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„Verletzung des Gleichheitsprinzips“

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat in einer am Sonntag kommunizierten Entscheidung russischen Athleten mit Dopingvergangenheit die Teilnahme an den Sommerspielen in Rio verweigert. Dieser dritte Punkt der IOC-Stellungnahme zum russischen Dopingskandal steht aber im Gegensatz zu Urteilen des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) in Lausanne.

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Dieses hatte 2011 eine drei Jahre zuvor beschlossene IOC-Regel („Osaka-Regel“) gekippt, wonach Dopingsünder nach einer mehr als sechsmonatigen Sperre nicht an den folgenden Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Das Schiedsgericht stellte nach einem Einspruch des NOK der USA fest, die Regel widerspreche den Bestimmungen des Welt-Anti-Doping-Codes. Man werde das Urteil akzeptieren, sagte der damalige IOC-Vize und nunmehrige IOC-Chef Thomas Bach damals.

Zudem hob das Sportgericht in Lausanne vor den Sommerspielen 2012 einen Beschluss des britischen olympischen Komitees auf, wonach Dopingsünder auf Lebenszeit aus dem Team ausgeschlossen würden. Sprinter Dwain Chambers durfte daraufhin in London antreten.

Stepanowa hofft weiter auf Start

Im russischen Team sind momentan bis zu 13 Athleten von der aktuellen IOC-Entscheidung betroffen. Darunter „Whistleblowerin“ Julia Stepanowa. Stepanowa hat nun das IOC um eine Überprüfung ihres Falles ersucht, um doch noch in Rio teilnehmen zu dürfen. Ihr war das Startrecht aufgrund ihrer Dopingvergangenheit aberkannt worden. „Die Entscheidung des IOC ist unfair und basiert auf falschen und unwahren Behauptungen“, so Stepanowa in einem am Montag veröffentlichten Statement.

Yuliya Stepanowa

APA/AP/Geert Vanden Wijngaert

Stepanowa hofft weiter auf einen Start in Rio

Nach Angaben ihres Ehemanns werde die 30-Jährige allerdings nicht vor den CAS ziehen, um noch einen Olympiastart zu erwirken. Witali Stepanow erklärte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP am Montag (Ortszeit), dafür fehle das Geld. „Ihr Ziel ist die Teilnahme. In meinen Augen verdient sie es mehr, eine Olympionikin zu sein als zu Zeiten, als sie eine gedopte Athletin war. Sonntag war ein Tag, um ein bisschen zu weinen und enttäuscht zu sein“, sagte Stepanow.

„WADA sehr besorgt über die Botschaft“

Dass nun ausgerechnet Stepanowa nicht starten darf, ein russisches Team unter gewissen Auflagen aber sehr wohl, wird von Sportfunktionären als verheerendes Signal für den Anti-Doping-Kampf gewertet. „Die WADA ist sehr besorgt über die Botschaft, die damit für die Zukunft an Whistleblower wie sie gesendet wird“, sagte Olivier Niggli, der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur.

Die Aussagen der 800-m-Läuferin hatten maßgeblichen Anteil an der Aufklärung der Dopingpraktiken in der russischen Leichtathletik, weswegen der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) Stepanowa eine Starterlaubnis hatte zukommen lassen. Das IOC entschied allerdings anders. Eine Einladung des IOC, das Stepanowa und ihrem Ehemann Witali anbot, die Spiele als Besucher zu verfolgen, lehnte das Paar dankend ab.

Auch Jefimowa muss zuschauen

Die Einzelfallüberprüfung der russischen Olympiaathleten gemäß den neuesten IOC-Vorgaben obliegt den Sportfachverbänden. Schneller als sonst üblich reagierte der Weltschwimmverband (FINA) auf das IOC-Urteil: Sieben russische Schwimmer dürfen nicht bei Olympia in Rio starten. Zu den vier von Russland bereits zurückgezogenen Schwimmern, unter ihnen Weltmeisterin Julija Jefimowa, kommen drei weitere Athleten. Diese werden im McLaren-Report der Welt-Anti-Doping-Agentur über vertuschte Dopingproben genannt.

Yuliya Jefimowa

GEPA/Philipp Brem

Jefimowa überlegt einen Einspruch beim CAS

Einer ist Nikita Lobinzew, er sollte über 200 m Kraul antreten. Auch Wladimir Morosow darf nicht starten, teilte die FINA am Montag mit. Beide Schwimmer gewannen 2012 mit der russischen 4-x-100-m-Kraul-Staffel Olympiabronze.

Jefimowa zieht vor CAS

Bei der vierfachen Schwimmweltmeisterin Jefimowa sei der Grund die Dopingsperre von 2013 bis 2015, sagte NOK-Chef Alexander Schukow. Anfechten wolle man die Entscheidung laut Schukow aber nicht. „Dazu bleibt nicht genug Zeit“, sagte der NOK-Chef.

Anders sah das Nationaltrainer Sergej Kolmogorow: Jefimowa wolle vor dem CAS gegen den Olympiaausschluss klagen, so Kolmogorow gegenüber der Nachrichtenagentur TASS.

Nicht nur der deutsche Leichtathletik-Verbandschef Clemens Prokop hält die IOC-Entscheidung für rechtswidrig: „Das ist eine Verletzung der Rechtsprechung des CAS und des Gleichheitsprinzips.“

„Alle ausschließen, die betrogen haben“

Die britische Marathonläuferin Paula Radcliffe meinte, wenn es eine Sanktion gegen frühere Dopingsünder gebe, müsse diese auf alle Länder ausgeweitet werden. „Wenn ich einer Entscheidung, frühere Doper an der Teilnahme zu hindern, begrüße, dann darf sie nicht nur die Russen betreffen. Eine starke Botschaft für einen sauberen Sport wäre es gewesen, alle auszuschließen, die betrogen haben“, sagte Radcliffe.

Justin Gatlin

APA/AP/Marcio Jose Sanchez

Justin Gatlin darf trotz seiner Dopingvergangenheit in Rio starten

Die würde u. a. die US-Leichtathleten LaShawn Merritt und Justin Gatlin, die ersten zwei der Saison-Bestenliste über 200 m, betreffen. Gatlin, 100-m-Olympiasieger von 2004, war für insgesamt fünf Jahre gesperrt und läuft nun mit 34 schneller als je zuvor. Merritt war 2010 und 2011 für fast zwei Jahre gesperrt. In Rio antreten dürfen im Gegensatz zu den Russen trotz früherer Dopingvergehen auch Spaniens Radstar Alejandro Valverde und der chinesische Schwimmweltmeister Ning Zetao (100 m Kraul).

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