Effizienz schlägt Harmlosigkeit
Italien hat dank einem späten Treffer Schweden mit 1:0 besiegt und ist ins EM-Achtelfinale eingezogen. Die „Blagult“, die Blau-Gelben, bissen sich am Freitagnachmittag in Toulouse die Zähne am Abwehrbeton der „Azzurri“ aus. Superstar Zlatan Ibrahimovic und Co. müssen nun im letzten Gruppenspiel gegen Belgien gewinnen, um nicht nach der Vorrunde die Heimreise antreten zu müssen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der magische Moment aus Sicht der „Squadra Azzurra“ kam erst in der 88. Minute: Abwehrchef Giorgio Chiellini warf ein, Simone Zaza leitete per Kopf weiter - und der gebürtige Brasilianer Eder setzte zum wohl spektakulärsten Sololauf der bisherigen EM an. Sechs Schweden ließ der 30-Jährige aussteigen, ehe er aus 15 Metern flach in die rechte Ecke zum Goldtor abzog. In den 87 Minuten davor hatte es vom Showfaktor her bestenfalls Schonkost gegeben - von beiden Teams.
(88.) Eder vollendet seinen Sololauf mit dem Goldtor
Eder lässt sechs Schweden aussteigen und zeigt sich auch im Abschluss eiskalt.
Roma-Star Florenzi rückt in Startelf
Italiens „Commissario Tecnico“ Antonio Conte stellte im Vergleich zum 2:0-Sieg gegen Belgien nur auf einer Position um: Roma-Mittelfeldakteur Alessandro Florenzi rückte für Matteo Darmian in die Mannschaft und übernahm den Part als linker Verteidiger bzw. - in aufgerückter Form - als linker Mittelfeldspieler. Die Italiener blieben dennoch die Senioren der EM - Florenzis Auflaufen drückte den Altersschnitt des Weltmeisters von 2006 von 31,8 auf - immer noch beachtliche - 30,9 Jahre.
Schweden-Betreuer Erik Hamren nahm gleich mehrere Adaptionen vor: Erik Johansson ersetzte Mikael Lustig als Rechtsverteidiger, Oscar Lewicki musste auf die Bank, um Albin Ekdal im defensiven Mittelfeld Platz zu machen. Neben Ibrahimovic durfte sich diesmal John Guidetti als zweiter Stürmer versuchen - gegen Irland hatte noch Marcus Berg in der Spitze agiert.
Ibrahimovic springt in Chiellini
In der zweiten Spielminute lernten einander Ibrahimovic und Italiens Abwehrchef Giorgio Chiellini im Strafraum näher kennen - der Schwede ging zwar hart mit dem Unterarm ins Kopfballduell, der Juventus-Verteidiger behielt aber die Oberhand und vermied so eine gute Chance.

APA/AFP/Pascal Pavani
Ibrahimovic und Chiellini: eine mitunter ruppige sportliche Rivalität für 90 Minuten - mit einem deutlichen, italienischen Sieger
Bei der „Squadra Azzurra“ stellte in der zehnten Minute Florenzi sein Können unter Beweis, setzte sich am linken Flügel durch und zog aus spitzem Winkel ab. Für Schwedens routinierten Schlussmann Andreas Isaksson war der Schuss aber kein Problem.
Kein Risiko auf beiden Seiten
Nach der ersten Viertelstunde war die taktische Marschroute beider Teams klar: Bloß keinen Rückstand kassieren und, wenn sich eine Möglichkeit bietet, zuschlagen. Ein attraktives Spiel sieht zwar anders aus, aufgrund der Sachzwänge war das aber aus Sicht beider Teams auch nicht unbedingt nötig. Ein Umstand, der sich auch im Ballbesitz äußerte: 50:50, keine Topchance auf beiden Seiten.
Etwas Ähnliches wie Torgefahr wollte auch weiterhin nur bedingt entstehen. Bei einem Kopfball von Ibrahimovic wurde Gianluigi Buffon im italienischen Tor zwar einmal Aufmerksamkeit abgerungen, der schwedische Superstar stand dabei aber im Abseits und wurde ohnehin vom Schiedsrichter zurückgepfiffen.
Wenig später kombinierte sich Victor Lindelöf per Doppelpass mit Kim Källström auf der rechten Außenbahn durch und flankte den Ball in den Strafraum. Dort stieg aber Guidetti nicht hoch genug - das Warten auf die erste hundertprozentige Torchance ging weiter (30.).
Skandinavier setzen auf hohe Bälle
Die schwedische Ratlosigkeit im Offensivspiel setzte sich bis zur Pause fort. Nur einmal konnte einer der zahlreichen hohen Bälle in die Spitze kontrolliert weiterverarbeitet werden: Ibrahimovic spielte nach der Balleroberung den weiten Pass, Sebastian Larsson legte per Kopf ab für Guidetti, und dieser zog aus rund 20 Metern volley ab - doch der Ball ging erneut über das Tor (40.). Wenig später führte ein nur per Ferste weggestocherte Ball von Andrea Barzagli beinahe zu einer ersten guten Chance für Ibrahimovic, der den Ball aber nicht mehr unter Kontrolle bekam.
Weil den „Blagult“ auch weiterhin die zündende Idee im Vorwärtsgang fehlte und sich die Italiener in ihrer Abwehrarbeit weiterhin humorlos zeigten, blieb es beim 0:0, ehe der ungarische Topreferee Victor Kassai zur Halbzeit pfiff. Aber auch der Weltmeister von 2006 hatte spielerisch Luft nach oben: Mit Eder spielte etwa ein Italiener keinen einzigen Pass in der ersten Hälfte. Seine Stunde sollte erst viel später schlagen.
Schlitzohr Chiellini lässt Guidetti auflaufen
Personell ging es in der zweiten Hälfte unverändert weiter. Pelle sorgte nach einer Vorlage von Eder für eine rare Begebenheit - einen Schuss für Italien. Isaksson musste nicht eingreifen, weil der Ball sein Tor deutlich verfehlte. Zuvor hatte Italiens Abwehrchef Chiellini einen erneuten Beweis für seine Schlitzohrigkeit geliefert. Bei einem schnellen Konter der Schweden sprang er in den Laufweg von Guidetti, ließ diesen auflaufen und mimte danach das Unschuldslamm, er habe ihn nicht kommen gesehen.

Reuters/Vincent Kessler
Chiellini stellte sich Guidetti in den Weg - und rechtfertigte sich bei dessen Teamkollegen, es sei ein Versehen gewesen
Die EM-Quali-Gegner Österreichs taten sich weiterhin extrem schwer. Wie in der ersten Hälfte auch, glückte offensiv keine einzige Aktion. Die Italiener kamen immerhin in die Nähe des schwedischen Strafraums: Candreva, Pelle und Eder spielten sich mitunter bis zum Fünfer, ehe die schwedischen Verteidiger eingriffen.
In der 61. Minute konnte Källström im eigenen Strafraum gegen Giaccherini nur mit vollstem Risiko und Einsatz retten. Zuvor hatte Parolo den Ball und die schwedischen Verteidiger nach links verschleppt, eine Lücke aufgerissen und dann mit viel Übersicht quer gespielt.
Schwedische Offensive untergetaucht
Den Schweden glückte in dieser Phase nach vorne gar nichts mehr. Leidglich die innige Beziehung zwischen Ibrahimovic und Gegenspieler Chiellini ging in ein neues Kapitel, als beide trotz einer vorherigen Abseitsstellung von „Ibracadabra“ ihren Zweikampf fortsetzten - im Anschluss klatschten die früheren Teamkollegen bei Juventus Turin freundschaftlich ab.
(82.) Parolo trifft nur die Querlatte
Nach einer schönen Flanke von Giaccherini setzt Parolo den Ball per Kopf auf die Querlatte.
Der 34-jährige PSG-Star sorgte in der 72. Minute für eine Schrecksekunde bei den Italienern. Der Schwede verfehlte nach einer halbhohen Flanke durch Olsson aus vier Metern Entfernung das Tor. Doch ein etwaiger Treffer hätte erneut nicht gezählt, weil er beim Stanglpass im Abseits gestanden war.
Parolo setzt Matchball für Italien ans Kreuzeck
Während die Schweden mit einem Doppeltausch (Oscar Lewicki für Ekdal, Jimmy Durmaz für Forsberg) ihre letzten „Joker“ in die Schlacht warfen, fiel beinahe das Siegestor für die Italiener: Giaccherini zirkelte eine Maßflanke in den schwedischen Strafraum, dort stieg Parolo hoch und köpfelte wuchtig auf das Tor von Isaksson. Der wäre auch geschlagen gewesen, der Ball klatschte aber an das Kreuzeck - die beste Chance im gesamten Spiel (82.).
In den letzten Minuten versuchten die Schweden einmal mehr, alles nach vorne zu werfen, verfolgten die italienischen Ballführenden über das gesamte Spielfeld - und wurden bitter bestraft. Der in Brasilien geborene Eder setzte nach dem Einwurf von Chiellini zum Solo an, ließ gleich sechs Gegenspieler alt aussehen - und schloss auch noch perfekt flach ab (88.). Mit dem Stangenkopfball von Parolo war es die erste zweite hochkarätige Chance für die „Azzurri“, die sich einmal mehr als eiskalt in der Verwertung ihrer Möglichkeiten zeigten.
In den Schlusssekunden gab es noch einmal Aufregung im Strafraum der Italiener: Die Schweden beschwerten sich, dass Chiellini Andreas Granqvist unfair zu Fall gebracht habe. Doch Referee Kassai sah das anders - und pfiff das Spiel kurz danach ab.
Mario Wally, ORF.at
EM, Gruppe E, zweite Runde
Freitag:
Italien - Schweden 1:0 (0:0)
Stade de Toulouse, 29.600 Zuschauer, SR Kassai (HUN)
Tor: Eder (88.)
Italien: Buffon - Barzagli, Bonucci, Chiellini – Florenzi (85./Sturaro), Parolo, De Rossi (74./Motta), Giaccherini, Candreva - Pelle (60./Zaza), Eder
Schweden: Isaksson - Lindelöf, Johansson, Granqvist, Olsson - Larsson, Ekdal (79./Lewicki), Källström, Forsberg (79./Durmaz) – Guidetti (85./Berg), Ibrahimovic
Gelbe Karten: De Rossi, Buffon bzw. Olsson
Links: