikation des ÖFB-Teams für eine Europameisterschaft und dem daraus resultierenden historischen Allzeithoch auf Platz zehn in der FIFA-Weltrangliste hat nicht nur die Begeisterung in Fußball-Österreich stark zugelegt. Auch die Rufe nach einem „Nationalstadion“, wie es zuletzt ÖFB-Präsident Leo Windtner in den Raum stellte, werden immer lauter. In dieselbe Kerbe schlägt auch Albert Wimmer.

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Österreichs führender, auch international renommierter Stadionarchitekt, der schon für die EM-Arenen in Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt sowie in Lwiw (Lemberg/Ukraine) verantwortlich zeichnete, skizziert im Gespräch mit ORF.at detailliert, wie ein Umbau des ehrwürdigen, aber bereits in die Jahre gekommenen Happel-Stadions unter Berücksichtigung zeitgemäßer Standards aussehen könnte.

Rufe nach Umbau werden immer lauter

In einer Umfrage von ORF.at sprach sich zuletzt eine überwältigende Mehrheit von knapp 80 Prozent für eine neue Arena aus, davon plädierte rund die Hälfte für einen umfassenden Umbau des Ernst-Happel-Stadions im Wiener Prater. Für Wimmer, der sich in seinen rund 40 Jahren als Architekt neben Fußballstadien in aller Welt auch mit Großprojekten wie dem Wiener Hauptbahnhof, zahlreichen Wohnbauten in Wien und auch Krankenhäusern als führender Experte für urbane Lebensräume einen Namen gemacht hat, ist ein Umbau die mit Abstand sinnvollste und auch notwendige Alternative.

Architekt Albert Wimmer zeigt auf einen Plan

ORF.at/Dominique Hammer

Wimmer ortet rund um das Ernst-Happel-Stadion im Prater „viel Potenzial“

„Das Ernst-Happel-Stadion ist ein Bau, bei dem von Anfang an das Konzept der Veränderung und Weiterentwicklung berücksichtigt wurde“, erklärt Wimmer das Konzept des von Otto Ernst Schweizer in den Jahren 1929 bis 1931 errichteten und Ende der 1950er Jahre sowie in den 1980er Jahren erweiterten Stadions. Der Standort im Herzen Wiens sei nicht nur aufgrund der seit 2008 gegebenen direkten Anbindung an die U-Bahn nahezu ideal, auch das direkte Umfeld und das Platzangebot im ansonsten dicht verbauten Stadtgebiet ließe sich in das „Gesamtkunstwerk“ Stadionerlebnis einfügen.

„Das ist nicht zu diskutieren, das ist zu tun“

„Das ist eine Traumlandschaft, der ganze Bereich ist ein besonderer Ort. Dort liegt wahnsinnig viel Potenzial. Man findet dort perfekte Trainingsbedingungen und eine perfekte Verkehrsanbindung vor. Wir haben dort alle infrastrukturellen Voraussetzungen. Das Einzige, das nicht perfekt ist, ist das Haus“, betont Wimmer. Vorrangigsten Handlungsbedarf sieht er bei der zu großen Entfernung der Zuschauer vom Spielgeschehen. Seine Idee: Das Spielfeld wird abgesenkt und der obere Rang nach vorne gerückt, die Sitzreihen werden dadurch steiler arrangiert.

Architekt Albert Wimmer bei einem Modell des möglichen Umbaus

ORF.at/Dominique Hammer

Bereits vor zehn Jahren arbeitete Wimmer an einem möglichen Umbau

„Das ist nicht zu diskutieren, das ist zu tun. Ich hätte erwartet, dass man das schon zur EM 2008 macht.“ Dem Architekten ist es wichtig, dem Stadionbesuch mehr Erlebnischarakter zu verleihen. „Das ist ein Kessel der Emotionen. Die erste Überlegung muss daher sein: Ich möchte nahe am Geschehen sitzen.“ Zu der bereits seit Jahren kritisierten Laufbahn äußert sich der Architekt nur kurz, aber deutlich: „Haben Sie dort schon einmal Usain Bolt laufen sehen? Wir haben genug Flächen in der Umgebung, um dort diese Anlagen zu situieren.“

„Eine Erfolgswelle darf man nicht stoppen“

Der Denkmalschutz, unter dem Teile des Ernst-Happel-Stadions stehen, sowie die Umweltverträglichkeit und das Thema Grundwasser stellen laut Wimmer keine Probleme dar. Ganz im Gegensatz zu der in die Jahre gekommenen Ausstattung der Arena, die längst nicht mehr zeitgemäß ist: „Die Aufenthaltsqualität muss gesteigert werden - für alle Schichten der Bevölkerung, nicht nur die Hardcore-Fans“, fordert der Architekt. „Die Leute bleiben länger und wollen mehr Komfort. Es gilt, ein neues Zentrum in der Stadt mit allen Annehmlichkeiten zu schaffen. Dann schaut auch die Rentabilität anders aus.“

Auch aus sportlicher Sicht sieht Wimmer den richtigen Zeitpunkt für eine neue Arena gekommen. „Eine Erfolgswelle darf man nicht stoppen. Jeder von uns weiß: Wenn man in eine neue Wohnung einzieht, die toll hergerichtet ist, dann ist man einfach besser drauf. So einfach ist das“, erklärt Wimmer. „So etwas kann das Team beflügeln. Dieser Effekt ist lokal und national spürbar, das wäre ein Erfolg auf mehreren Ebenen.“

Neues Stadion als Aufwertung für die ganze Stadt

Wimmer hat in einem möglichen Projekt „Nationalstadion“ aber nicht nur die Arena selbst im Blickpunkt, sondern vor allem einen Mehrwert für die ganze Stadt. „Ich denke, es geht auch um eine Aufwertung Wiens“, unterstreicht der Architekt. Er wünscht sich für die österreichische Hauptstadt ein Stadion, das als Touristenattraktion ebenso seinen fixen Platz in jeder Sightseeing-Tour bekommt wie etwa das Camp Nou in Barcelona und das Santiago-Bernabeu-Stadion in Madrid.

„Wien wird größer und muss mehr anbieten, insbesondere auch im Bildungs- und Freizeitbereich. Und da gehört der ganze Standort dazu“, erklärt Wimmer. „Was ein solches Zentrum an Effekt auf die Umgebung hat, sehen wir beim Hauptbahnhof: Ein ganzes Quartier entsteht neu. Das sind die wirklichen Initiatoren für ein neues Wien.“

Linda Ellerich, ORF.at

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