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EM-Debütant schlägt eiskalt zu

Die Slowakei hat am Mittwoch bei der EM in Frankreich den ersten Sieg gefeiert. Der EM-Debütant setzte sich dank einer starken Defensivleistung am zweiten Spieltag der Gruppe B gegen ideenlose Russen mit 2:1 (2:0) durch. Zu den Matchwinnern avancierten Vladimir Weiss und Marek Hamsik, die mit je einem Tor und einem Assist glänzten. Der Anschlusstreffer der Russen durch Oleg Schatow kam zu spät.

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Weiss brachte den Außenseiter vor 38.990 Zuschauern im Stade Pierre-Mauroy von Lille nach einem Traumpass von Hamsik und einer schönen Einzelaktion in der 32. Minute in Führung. Kurz vor der Pause düpierte dann der Assistgeber die russische Defensive und zirkelte den Ball nach einem kurz abspielten Eckball ins lange Eck zum 2:0 in die Maschen. Nach dem Anschlusstreffer von Schatow, der in der 80. Minute per Kopf auf 1:2 verkürzte, mussten die Slowaken noch einmal zittern, brachten den Sieg mit vereinten Kräften und Glück aber ins Trockene.

Hamsik trifft ins Kreuzeck

Nach einem Eckball wird der Ball kurz auf Hamsik abgespielt, und er versenkt ihn ins Kreuzeck zum 2:0 für die Slowakei.

Nach dem zweiten Spieltag steht Russland mit erst einem erreichten Punkt damit bereits mit dem Rücken zur Wand. Ein Sieg im letzten Gruppenspiel am Montag gegen Wales ist Pflicht, um doch noch ins Achtelfinale einzuziehen. Die Slowakei darf indes gleich bei ihrem EM-Debüt von der K.-o.-Runde träumen, muss gegen England zum Abschluss der Gruppenphase aber eine ähnlich kompakte Defensivleistung abrufen.

Lille im Ausnahmezustand

Überschattet wurde die Partie im Vorfeld von der Angst vor neuen Ausschreitungen russischer Hooligans. Vor allem die „Sbornaja“ fürchtete fast die eigenen Fans mehr als die slowakischen Spieler. Bei erneuten Krawallen innerhalb des Stadions drohte der Auswahl von Teamchef Leonid Sluzki nämlich vom Europäischen Fußballverband (UEFA) der Ausschluss aus dem Turnier. Diesmal blieb es sowohl im Stadion als auch in der Stadt weitgehend friedlich, die Fans beider Lager begegneten einander entspannt. Auch im Stadion blieb es ruhig.

Russische Fans

Reuters/Benoit Tessier

Die russischen Fans wussten sich nach der UEFA-Warnung zu benehmen

Begleitet wurde das zweite Gruppenspiel allerdings von deutlich sicht- und spürbaren Sicherheitsvorkehrungen. Über dem Stadion kreisten immer wieder Hubschrauber, schwer ausgerüstete Polizisten patrouillierten sowohl am Stade Pierre-Mauroy als auch im Stadtzentrum von Lille. Dort zeigten auch Polizisten aus der Slowakei und Großbritannien Präsenz. Ein Donnerwetter braute sich unterdessen am Himmel zusammen, für den Nachmittag wurden schwere Gewitter vorhergesagt. Das Spiel fand deshalb unter geschlossenem Stadiondach statt.

Neustädter erneut in der Startelf

Zumindest die sportlichen Bedingungen durfte man also trotz brisanter Vorzeichen als ideal bezeichnen, der Fußball sollte im Mittelpunkt stehen. Trotz der enttäuschenden Vorstellung beim 1:1 zum Auftakt gegen England veränderte Russlands Teamchef Sluzki seine Startelf nicht. Auch Schalkes Roman Neustädter lief wie schon gegen die „Three Lions“ wieder von Beginn an im defensiven Mittelfeld auf.

Die Slowakei, die nach der 1:2-Niederlage im Duell der EM-Neulinge gegen Wales schon gehörig unter Druck stand, begann indes auf drei Positionen verändert. Unter anderem musste der Ex-Salzburger und Noch-Kölner Dusan Svento diesmal neben Rapid-Goalie Jan Novota auf der Bank Platz nehmen. Aufpassen musste die Elf von Teamchef Jan Kozak beim Einsteigen. Gleich vier Spieler in der Startelf waren von einer Sperre bedroht, bei den Russen war es nur ein Akteur.

Slowaken beginnen stark

Los ging es jedenfalls gut für die Slowaken. Die „Sbornaja“ zog sich zunächst zurück und ließ den Gegner kommen. Mehr als eine Freistoßflanke, die Alexander Kokorin zur Ecke klärte, schaute aber nicht heraus (3.). Eine Unachtsamkeit an der Mittellinie leitete dann den ersten echten Warnschuss auf das Gehäuse von Igor Akinfejew ein. Nach einem missglückten Querpass von Sergei Ignaschewitsch reagierte Jan Durica blitzschnell und schickte Hamsik auf die Reise. Der Schuss des Napoli-Regisseurs aus spitzem Winkel ging aber doch deutlich drüber (10.).

Warnschuss von Hamsik

Die erste gefährliche Aktion kommt von den Slowaken: Hamsik schießt knapp über das Tor von Akinfejew.

Langsam verschoben die Russen aber ihre Spielerreihen nach vorne und rückten weiter in die gegnerische Hälfte auf. Der Raum für die Slowaken wurde nun etwas enger. Und das russische Forechecking machte sich auch bezahlt. Zunächst rutschte Fedor Smolow noch ein Schuss aus knapp 30 Metern über den Schuh, und der Ball landete auf dem zweiten Rang (18.). Einen gefährlichen, aber zu unplatzierten Kopfball von Artjom Dsjuba konnte Schlussmann Malus Kozacik entschärfen (23.). Ein Distanzschuss von Smolow streifte wiederum nur um Zentimeter am linken Pfosten vorbei (28.).

Weiss und Hamsik spielen Russland schwindlig

Die Russen bestimmten zwar das Spielgeschehen, der ersten Drangphase folgte aber unmittelbar darauf die kalte Dusche. Hamsik spielte aus der eigenen Hälfte einen Traumpass aus 30 Metern genau in den Lauf von Weiss. Der Flügelspieler, der sein Geld seit Februar bei Al-Gharafa in Katar verdient, ließ mit einem Haken gleichzeitig Igor Smolnikow und Wassili Beresuzki ins Leere rutschen, zog nach innen und schob überlegt ins lange Eck zur überraschenden 1:0-Führung der Slowaken ein (32.).

Weiss sorgt für Führung

Nach einem schönen Pass von Hamsik über das halbe Feld reicht Weiss ein Haken, um die russische Abwehr aussteigen zu lassen und das 1:0 zu erzielen.

Russland war nun angeschlagen und versuchte, sich wieder zu fangen. Die Slowaken witterten aber ihre Chance und wollten sofort nachlegen. Und wieder sollte Hamsik im Mittelpunkt stehen. Zunächst spielte der 28-Jährige am Strafraum mit zwei Abwehrspielern Katz und Maus und zog aus 16 Metern ab. Der Versuch ging aber noch knapp daneben (42.).

Drei Minuten später war es dann aber so weit. Nach einem kurz abspielten Eckball von Torschütze Weiss schlug Hamsik einen Haken, drang in den Strafraum ein und hämmerte den Ball via Innenstange zur 2:0-Pausenführung (45.) ins lange Eck. Weiss und Hamsik sind somit die ersten Spieler seit Wayne Rooney und Paul Scoles 2004 beim 4:2 der Engländer gegen Kroatien, die sich in einem EM-Spiel gegenseitig ein Tor auflegten.

Russland kommt nicht in die Gänge

Russlands Teamchef Sluzki musste in der Pause reagieren und schickte nach dem Seitenwechsel gleich zwei frische Spieler auf das Feld. Für Neustädter kam wie schon beim 1:1 gegen England der zuletzt leicht angeschlagene Denis Gluschakow. Der enttäuschende Alexander Golowin musste Pawel Mamajew weichen. Die erste Chance hatten aber wieder die Slowaken. Nach einem Eckball war Ondrej Duda mit dem Kopf zur Stelle, der Ball landete aber doch deutlich über dem Gehäuse von Akinfejew (49.).

Die Russen taten sich auch in der Folge schwer, ein geordnetes Spiel aufzuziehen und Chancen herauszuspielen, die Slowaken verteidigten geschickt und lauerten auf Konter. Der ersten Schuss Richtung Tor von Goalie Kozacik gelang der „Sbornaja“ erst in der 57. Minute, der Versuch von Oleg Schatow ging aber auf die Tribüne. Gefährlicher war es davor auf der Gegenseite geworden, als Akinfejew bei einem Hammer von Robert Mak die Fäuste auspacken musste (54.).

Slowakei macht hinten dicht

Die Zeit lief den Russen aber davon. Die Sluzki-Truppe musste nun mehr Risiko nehmen und ihre Abwehr entblößen. Fast wäre die „Sbornaja“ auch mit dem Anschlusstreffer belohnt worden. Zunächst wurde ein Schuss von Smolow aus kurzer Distanz aber abgeblockt, den Nachschuss setzte wiederum Gluschakow knapp neben das Tor (66.). Nun zog auch Slowakei-Teamchef Kozak seine ersten beiden „Joker“ und brachte Adam Nemec für Duda sowie Svento für Torschütze Weiss aufs Feld. Sluzkis letzter Schachzug war die Einwechslung von Roman Schirokow für Kokorin.

In der 80. Minute schöpfte Russland dann doch noch einmal Hoffnung. Nach einem Doppelpass stand Schatow links im Strafraum frei und legte in den Rücken der Abwehr hoch zurück auf „Joker“ Gluschakow, der den Ball eiskalt per Kopf zum 1:2 im Tor versenkte. Die Russen drückten jetzt noch einmal aufs Tempo und brachten die Slowaken gehörig ins Schwimmen. Mit vereinten Kräften und Glück konnten aber Schüsse von Schatow (81.) und Duda (86.) gerade noch abgeblockt und der erste EM-Sieg in der Geschichte gerettet werden.

Wolfgang Rieder, ORF.at

EM, Gruppe B, zweite Runde

Mittwoch:

Russland - Slowakei 1:2 (0:2)

Lille, Stade Pierre-Mauroy, 38.990 Zuschauer, SR Skomina (SLO)

Torfolge:
0:1 Weiss (32.)
0:2 Hamsik (45.)
1:2 Gluschakow (80.)

Russland: Akinfejew - Smolnikow, W. Beresuzki, Ignaschewitsch, Schtschennikow - Neustädter (46./Gluschakow), Golowin (46./Mamajew) - Kokorin (75./Schirokow), Schatow, Smolow - Dsjuba

Slowakei: Kozacik - Pekarik, Skrtel, Durica, Hubocan - Pecovsky - Mak (79./Duris), Kucka, Hamsik, Weiss (72./Svento) - Duda (67./Nemec)

Gelbe Karten: Keine bzw. Durica

Die Besten: Dsjuba, Schatow bzw. Weiss, Hamsik, Skrtel

Tabelle:
1. Wales * 3 2 0 1 6:3 6
2. England * 3 1 2 0 3:2 5
3. Slowakei * 3 1 1 1 3:3 4
4. Russland 3 0 1 2 2:6 1
* im Achtelfinale

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