Skispringer als Rettungsanker
Wer nordischer Skisport sagt, muss in Finnland Lahti sagen. Ab Donnerstag ist die rund 100 km nördlich der Hauptstadt Helsinki gelegene Stadt zum siebenten Mal Schauplatz einer nordischen Weltmeisterschaft. Österreich versucht mit insgesamt 17 Sportlerinnen und Sportlern nach Edelmetall zu schürfen. Doch Medaillen hingen für Rot-Weiß-Rot in Lahti in der Vergangenheit des Öfteren hoch.
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Die Weltmeisterschaft 2017 ist die insgesamt 51. in der Geschichte des nordischen Skisports. Nach 1926, 1938, 1958, 1978 und 1989 fanden 2001 zum bisher letzten Mal Titelkämpfe in Lahti, was auf Deutsch nichts anderes als Bucht heißt, statt. Damit ist die Stadt am Ufer des Vesijärvi-Sees Rekordhalter an WM-Austragungen. Selbst am berühmten Holmenkollen bei Oslo wurde - inklusive Olympia 1952 - nur fünfmal um Medaillen gekämpft. Die WM 2017 ist auch Teil einer riesigen nationalen Party: Finnland feiert heuer seinen 100. „Geburtstag“ als unabhängiger Staat.
Lange Durststrecke
Eine Medaille feiern durfte Rot-Weiß-Rot erst bei der vierten in Lahti ausgetragenen WM. Alois Lipburger gewann damals hinter dem finnischen Lokalmatador Tapio Räisänen - der Schützenhilfe eines Kampfrichters bekam - die Silbermedaille. 23 Jahre nach dem größten Erfolg seiner Karriere war Lipburger auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Springer 2001 mit einer Goldmedaille im Team-Springen von der Normalschanze aus Lahti heimfuhren. Heuer steht dieser Bewerb allerdings nicht mehr im Programm.
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GEPA/Daniel Raunig
Der zu früh verstorbene Alois Lipburger holte die erste Medaille in Lahti
Miterleben durfte Lipburger den Triumph aber nicht mehr. Der 44-jährige Trainer verunglückte drei Wochen vor der WM bei der Heimfahrt von einem Weltcup-Springen in Willingen bei einem Autounfall tödlich. Ausgerechnet Martin Höllwarth, der bei dem Unfall am Steuer saß, wurde bei der WM 2001 zum erfolgreichsten Sportler aus österreichischer Sicht. Der Tiroler war nicht nur Teil des erfolgreichen Normalschanzenteams, sondern holte auch im Einzel Bronze vom kleinen Bakken und wurde mit der Mannschaft von der Großschanze Dritter.
Bei der WM 1989 bewahrte der aktuelle Cheftrainer der Springer, Heinz Kuttin, die rot-weiß-rote Abordnung vor einem Nuller. Der Kärntner gewann hinter dem Deutschen Jens Weißflog, damals noch für die DDR unterwegs, und dem Finnen Ari-Pekka Nikkola die Bronzemedaille auf der Normalschanze. Das Springen ging damals allerdings nicht als Thriller in die Annalen ein. Der Bewerb auf dem windanfälligen Bakken wurde nach einem mit viel Mühe durchgepeitschten ersten Durchgang abgebrochen.
Das Dopingerdbeben von 2001
Bei der WM vor 16 Jahren sprangen nicht nur Österreichs Adler mit schweren Herzen zu Gold, die Titelkämpfe 2001 blieben auch wegen eines der größten Dopingskandale in der Geschichte nordischer Weltmeisterschaften im Gedächtnis. Ausgerechnet die Gastgeber wurden von einem Erdbeben an positiven Tests erschüttert. Den finnischen Topläufern Virpi Kuitunen, Milla Jauho, Harri Kirvesniemi, Jari Isometsä, Janne Immonen sowie dem mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger Mika Myllylä wurde die Einnahme eines Blutexpanders nachgewiesen.
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GEPA/Daniel Raunig
Der finnische Staffelsieg 2001 entpuppte sich als Mogelpackung
Als Konsequenz auf die Enthüllungen wurden die siegreiche Männer-Staffel sowie die zweitplatzierte Staffel der Frauen disqualifiziert. Weil die Einnahme der verbotenen Mittel von oben gesteuert worden war, blieb auch im finnischen Verband kein Stein auf dem anderen. Für Myllylä, 1999 in Ramsau mit drei Goldenen und einer Silbernen Superstar der Titelkämpfe, endete die ganze Causa zudem tragisch. Nach Dopingsperre und missglücktem Comebackversuch wurde der Finne 2011 tot in seiner Wohnung aufgefunden. Myllylä wurde 41 Jahre alt.
Ein Skandal wie 2001 soll sich in Lahti diesmal nicht wiederholen. Auch die grimmige Kälte von vor 16 Jahren, als etwa der 30-km-Langlauf der Damen wegen gesundheitsschädigenden Temperaturen von minus 23 Grad Celsius abgesagt werden musste, soll es nicht geben. Warm anziehen müssen sich die Sportlerinnen und Sportler aber dennoch. Für die ersten Wettkampftage sind Höchsttemperaturen um den Gefrierpunkt prognostiziert.
ÖSV-Vorgabe: Drei Medaillen
Österreichs Aufgebot, bestehend aus 18 Männern und sechs Frauen, muss sich nicht nur an den drei Skisprung-Medaillen von 2001, sondern auch an Team-Silber und Einzel-Bronze von Felix Gottwald in der Kombination messen. Die Vorgabe ist allerdings nicht so hoch wie jene der Alpinen. Hatte Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), sich in St. Moritz noch sechsmal Edelmetall gewünscht, erwartet sich der Tiroler von den Titelkämpfen in Lahti drei Medaillen.
Vor allem die Skispringer sollen es so wie 2001 auf der Anlage rund um die mächtige Salpausselkä-Schanze richten. „Da sind wir im erweiterten Medaillenanwärterkreis drinnen. Wenn man die Saison bisher Revue passieren lässt, dann sind wir bei den Springern wirklich gut dabei“, wird Ernst Vettori, Sportlicher Leiter für Skispringen und Nordische Kombination, in der APA zitiert, „es wird bei den Damen schwer, auch bei den Kombinierern.“
Mit Stefan Kraft und Michael Hayböck hat Österreich auch zwei Saisonsieger im Team. Was noch für das Duo spricht: Der Salzburger und der Oberösterreicher gewannen die bisher letzten Bewerbe in Lahti. Kraft, zuletzt in Einzeln siebenmal in Folge - davon dreimal ganz oben - auf dem Podest, gewann 2015. Hayböck schlug in der vergangenen Saison gleich zweimal zu. Die Kombinierer, Skispringerinnen sowie Langläufer gehen angesichts starker Konkurrenz hingegen ohne Druck in die am Donnerstag beginnende WM.
Karl Huber, ORF.at
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