Gartentag im Land der Bretonen
Von der Auftaktniederlage der österreichischen Mannschaft in Bordeaux hat sich die Euromobil-Besatzung auf der Reise nach Norden einigermaßen erholt. In der Bretagne sollte Kraft und Zuversicht für das Fernziel Paris aufgebaut werden. Rund 470 Kilometer legten wir zurück, ehe unser EM-Wohnmobil in Questembert ankam. Die typisch bretonische Kleinstadt nordwestlich von Nantes hat unter anderem eine architektonische Besonderheit mit Österreich-Bezug aufzubieten.
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Julia Höfler lebt hier seit drei Jahren mit ihrem Lebensgefährten Geoffrey Le Brech. Bei der Fahrt durch Questembert waren zunächst viele Neubauten im herkömmlichen modernen Stil aufgefallen. Auf Julias und Geoffreys Grundstück stachen uns eine Jurte im klassischen mongolischen Stil und ein dieser Jurte nachempfundenes Holzhaus ins Auge. Das Euromobil tauschten wir für einen kurzweiligen Tag mit den Vorzügen dieser Behausungen.
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Jour 9
Im Land von Asterix und Obelix besuchte das Euromobil ein gastfreundliches Künstlerpaar in dessen Jurte.
Beim Mittagessen auf der achteckigen Holzterrasse erzählten uns die beiden ihre Lebensgeschichte. Die heute 43-jährige Schauspielerin war aus Wien nach Paris gegangen, wo sie ein halbes Jahr als Sprachlehrerin arbeitete und dann in die Bretagne zog. Der 39-jährige Musiker Geoffrey bewarb sich 2013 für ein Sprechtraining bei Julia, das sie absagte, weil sie nach Kalifornien weiterziehen wollte. Interessehalber sah sie sich trotzdem sein mitgeschicktes YouTube-Video an - und damit nahm das Schicksal seinen Lauf.
Drei Jahre Bauzeit für Traumhaus
Zu diesem Zeitpunkt hatte der gelernte Zimmermann bereits mit dem Bau seines Holzhauses begonnen. Dessen Plan hatte er jahrelang im Kopf getragen, als er noch mit seiner damaligen Frau in einer mongolischen Jurte lebte - einer mit Zelttuch überzogenen Holzkonstruktion. Nicht zuletzt ein bretonischer Sturm, der Geoffrey eines Nachts seine Behausung über dem Kopf davongerissen hatte, brachte ihn dazu, seinen Plan von einer festen Behausung umzusetzen.
In drei Jahren und mit der Hilfe seines Vaters und seines Bruders baute er sie fertig. Ein großer Wohnraum, darüber ein über eine japanischen Holztreppe erreichbarer, dachbodenartiger Ausbau bilden das Zentrum. Daran anschließend ein Schlafzimmer und eine trockene Toilette mit Rindenmulch und Sägespänen statt der herkömmlichen Wasserspülung. Sämtliche Wohn- und Arbeitsräume haben die beiden in zwei persönliche Bereiche geteilt - ihrer Lebensphilosophie von Gemeinsamkeit und Freiheit entsprechend.

ORF.at/Harald Hofstetter
Einen Garten mit Jurte hat nicht jeder
„Als ich Julia kennenlernte, war die Jurte außen fertig, aber innen noch leer“, berichtete uns Geoffrey. „Und dann hat dieses Haus uns und unsere Beziehung zusammengeschweißt.“ Ihre Philosophie verwirklichten die beiden vor allem auch im Garten, der auf den ersten Blick verwildert wirkt, in Wirklichkeit aber als Rückzugsoase wohlgeplant wurde. „Unser Paradies“, sagte Julia, die in der Jurte im Garten online ihrem Beruf als Sprachlehrerein nachgeht.
Die Magie der Bretagne
Wir ließen uns vom Zauber des Gartens und der Jurte anstecken - und von der mitreißenden Überzeugungskraft der beiden auch als Gesangsduo auftretenden Künstlerseelen. Während der Bauphase war sich Geoffrey ob der enormen Anstrengungen mitunter nicht sicher gewesen, ob er nun an seinem traum- oder an seinem Alptraumhaus baue, gab er lachend zu. Am Ende war klar: Er verwirklichte seinen langgehegten Traum und fand dabei die Frau seines Lebens. Von Fußball oder von der EM in Frankreich bekommen die beiden nichts mit - auch weil sie kein TV-Gerät besitzen. Gegen ein Spielchen im Garten hatten sie trotzdem nichts.

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Julia Höfler und Geoffrey De Brech leben und singen gemeinsam
Von Fußball haben die beiden so viel Ahnung wie wir von Jurten. Die bretonische Gastfreundschaft, das Grün der Landschaft, die Luft des Atlantiks und die Magie des EM-Sommers in Frankreich haben uns aber viel Enerige und Kraft für die Weiterreise gegeben. Paris und das vorentscheidende Match des ÖFB-Teams sind noch weit entfernt. Aus dem Land der Hinkelsteine gab es bis dahin nur Positives zu vermelden. Verabschiedet mit einer eigens arrangierten Beatbox-Version von Kyrie Eleison setzten wir unsere Reise fort.
Harald Hofstetter, ORF.at, aus dem Euromobil
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