„Haben das Fußballspielen nicht verlernt“
Georgien, seine faszinierende Hauptstadt Tiflis und das ÖFB-Team haben doch einiges gemeinsam. Beide befinden sich in einer Transformationsphase und wollen neu durchstarten. Das Land zwischen Europa und Asien, das aber lieber zu Europa gehören würde, und das heimische Fußballnationalteam, das beweisen will, dass es die verunglückte EM hinter sich gelassen und ein neues Ziel im Fokus hat.
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Am Montag (18.00 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) soll zum Start in die WM-Qualifikation für Russland 2018 möglichst ein Sieg her. Beide Teams brauchen den Auftakterfolg in Gruppe D, die mit EM-Überraschung Wales, Irland, Serbien und Moldawien als weiteren Gegnern ausgeglichen scheint. Für Österreich steht das Spiel auch im Zeichen des Neustarts nach der EM, die hinter den heimischen Erwartungen zurückgeblieben war.
Österreich will Auswärtsserie fortsetzen
Das Nationalteam will mit einem Sieg gegen Georgien erfolgreich in die Qualifikation für die Fußball-WM 2018 in Russland starten. Die starke Auswärtsserie vor der EM gibt Hoffnung.
Steter Wunsch eines Neubeginns
Einen Neustart versuchen Georgien und seine 1,1-Millionen-Einwohner-Hauptstadt Tiflis schon seit einigen Jahren. Eingeklemmt zwischen dem mächtigen Hochgebirge Kaukasus im Norden, dem Schwarzen Meer im Westen und den Ländern Türkei, Armenien und Aserbaidschan im Süden war das Land mit rund vier Millionen Einwohnern und einer Fläche von Bayern aufgrund seiner Lage an Handelsrouten immer für alle möglichen Invasoren von Interesse. In Tiflis wird an vielen Ecken die jahrhundertealte Geschichte der Stadt deutlich sichtbar.
Orientalisch angehauchte Bauten neben klassizistischen Gebäuden aus späteren Jahrhunderten. Alte Schwefelbäder, deren Kuppeln an der Oberfläche zu sehen sind, erinnern noch heute an die Namensgebung der Stadt. Tbilisi heißt so viel wie warmer Ort oder heiße Quellen. Vor einigen Jahren wurde dann moderne Architektur als neuerlicher Beweis für die Ambitionen des Landes hinzugefügt. Die Friedensbrücke im Zentrum der Stadt ist so ein Beispiel. Davor durchschneidet die Kura die Stadt, hängen Häuser bedrohlich knapp an den Felsen über dem Fluss.

Reuters/David Mdzinarishvili
Auch Tiflis hat eine Friedensbrücke. Dahinter wacht die Nariqala-Festung
Danach beruhigt sich Tiflis, wird sanft und wird ein wenig dem Ruf, das „Paris Asiens“ zu sein, gerecht. Vom Rike-Park etwa kann der Besucher mit der Seilbahn hinauf zur Nariqala-Festung über die Altstadt schaukeln. Oben angekommen stellt sich die nachts spektakulär beleuchtete Wehranlage aus dem dritten Jahrhundert als Fassade heraus. Dahinter eine Ruine. So wie viele Gebäude in Tiflis, die man freiwillig nicht betreten würde. Antike, Moderne, alt, neu - alles nebeneinander auf der Suche nach einer Identität. So wie Österreichs Nationalteam.
Koller will „alte Stärken abrufen“
Zum achten Mal soll eine WM-Teilnahme geschafft werden. Dazu müssen David Alaba und Co. entweder die Gruppe gewinnen oder als einer der acht besten von neun Gruppenzweiten den Umweg über das Play-off nehmen. Mit Auftritten wie bei der EM in Frankreich wird das jedoch nicht gelingen, wie auch Koller weiß. „Unser Ziel ist es, wieder dorthin zu kommen, dass wir unsere alten Stärken abrufen können“, meinte der Nationaltrainer und ist optimistisch.

GEPA/Christian Ort
Vor dem Auftakt zur WM-Quali herrschte noch freundschaftliche Stimmung
„Es ist wieder mehr Zug dahinter“, betonte der Teamchef und ergänzte: „Jedem ist bewusst, es beginnt eine neue Ära. Wir möchten in Russland dabei sein.“ Das will auch Georgien. Die kriegerischen Konflikte mit dem nördlichen Nachbarn aus dem Jahr 2008 scheinen offiziell vergessen. Das Land und das Team von Vladimir Weiss ist nach vorne orientiert. Der Slowake hat die Mannschaft im März übernommen.
„Hart umkämpft und schwierig“
Es ist das erste Pflichtspiel für ihn mit Georgien. Ein 1:0-Sieg in einem Testspiel im Juni gegen Spanien sorgte für Aufsehen und eine Portion Hoffnung auf ein gutes Abschneiden in der WM-Quali, wo nur eines der letzten 22 Spiele gewonnen werden konnte.
„Die Spiele werden hart umkämpft und schwierig sein“, sagte Weiss, der auch Personalprobleme beklagte. Dennoch sei die Vorfreude auf den Start in der WM-Quali in der Mannschaft sehr groß. Er weiß, was ein gutes Spiel bedeuten würde. „Es gibt Veränderungen im Land, im Verband, im Team. Jedes positive Ergebnis ist daher ein Schritt vorwärts und damit ein Erfolg. Vielleicht können wir am Montag eine kleine Überraschung bringen.“

ORF.at/Martin Wagner
Noch ist das Tor zur WM-Quali verschlossen. Am Montag spielt hier Georgien gegen Österreich.
Stolz vergangener Tage
Gespielt wird in der Boris-Paitschadse-Dinamo-Arena vor erwarteten 35.000 bis 40.000 Zuschauern. Viele Fans kaufen ihre Karten erst am Spieltag. Das Stadion von Dinamo Tiflis fasst nach einer Renovierung 54.500 Zuschauer, ist aber noch immer eine Betonschüssel bester Art der „Prä-Fußballarena-Zeit“. Das Stadion und Georgiens Fans tragen aber den Stolz mit sich, auf die Zeit als Dinamo Tiflis im russischen Fußball ein Wörtchen mitzureden hatte und sogar zweimal Meister (1964 und 1978) wurde.
Auch der Europacup der Pokalsieger wurde 1981 im Duell mit Carl Zeiss Jena aus der ehemaligen DDR gewonnen. Glanzvolle Zeiten, die - wie so oft - vorbei sind. Heute jubeln die Georgier auch den „Lelos“ zu, der Rugby-Nationalmannschaft, die bei der WM 2015 immerhin zwei Gruppenspiele gewinnen konnte und sich auch Weltmeister Neuseeland entgegenstellte. Im Fußball soll im Duell mit Österreich Ähnliches gelingen.
„Alle wollen in Russland dabei sein“
Auch 200 Fans aus Österreich haben den Weg nach Tiflis gefunden. Sie wollen das Team auf einer neuen Etappe begleiten, bevor am 6. Oktober in Wien das erste Heimspiel gegen Wales ansteht. Für alle Anhänger des ÖFB-Teams gab Koller quasi ein Versprechen ab: „Nach der Pause mit viel Freude und Euphorie, werden Weg weitergehen und zwar zusammen.“
„Wir sind als Team wieder enger zusammengerückt. Jeder weiß, es geht mit der WM-Quali weiter. Alle wollen in Russland dabei sein. Deshalb müssen wir vom ersten Spiel an konzentriert bei der Sache sein.“ Dem Schweizer ist da auch gar nicht bange, dass das schiefgehen könnte. „Grundsätzlich haben die Spieler das Fußballspielen nicht verlernt. Alle haben gut trainiert, sind fokussiert. Im Training war wieder Zug hinter den Aktionen, alle versuchen das Beste auf den Platz zu bringen. Weil wir spüren auch, die Fans glauben noch an uns.“
Mit Konstanz zu einem noch besseren Team
Auch der neue Kapitän Julian Baumgartlinger ist positiv gestimmt: „Die WM-Qualifikation ist ein kleiner Reset für uns. Die Art und Weise, wie alle sich präsentiert haben, zeigt, dass alle wissen, dass eine neue Aufgabe vor uns liegt.“ Viel verändern könne und wolle er als Kapitän nicht. Das wäre nach Ansicht des Neo-Leverkuseners auch gar nicht notwendig.
„Wir sind auf einem guten Weg, eine gute Nationalmannschaft zu sein, und werden noch besser. Der nächste Schritt ist wieder die Qualifikation für ein Großereignis. Bis dahin müssen wir konstante Leistung bringen. Das Geheimnis ist, nicht zu viel anders zu machen. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, war ja nicht so schlecht. Da wäre es falsch, als Kapitän alles neu machen zu wollen.“

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Mögliche ÖFB-Aufstellung gegen Georgien
Deshalb wäre es eine Überraschung, wenn sich Koller mit neuem Konzept oder Taktik auf den Weg nach Russland macht. Auf der linken Abwehrseite wird Markus Suttner die Aufgaben des zurückgetretenen Teamkapitäns Christian Fuchs übernehmen. Da war Koller für seine Verhältnisse schon relativ klar in seinen Aussagen. Über das Überangebot auf der rechten Offensivseite mit Martin Harnik, Marcel Sabitzer, Alessandro Schöpf und Louis Schaub meinte der Schweizer nur, es sei immer gut, Alternativen zu haben.
Kampf der Genügsamkeit
Am Ende gab Koller doch noch ein wenig Einblick in seine Erkenntnisse aus der verpatzten EM, wo das Team zu lange den Erfolgen der Qualifikation nachhing, ohne sich neue, positive Ziele zu setzen. Das sorgte dafür, dass das ÖFB-Team in Frankreich den Leistungsschalter erst umlegen konnte, als schon alles verloren schien - in der zweiten Hälfte gegen Island.
„Wenn du erfolgreich bist, kommt natürlich eine gewisse Genügsamkeit dazu. Das ist jetzt nicht der Fall“, war der Teamchef überzeugt. Und sein Kapitän pflichtet ihm bei: „Wir starten gegen einen sehr kompakten und unangenehmen Gegner, der zuletzt mit guten Leistungen und Ergebnissen aufgezeigt hat. Wir wissen, wir müssen sehr konzentriert offensiv und defensiv agieren und eine Lücke in der Abwehr der Georgier finden. Nur so können wir in die Erfolgsspur zurückfinden.“
Martin Wagner, ORF.at aus Tiflis
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