Unachtsamkeit kostet Portugiesen Sieg
Island hat für die erste Überraschung bei der EM-Endrunde 2016 gesorgt. Der Debütant aus dem hohen Norden knöpfte Favorit Portugal im zweiten Spiel der Österreich-Gruppe F in Saint-Etienne mit einem 1:1-Remis einen Punkt ab und machten Ungarn damit nach dem ersten Spieltag zum überraschenden Tabellenführer.
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Die Portugiesen dominierten vor 38.742 Zuschauern im Stade Geoffroy Guichard von Saint-Etienne über weite Strecken die Partie, konnten den Abwehrriegel des Außenseiters aber nur einmal knacken. Nani gelang in der 31. Minute die verdiente Führung. Doch nur fünf Minuten nach der Pause nutzte Birkir Bjarnason eine Unachtsamkeit der portugiesischen Abwehr zum Ausgleich (50.). Die Isländer bejubelten in ihrem ersten Spiel bei einem Großereignis damit einen historischen Punkt.

APA/AFP/Odd Andersen
Cristiano Ronaldo (l.) und Co. konnten den Außenseiter nicht bezwingen
In der Tabelle der Gruppe F führen die Ungarn, die am Samstag auf die Isländer treffen, mit drei Punkten vor Portugal und den Island. Österreich liegt als einziges Team ohne Zähler auf dem vierten und letzten Platz. Am Samstag treffen die im Vorfeld als Gruppenfavoriten gehandelten Portugiesen und Österreicher im Parc des Princes von Paris (21.00 Uhr live in ORF eins) aufeinander.
Island fast mit Traumstart
Schon hatten sich die Nachfahren der Wikinger auf das Duell mit Superstar Cristiano Ronaldo gefreut. Der Trainer der Iberer, Fernando Santos, erfüllte den Nordmännern bei ihrem historischen ersten Auftritt bei einem Fußballgroßereignis auch den Wunsch. Ronaldo stürmte an vorderster Front. Nicht mit dabei war allerdings Ricardo Quaresma, der im letzten Test gegen die Esten mit einem Doppelpack gegeigt hatte. Der angeschlagene Edeltechniker saß vorerst nur auf der Bank.
Für das erste Highlight im Spiel sorgten allerdings nicht die Portugiesen, sondern der Underdog aus dem Norden. Gylfi Sigurdsson tauchte nach einem feinen Dribbling völlig alleine vor Rui Patricio auf, doch der Schuss des Isländers fiel viel zu zentral und genau auf den Tormann aus. Da waren in Saint-Etienne noch nicht einmal drei Minuten gespielt. Auf der portugiesischen Bank durfte man durchatmen.
Riesenchance für Island (3.)
Gleich nach Anpfiff kommt Sigurdsson zu einer guten Möglichkeit für Island.
Nach dem ersten Schockmoment aus portugiesischer Sicht entwickelte sich die Partie wie erwartet: Die Iberer versuchten den Abwehrriegel der Isländer zu knacken. Der Außenseiter vertraute auf zwei Viererketten vor dem Tor und lauerte auf Konter. Die Portugiesen suchten wenig überraschend immer wieder Ronaldo. Doch auch der gut aufgelegte Superstar fand vorerst kein richtiges Rezept gegen die Isländer. Der Druck der Favoriten von der iberischen Halbinsel wuchs aber ständig.
Nani bricht den Bann
In der 21. Minute hatten die Fans des Favoriten aber doch erstmals den Torschrei auf den Lippen. Nani stieg zum Kopfball hoch, doch Goalie Hannes Halldorsson kratzte den Ball noch von der Linie. Kurz darauf konnte Halldorsson eine brenzlige Situation nach einem weiten Pass auf Ronaldo bereinigen (26.). Fünf Minuten später war der isländische Schlussmann aber machtlos: Eine perfekte Kombination über rechts schloss Quaresmas Ersatzmann Nani nach Stanglpass von Andres Gomes aus kurzer Distanz zur verdienten Führung ein (31.).
1:0 durch Nani (31.)
Nachdem die Portugiesen das Spiel an sich gerissen haben, schließt Nani eine schöne Aktion zur Führung ab.
Portugal wirkte nach dem Tor - es war der insgesamt 600. Treffer in der Geschichte der EM-Endrunden - zwar erleichtert, die Isländer aber nicht im gleichen Maß schockiert. Der Außenseiter spielte weiter trocken seinen Stiefel runter und ließ sich nicht aus der Reserve locken. Die Portugiesen bestimmten zwar das Spiel, mussten es aber oft mit hohen Flanken versuchen. Ein Weitschuss von Joao Moutinho in die Arme von Halldorsson (41.) blieb daher die einzige weitere nennenswerte Chance bis zum Pausenpfiff von Schiedsrichter Cüneyt Cakir.
Island mit kalter Dusche
Die zweite Hälfte begann mit einer eiskalten Dusche - für Portugal. Bjarnason erzielte mit dem ersten Angriff der Isländer in Hälfte zwei den Ausgleich. Der Teamkollege von Marc Janko beim FC Basel hämmert eine Flanke von Johann Gudmundsson ungehindert aus kurzer Distanz in die Maschen (51.). Portugals Verteidiger sahen dabei nicht gut aus. Kein Wunder, dass Trainer Santos der Hut hochging. Bjarnasson darf sich auf ewig erster EM-Torschütze Islands nennen.
Ausgleich durch Bjarnason (50.)
Nach einem schweren Abwehrfehler übernimmt Bjarnason eine Flanke und macht den Ausgleich.
Der überraschende Gegentreffer schmeckte den Portugiesen gar nicht. Angetrieben von Ronaldo drängten die Iberer Island sofort wieder in die Defensive. Die Isländer ließen sich davon aber nicht beeindrucken, blieben konzentriert und stiegen, wenn es notwendig war, schon einmal kräftig ein. Kamen die Portugiesen zum Abschluss, dann war Goalie Halldorsson, wie bei einem Schuss von Andre Gomes (60.) oder bei einem Stanglpass auf Nani (63.), zur Stelle. Im Gegenzug verpasste Jon Dadi Bödvarsson eine Flanke von Bjarnason nur um wenige Zentimeter.
Portugal drängt vergeblich
Portugals Teamchef Santos reagierte auf die fortschreitende Ideenlosigkeit seiner Truppe. Der erst 18-jährige Renato Sanches, ab Sommer Teamkollege von David Alaba bei den Bayern, ersetzte Spielmacher Joao Moutinho. Und fast hätte der Youngster gleich ein Tor bejubeln können, doch ein vom Kopf Nanis abgefälschter Freistoß ging knapp gegen das Tor (71.). Kurz darauf kam auch Quaresma ins Spiel. Für 15 Minuten sollte die Fitness des Besiktas-Profi offenbar reichen.
Quaresma hatte auch gleich das 2:1 auf dem Fuß. Island durfte sich einmal mehr bei Halldorsson bedanken, der einen abgefälschten Schuss des 32-Jährigen gerade noch um die Stange drehen konnte (78.). Die Isländer blieben aber weiter cool wie ein Eisberg. Fünf Minuten vor Schluss hatten beide Teams die Chance zur Entscheidung: Zuerst scheiterte Ronaldo mit einem wuchtigen Kopfball an Halldorsson, im Gegenzug fand Alfred Finnbogason in Rui Patricio seinen Meister. Und dann haute Ronaldo in der Nachspielzeit auch noch einen Freistoß in die isländische Mauer, und die Überraschung war perfekt.
Karl Huber, ORF.at
EM, Gruppe F, erste Runde
Dienstag:
Portugal - Island 1:1 (1:0)
St. Etienne, Stade Geoffroy Guichard, 38.742, SR Cakir (TUR)
Torfolge:
1:0 Nani (31.)
1:1 B. Bjarnason (50.)
Portugal: Patricio - Vieirinha, Pepe, R. Carvalho, Guerreiro - Danilo - Gomes (84./Eder), Moutinho (71./R. Sanches), Mario (76./Quaresma) - C. Ronaldo, Nani
Island: Halldorsson - Saevarsson, R. Sigurdsson, Arnason, Skulason - Gudmundsson (90./E. Bjarnason), Gunnarsson, G. Sigurdsson, B. Bjarnason - Bödvarsson, Sigthorsson (81./Finnbogason)
Gelbe Karten: Keine bzw. B. Bjarnason, Finnbogason
Die Besten: Nani, Ronaldo, Moutinho bzw. Bjarnason, Gunnarsson, Halldorsson
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