Isländischer Report wird Kult
Österreichs Nationalteam hat bei der EM in Frankreich keine Werbung in eigener Sache betreiben können. Das 1:2 gegen Island war der Schlusspunkt eines von Anfang bis Ende verkorksten Turniers. Nur eine rot-weiß-rote Abordnung präsentierte sich in EM-Form: die österreichischen Fans. Gemeinsam mit den Isländern sorgten sie für Gänsehautatmosphäre im Stade de France.
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Zum Abschiedsspiel der Österreicher pilgerten rund 35.000 rot-weiß-rote Fans in den Pariser Vorort Saint-Denis. So viele Anhänger aus der Heimat hatten noch keine ÖFB-Auswahl in der Fremde unterstützt. Wie schon bei den Spielen gegen Ungarn in Bordeaux und gegen Portugal im Pariser Prinzenpark verwandelten die österreichischen Fans ihren Sektor in die in der Quali oft zitierte „rote Wand“.
Team kommt „Verantwortung nicht nach“
Selbst nach dem ersten Tor der Isländer blieb der Fanblock überwiegend optimistisch und versuchte die Mannschaft nach vorne zu treiben. Nach Schlusspfiff verabschiedeten die Zuschauer die österreichische Mannschaft trotz der allgegenwärtigen Enttäuschung noch mit Applaus. „Herzlichen Dank an alle Fans dort draußen. Ihr seid wirklich großartig“, richtete Teamchef Koller nach der bitteren Niederlage den Anhängern via Facebook aus.
Der Tag nach der Österreich-Niederlage
Das Abenteuer Frankreich ist vorbei. Österreichs Fußball-Nationalteam hat den Aufstieg ins Achtelfinale durch eine 1:2 Niederlage gegen Island verpasst. Am Tag danach dominieren Enttäuschungs- und Frustgefühle.
Auch bei den Kickern war die Enttäuschung darüber, dass man die Fans nicht mit einem erfolgreichen Turnier beschenken konnte, groß. Wir haben die Erwartung an uns selbst, Leistung und Ergebnisse zu bringen, wenn 35.000 Österreicher in Paris im Stadion sind", sagte Julian Baumgartlinger, „ihnen etwas zurückzugeben ist unsere Verantwortung, und der sind wir nicht nachgekommen.“ Die Chance zur Wiedergutmachung bietet sich bei der am 5. September in Georgien beginnenden Qualifikation zur WM 2018 in Russland.
Auswirkung auf Präsidentenwahl
Ganz anders die Situation bei Island. Dort wurden die Anhänger von ihrer Mannschaft, wohl dem Überraschungsteam des Turniers, belohnt. Geschätzte 25.000 Isländer – bei rund 330.000 Einwohnern auf der Insel im Nordatlantik - pilgerten alleine zum Spiel gegen Österreich nach Paris. Am Montag im Achtelfinale gegen England in Nizza werden es wohl nicht viel weniger sein. Dass am Samstag in der Heimat ein neuer Präsident gewählt wird, erscheint für viele Isländer im Moment zweitrangig. Experten befürchten bereits Auswirkungen auf das Ergebnis des Urnengangs.
Island im Siegesrausch
Schmerz auf der einen Seite, grenzenloser Jubel auf der anderen. Man denkt unwillkürlich an die ORF-Kommentatoren-Legende Edi Finger, wenn man den isländischen Fernsehkollegen erlebt.
Der erste Weg der Mannschaft nach dem historischen Einzug ins Achtelfinale führte logischerweise zum Fanblock. Minutenlang feierten die Spieler mit ihren Anhängern, bevor diese glückselig und unter Applaus von österreichischen Fans das Stadion in Richtung Siegesparty verließen. „Wir werden unseren Nationalfeiertag auf den heutigen Tag verlegen“, sagte Islands Teamchef Heimir Hallgrimsson. Auch in der isländischen Hauptstadt Rejkjavik machten die Zuschauer auf den Straßen die Nacht zum Tag.
Der isländische Edi Finger
Symbol für die Begeisterung im Nordatlantik ist spätestens seit dem Österreich-Spiel Gudmundur Benediktsson, seines Zeichens TV-Kommentator. Der Reporter schrie sich nach dem 2:1 der Isländer durch den künftigen Rapidler Arnor Ingvi Traustason in Ekstase und begleitete das historische Siegestor mit Jubel in höchster Tonlage. Seine Schilderung der entscheidenden Ereignisse lässt in Österreicher Erinnerungen an Edi „I werd narrisch“ Finger Senior aufkommen.
„Ja! Ja! Ja! Wir gewinnen das hier! Wir sind unter den letzten 16. Wir sind unter den letzten 16. Wir haben gegen Österreich gewonnen", schrie der Reporter ins Mikrofon, „meine Stimme ist weg, aber das ist egal. Wir sind durch. Arnor Ingvi Traustason hat getroffen. Island 2, Österreich 1. Wer hätte das gedacht! Wer hätte das gedacht! Der Schlusspfiff ist da! Ich hab mich noch nie, nie so gut gefühlt. Arnor Ingvi Traustason sichert Island den ersten Sieg bei der EM. Wir haben kein Spiel verloren, vergesst das nicht, wir haben kein Spiel verloren, aber der erste Sieg ist da. Island 2, Österreich 1. Danke, dass ihr gekommen seid, Österreich. Danke fürs Kommen.“
Schon der Kommentar Benediktssons beim 1:1-Ausgleich gegen Portugal wurde zum Internethit. Seine zu Ton gewordene Leidenschaft gegen Österreich wurde alleine auf Facebook bis zum nächsten Morgen 1,5 Mio. Mal aufgerufen. Manche User machten sich in den Sozialen Medien ernsthaft Sorgen um die Gesundheit des Reporters. Im Achtelfinale wird Benediktsson aber wieder im Einsatz sein. Gelingt Island auch gegen England eine Riesensensation, darf man sich auf ein neues Schmankerl des Reporters an der Grenze zum Herzinfarkt freuen.
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