Stadionarchitekt Wimmer im Interview
Albert Wimmer sprach im Interview mit ORF.at nicht nur über seine Vorstellung einer zeitgemäßen Fußballarena. Der Architekt, der sich seit Jahren mit Stadionarchitektur befasst, unterstrich vor allem den Nutzen, den die Stadt Wien aus einem neuen „Zentrum“ im Prater ziehen würde, und mögliche Auswirkungen auf die Leistungen der ÖFB-Nationalmannschaft.
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ORF.at: Würden Sie einen Umbau des Ernst-Happel-Stadions befürworten?
Wimmer: Sollte es tatsächlich Bemühungen geben, das Stadion umzubauen, kann ich sie nur hundertprozentig unterstützen. Der ganze Bereich dort ist ein besonderer Ort. Dass jetzt eine U-Bahn-Linie direkt vor die Tür fährt und das Stadion dadurch bestens erreichbar ist, ist großartig. Ich war aber immer der Meinung, dass das Gebiet etwas untergenutzt ist. Dort liegt wahnsinnig viel Potenzial. Es gibt perfekte Trainingsanlagen, es ist grün - das Einzige, das dort nicht perfekt ist, ist das Haus.
ORF.at: Wie müsste ein Umbau für Sie aussehen, um aus dem Stadion eine modernen, zeitgemäßen Fußballarena zu machen?
Wimmer: Die erste Überlegung muss sein: Ich möchte nahe am Geschehen sitzen. Daher gehört die Laufbahn weg. Das ist nicht zu diskutieren, das ist zu tun. Ich hätte erwartet, dass man das schon zur EM 2008 macht. Da gibt es eine im Grunde ganz einfache Methode: Man baut unten Sitzreihen dazu, senkt das Ganze ab, und hat dadurch einen Zusatzgewinn an Sitzplätzen. Natürlich kann man die Laufbahn lassen, so wie das zum Beispiel in Zürich der Fall ist. Aber das ist dann ein Leichtathletikstadion, das ist kein Fußballstadion. Haben Sie schon einmal Usain Bolt im Happel-Stadion laufen gesehen? Es gibt genug Flächen in der Umgebung, um dort Ersatzeinrichtungen zu finden.

ORF.at/Dominique Hammer
Wimmer erklärt seine Vision einer modernen Fußballarena
Was ist das Wesen eines Stadions? Das ist ein Kessel voller Emotionen, das sind Marktplätze der Zukunft. Dort erleben Leute unterschiedlicher Schichten gemeinsam etwas.
Außerdem muss die Aufenthaltsqualität gesteigert werden, und zwar für alle Schichten der Bevölkerung. Der Anspruch ist, dass das Stadion nicht mehr nur für eine kleine Gruppe Fußballinteressierter ein Zuhause ist. Das ist ein gesellschaftlicher Treffpunkt, wo aus vier Stunden acht Stunden werden. Wo auch Events stattfinden, die nicht nur Fußball sind. Wir müssen viel komplexer denken, die urbane Gesellschaft erwartet eine Vernetzung.
Albert Wimmer ist Österreichs führender Stadionarchitekt und zeichnet u. a. für die EM-Stadien in Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Lwiw (Lemberg/Ukraine) sowie für Großprojekte wie den neuen Wiener Hauptbahnhof verantwortlich.
ORF.at: Wie könnte diese Vernetzung aussehen?
Wimmer: Ich denke, es geht nicht nur um ein Nationalstadion, es geht um eine Aufwertung Wiens. Wien wird größer und muss mehr anbieten, insbesondere auch im Kultur- und Freizeitbereich. Dazu gehört der ganze Standort, inklusive eines Zentrums. Was das für positive Auswirkungen hat, sehen wir derzeit am Hauptbahnhof: Ein ganzes Quartier entsteht neu. Das sind die wirklichen Initiatoren für ein „Wien neu“. Wir haben dort ja alle Voraussetzungen infrastruktureller Natur.
ORF.at: Was sollte Ihrer Meinung nach ein solches Zentrum bieten?
Wimmer: Derzeit ist auch ein Verwaltungsbereich in das Stadion integriert, das gehört neu konzipiert. Stattdessen sollten dort Trainingseinrichtungen untergebracht werden, auch ein Hotel, Seminar- und Kongressräume. Auch ein Ärzte- und Therapiezentrum sowie Büros kann ich mir vorstellen. Das wäre eine Adressbildung dort. Wien muss sich als Stadt der Bildung und des Sports positionieren. Dann schaut auch die Rentabilität anders aus.
ORF.at: Ist es überhaupt möglich, das Stadion unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes zu einer modernen Arena umzubauen?
Wimmer: Es hat viele Gründe, warum dieses Haus unter Denkmalschutz steht. Es ist aber auch ein Bau, der immer an Erweiterung und Veränderung gedacht hat. Eine massive Struktur, mit der man etwas anfangen kann. Im Zuge der WM in Deutschland haben wir gesehen, was man mit historischen Bauten alles machen kann, ohne die Grundstruktur zu verändern. Die Studie zu einem Umbau des Ernst-Happel-Stadions, die ich vor zehn Jahren angefertigt habe, ist durchaus im Sinne der Geschichte des Hauses.

ORF.at/Dominique Hammer
Im Gespräch mit ORF.at skizziert Wimmer seine Ideen zum Stadionumbau
ORF.at: Wie schaut es mit der Umweltverträglichkeit und dem Grundwasserschutz aus?
Wimmer: Meine erste Frage ist immer: Was verträgt der Ort? Das ist ein grüner Ort, da muss man sehr sorgsam vorgehen. Natürlich sollen keine Grundwasserflüsse gestört werden, was bei einem so geringen Eingriff auch nicht passieren würde. Durch eine umfassende Modernisierung des Stadions würden sich - ganz im Gegenteil - vollkommen neue Möglichkeiten der ökologischen Nutzung und Umweltverträglichkeit ergeben.
ORF.at: Nach den letzten Erfolgen des ÖFB-Teams ist die Bevölkerung klar für ein neues Stadion. Das hat auch das Voting auf ORF.at gezeigt, in dem sich nur 20 Prozent gegen einen Neu- oder Umbau ausgesprochen haben.
Wimmer: Große Projekte kann man nur in aller Offenheit durchführen. Indem man die Leute mit einbezieht und ihre Bedenken ernst nimmt. Ich traue mich wetten, dass die Bevölkerung bei dem Projekt mitgeht, wenn ich ihr dort ein neues Zentrum biete, das sowohl für Wien als auch international etwas kann.
ORF.at: Hat sich die österreichische Nationalmannschaft ein neues Stadion verdient?
Wimmer: Selbstverständlich! (lacht) Eine Erfolgswelle soll man nicht stoppen. Jeder von uns weiß: Wenn man in eine neue Wohnung einzieht, die toll hergerichtet ist, dann ist man besser drauf. So einfach ist das. Nicht nur die Sportler, auch das Umfeld spürt das. So etwas würde das Team beflügeln. Dieser Effekt ist lokal für Wien, aber auch für das ÖFB-Team und national spürbar. Da hat man Erfolg auf mehreren Ebenen.
Das Gespräch führte Linda Ellerich, ORF.at
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