„Das ist ein öffentlicher Aufruf“
ÖFB-Teamchef Marcel Koller hat einen für seine Verhältnisse ungewöhnlich emotionalen Auftritt absolviert. Der Schweizer nutzte die Kaderbekanntgabe für das WM-Qualifikationsspiel am 11. Juni in Irland dazu, seinen Spielern die Rute ins Fenster zu stellen. Koller missfielen die Beschwerden über den ungünstigen Termin. Am Dienstag ergriff er daher in Wien die Gelegenheit, seinem Ärger darüber auch öffentlich Luft zu machen.
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Die erstmalige Einberufungen von Kevin Danso (Augsburg) und Konrad Laimer (Salzburg) sowie die Rückkehr von Florian Kainz (Bremen) rückten in den Hintergrund, denn Koller legte fast schon eine Wutrede an den Tag. „Das ist ein öffentlicher Aufruf an die Spieler. Das ist ein verdammt wichtiges Spiel, das wird kein Zuckerschlecken. Wir müssen ab der ersten Minute des Teamcamps hellwach und fokussiert sein“, drosch Koller verbal auf den Tisch.
Kollers emotionale Pressekonferenz
Bei der Pressekonferenz im Zuge der Kaderbekanntgabe für das WM-Qualispiel am 11. Juni gegen Irland wurde ÖFB-Teamchef Marcel Koller ungewöhnlich emotional.
„Es gibt nur eines - Vollgas für Österreich“
Sebastian Prödl hatte den Termin zuletzt in der „Kronen Zeitung“ als eine „Frechheit von der FIFA“ bezeichnet. Außerdem bekam Koller offenbar in Telefonaten mit mehreren ÖFB-Internationalen das Gefühl, dass ihnen die Partie weit nach Ende der Clubsaison, wenn Nichtteamspieler auf Urlaub weilen, nicht gerade gelegen kommt.
Ihm sei ein „Raunzen“ aufgefallen, berichtete Koller. „Es ist wichtig, dass sich jeder Gedanken darüber macht, was will ich? Will ich beim Nationalteam dabei sein, dann heißt das, ein rot-weiß-rotes Herz zu haben mit viel Leidenschaft.“ Der Coach wies darauf hin, dass jedes Jahr im Juni Länderspiele anstehen und der Termin für das Irland-Match seit Langem fix ist. „Man muss sich mental darauf vorbereiten oder sagen, ich spiele nicht mehr im Team“, erklärte Koller und ergänzte: „Es gibt nur eines - Vollgas für Österreich.“
Auch Ulmer trübt Kollers Laune
Kollers Laune wurde aber noch anderweitig getrübt. Andreas Ulmer wäre im Kader gestanden, heiratet aber am Wochenende des Irland-Spiels und steht daher nicht zur Verfügung. Ulmer war unter Koller nie erste Wahl, schien aber zuletzt regelmäßig auf der Abrufliste auf. „Wenn du auf Abruf bist, hast du binnen kürzester Zeit beim Team zu sein, wenn jemand ausfällt. Da kann ich nicht auf Mauritius am Pool liegen“, kritisierte Koller. Die Teamkarriere des 31-jährigen dreifachen Internationalen dürfte damit beendet sein, bevor sie richtig losgegangen ist.

APA/Hans Klaus Techt
Ulmers Absage zauberte auch kein Lächeln in das Gesicht von Koller
Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund zeigte wenig Verständnis für die harschen Worte des Teamchefs Richtung Ulmer, schließlich habe man das ÖFB-Team auch über eine Knieblessur des Verteidigers informiert. „Das haben wir gestern auch so mit Ruttensteiner und Koller besprochen, darum wundert es mich jetzt schon ein bisschen, dass sie das auf die Hochzeit abtun, dass der Andi nicht dabei ist - das verdient sich der Andi Ulmer nicht“, sagte Freund im ORF-Kurzsport.
Wirbel um Hochzeit von Ulmer
Marcel Koller stößt der Hochzeitstermin von Andreas Ulmer am Wochenende des Irland-Spiels sauer auf. Meister Salzburg wehrt sich gegen die Vorwürfe: Auch Knieprobleme zwingen Ulmer zur Pause.
„Wir wissen, dass er mit dem Knie schon länger Probleme hat. Er trainiert einen Tag, dann wieder einen anderen nicht“, beschrieb Salzburg-Trainer Oscar Garcia die Verletzungssituation bei Linksverteidiger Ulmer. „Ich habe in meiner bisherigen Karriere wenige Spieler gehabt, die so professionell sind wie Andi“, sagte Garcia über den 31-Jährigen.
Baustellen im Tor und links hinten
Ohne den Salzburg-Spieler wird die ÖFB-Baustelle links hinten noch größer. Christian Fuchs und Markus Suttner gaben ihre Rücktritte bekannt, David Alabas Interesse an einer Nationalteam-Rolle als Linksverteidiger hält sich in Grenzen und Kevin Wimmer konnte auf dieser Position im Herbst nicht entsprechen. Als einziger etatmäßiger Linksverteidiger im Kader bleibt Stefan Stangl, der es in dieser Saison nur auf neun Einsätze bei Salzburg brachte.
Abgesehen davon, dass Marko Arnautovic und Stefan Ilsanker wegen Sperren fehlen, ist auch die Tormannsituation alles andere als rosig. Robert Almer und Andreas Lukse fehlen verletzungsbedingt, Ramazan Özcan kehrte dem Team den Rücken - daher dürfte Frankfurt-Reservist Heinz Lindner wie schon beim 2:2 in Dublin am 26. März 2013 in der WM-Quali zwischen den Pfosten stehen. „Dass er keine Spielpraxis hat, wissen wir auch, aber er hat gezeigt, dass er auf hohem Level spielen kann“, so Koller.
Zuerst in Stegersbach, danach in Wien
Der 56-Jährige startet mit dem Team am 31. Mai in Stegersbach in die Vorbereitung, am 6. Juni übersiedelt man nach Wien. Trainiert wird allerdings von 7. bis 9. Juni in der Südstädter BSFZ-Arena, weil das Ernst-Happel-Stadion samt Kabinen wegen eines Coldplay-Konzerts am 11. Juni schon in den Tagen davor nicht zur Verfügung steht. Koller hätte gern im Prater trainiert, sagte aber auch: „Wir haben mit der Südstadt schon gute Erfahrungen gemacht (Anm.: Trainings im vergangenen Herbst). Dann fahren wir halt ein bisschen länger hin.“
In der fast zweiwöchigen Vorlaufzeit auf die Irland-Partie wäre ein Testspiel möglich gewesen - die Iren etwa absolvieren gleich zwei. „Aber wir verzichten darauf, weil wir damit gegen Russland gute Erfahrungen gemacht haben.“ Im Juni 2015 bereiteten sich die ÖFB-Spieler ähnlich lange auf das Auswärtsmatch gegen Russland vor und lieferten dann beim 1:0 in Moskau die möglicherweise beste Leistung in der Ära Koller ab.
Verlieren ist in Dublin verboten
Nun benötigen die Österreicher einen ähnlich starken Auftritt, schließlich beträgt der Rückstand des viertplatzierten ÖFB-Teams auf den Zweiten Irland und Spitzenreiter Serbien jeweils vier Punkte. Eine Niederlage in Dublin wäre wohl gleichbedeutend mit dem Ende aller Hoffnungen auf eine WM-Teilnahme in Russland, gab Koller zu. „Mit einem Unentschieden wäre es schwieriger, aber noch nicht gelaufen.“ Da Koller scheinbar mit einem Punkt leben könnte, werde man nicht „blind nach vorne rennen“, kündigte der Schweizer an.
Die Iren erwartet Koller eher defensiv. „Sie müssen nicht unbedingt gewinnen.“ Die Ausfälle von Leistungsträgern wie Seamus Coleman, Shane Long und vermutlich James McCarthy könnten Österreich entgegenkommen. „Long kann einem Schmerzen bereiten. Aber es gibt genügend andere Spieler, die sich voll reinhängen werden“, sagte Koller. Seine Mannschaft spielt in Dublin wegen des Todes von Ex-ÖFB-Präsident Beppo Mauhart mit Trauerflor und wird von über 2.500 Fans auf die Grüne Insel begleitet.
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