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Spannende zweite Halbzeit

Polen hat am Donnerstagabend am zweiten Spieltag der Gruppe C im Stade de France von Saint-Denis ein 0:0 gegen Deutschland erkämpft. Beide Mannschaften halten nach einer intensiv geführten, spannenden Nullnummer bei vier Punkten und liegen als Tabellenführer auf Aufstiegskurs.

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Ein Sieg hätte wohl den sicheren Aufstieg gebracht, doch auch so stehen die Chancen gut. Die Deutschen treffen am Dienstag im letzten Gruppenspiel auf Nordirland, Polen tritt gegen die noch sieglosen und bereits fix ausgeschiedenen Ukrainer an.

Das Spitzenspiel der Gruppe C konnte in der ersten Halbzeit kaum überzeugen, als der Weltmeister sich immer wieder an der polnischen Abwehrmauer festlief. Die Osteuropäer begnügten sich aber nicht mit Defensivarbeit, sondern setzten selbst Akzente, wodurch sich vor allem nach dem Wechsel ein offener Schlagabtausch entwickelte, bei dem die Spannung zum Greifen war. Ein Tor fehlte jedoch, weshalb es erstmals bei dieser EM eine Nullnummer gab.

Hummels kehrt zurück

Beide Trainer vertrauten großteils auf jene Mannschaften, die bereits die Auftaktspiele erfolgreich bestritten hatten. Deutschland, das die Ukraine 2:0 besiegt hatte, wartete mit nur einer Änderung auf: In der Abwehr gab Mats Hummels sein Comeback, für den Ex-Dortmunder und zukünftigen Bayern blieb Torschütze Shkodran Mustafi draußen. Auch Bastian Schweinsteiger, der den zweiten Treffer gegen die Ukrainer erzielt hatte, sah die Partie nur von der Bank aus. Solospitze im 4-2-3-1-System war Mario Götze.

Hummels

APA/AFP/Kenzo Tribouillard

Hummels hatte bei seinem Comeback einiges zu tun

Die Polen rotierten an zwei Positionen: Wojciech Szczesny wurde nach seiner Oberschenkelverletzung vom 1:0-Erfolg gegen Nordirland nicht rechtzeitig fit, für den Roma-Schlussmann stand Lukasz Fabianski von Swansea im Tor. Teamchef Adam Nawalka schickte zudem Kamil Grosicki statt Bartosz Kapustka auf die linke Außenbahn. Den Angriff in der 4-4-2-Formation bildeten wie gewohnt Bayern-Goalgetter Robert Lewandowski und Arkadiusz Milik, Siegestorschütze im Auftaktspiel.

Intensiver Beginn in Saint-Denis

Von Polens Stürmern sahen die 73.648 Zuschauer in Paris vorerst wenig, die ersten Chancen im Spiel hatten die Deutschen. Götze köpfelte nach Flanke von Julian Draxler über das Tor, und einen Schuss von Jonas Hector hätte Sami Khedira fast noch gefährlich abgefälscht. Der Weltmeister suchte gegen die massive gegnerische Abwehr eine Lücke, Polen sah anfangs kaum einen Ball und startete erst nach 15 Minuten über Lewandowski erstmals in den deutschen Strafraum.

Ein energischer Vorstoß von Thomas Müller über links brachte das Spiel wieder vors polnische Tor, seinen Querpass konnte Toni Kroos im Rutschen aber nicht genau genug platzieren. Auf der Gegenseite wurden nun die Polen erstmals gefährlich, doch die DFB-Abwehr um Hummels und den überragenden Jerome Boateng blockte die Schüsse von Lewandowski und Milik gleich im Ansatz. Polen konnte durch diese Angriffe zumindest die Statistik über den Ballbesitz von rund einem Viertel auf ein Drittel schrauben.

Polen spielen etwas mit

Hatten sich die Polen vorerst ganz auf eine stabile Defensive konzentriert, spielten sie nach knapp 20 Minuten munter mit. Dadurch verebbte auch der weltmeisterliche Angriffswirbel, ein richtiges Durchkommen gab es auf beiden Seiten nicht mehr. Am Einsatz lag es nicht, beide Mannschaften zeigten deutliche körperliche Präsenz, ließen dem Gegner kaum Platz - insbesondere die Polen legten eine enorme Laufbereitschaft an den Tag. Zum Verschnaufen ging es dann für 15 Minuten in die Kabine, gepaart mit der Hoffnung, nach der Pause den ersten Schuss aufs Tor zu erleben.

Milik vergibt Riesenchance

Sofort nach Wiederbeginn hat Arkadiusz Milik die Riesenchance auf die Führung für die Polen, trifft den Ball aber nur mit der Nase statt mit dem Kopf.

Der blieb zwar gleich nach Wiederanpfiff aus, dafür gab es nach nur 27 Sekunden die erste Hundertprozentige: Nach Flanke von Grosicki erreichte Milik das Leder nur mit dem Gesicht und setzte den Kopf- bzw. „Nasenball“ aus drei Metern knapp neben die Stange. Deutschland wollte nicht nachstehen und verbuchte durch Götze, dessen Schuss Fabianski fing, im Gegenzug den ersten Ball direkt aufs Tor.

Spiel nimmt Fahrt auf

Personell unverändert, aber durch die beiden Chancen und die Kabinenansprachen topmotiviert, nahmen die Spieler und die Partie nun Fahrt auf. Bei einem Vorstoß von Milik rettete Hummels mit einem blitzsauberen Tackling knapp vor dem Strafraum. Der Ajax-Angreifer war es auch, der einen Freistoß knapp neben das Tor von Manuel Neuer bugsierte, sein Sturmkollege Lewandowski wurde bei einem Schuss in aussichtsreicher Position von seinem Clubteamkollegen Boateng geblockt.

DFB-Coach Joachim Löw sah bei den Angriffsbemühungen seiner Weltmeister Nachholbedarf, nahm den wenig durchsetzungsfähigen Götze vom Feld und brachte Andre Schürrle. Dadurch rückte Müller an die vorderste Front vor, ehe für die letzten 20 Minuten noch Mario Gomez kam. Schürrle spielte am Flügel, wo er Mesut Özil bediente, dessen Schuss Fabianski gerade noch über die Latte drehen konnte. Zuvor hatte Milik nach einem Konter am Elferpunkt stümperhaft neben den Querpass von Grosicki gehaut.

Es riecht nach Tor

Die Strafraumszenen häuften sich, ein Treffer lag in der Luft - nicht nur, weil noch kein einziges Spiel dieser EM 0:0 geendet hatte. Die Anspannung war zum Greifen, Lewandowski giftete Teamkollege Milik an, Erschöpfung führte zu kleinen Nachlässigkeiten und eröffnete Räume, die in der ersten Halbzeit noch undenkbar waren. Jeder kleine Fehler konnte nun die Entscheidung bringen.

Im letzten Moment war aber immer ein gegnerisches Bein dazwischen oder Schiedsrichter Björn Kuipers entschied rechtzeitig auf Abseits. Als die Nachspielzeit, in der in Frankreich schon sechs Treffer fielen, anbrach und Müller mit einem versuchten Fallrückzieher scheiterte, wandelte sich der Torgeruch zum Odeur einer Nullnummer. Intensiv geführt, spannend, mit einigen Chancen, aber torlos.

Oliver Mück, ORF.at

EM, Gruppe C, zweite Runde

Donnerstag:

Deutschland - Polen 0:0

Saint-Denis, Stade de France, 73.648 Zuschauer, SR Kuipers (NED)

Deutschland: Neuer - Höwedes, Boateng, Hummels, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Draxler (71./Gomez) - Götze (66./Schürrle)

Polen: Fabianski - Piszczek, Glik, Pazdan, Jedrzejczyk - Blaszczykowski (80./Kapustka), Maczynski (76./Jodlowiec), Milik, Krychowiak, Grosicki (87./Peszko)- Lewandowski

Gelbe Karten: Khedira, Özil, Boateng bzw. Maczynski, Grosicki, Peszko

Tabelle:
1. Deutschland * 3 2 1 0 3:0 7
2. Polen * 3 2 1 0 2:0 7
3. Nordirland * 3 1 0 2 2:2 3
4. Ukraine 3 0 0 3 0:5 0
* im Achtelfinale

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