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„Von welchem Planeten bist du?“

Sein Trainer Zinedine Zidane hat sich in der ersten Reaktion ungläubig an die hohe Stirn gefasst. Sogar die Juventus-Fans erhoben sich von den Sitzen und applaudierten. Cristiano Ronaldo hat Real Madrid in der Champions League auf Halbfinal-Kurs und die Fußballwelt ein weiteres Mal in verzücktes Staunen versetzt. Beim 3:0-Erfolg des Titelverteidigers in Turin erzielte der Weltfußballer am Dienstag das Tor des Jahres.

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63 Minuten waren in Turin gespielt, als sich Ronaldo in die Luft schraubte und eine Flanke herrlich per Fallrückzieher volley übernahm. Gianluigi Buffon war im Tor der Italiener in der Beobachterrolle, als der 33-jährige Ronaldo den Ball traumhaft im Tor versenkte und einmal mehr als Schreckgespenst von Juventus auftrat. Gegen den italienischen Serienmeister hat Ronaldo, der am Dienstag nach 167 Sekunden auch schon zum 1:0 getroffen hatte, nun neun Tore in sechs Aufeinandertreffen erzielt.

Buffon sicherte sich nach Schlusspfiff das Trikot des Superstars, eine Geste mit Symbolcharakter. „Natürlich sprechen die Leute über mein zweites Tor. Es war das vielleicht schönste meiner Karriere“, sagte Ronaldo nach dem Viertelfinal-Hinspiel. Um ein solches Tor zu erzielen, müsse viel zusammenpassen. „Man muss es immer versuchen, ich habe das getan - und es hat geklappt.“ Dass es vom Turiner Publikum danach Standing Ovations für ihn gab, sorgte bei Ronaldo für Freude. „Wenn man bedenkt, wie viele große Fußballer hier gespielt haben. Das ist ein Höhepunkt für mich. Das bleibt im Herzen. Ich danke allen Italienern, die mir heute applaudiert haben.“

Cristiano Ronaldo

APA/AFP/Alberto Pizzoli

Der Held des Abends tröstet den gegnerischen Starkeeper Buffon nach einem Auftritt der Superlative

Unglaubliche Statistiken

Nachdem Real im Achtelfinale auch dank drei Ronaldo-Toren Paris Saint-Germain eliminiert hatte, untermauerten die Madrilenen gegen Juventus erneut, dass mit ihnen auch heuer zu rechnen ist. „Das ist unser Bewerb. Wir lieben es, in der Champions League zu spielen, ich liebe es, in der Champions League zu spielen“, sagte Ronaldo, der im Finish der Partie noch Chancen auf einen Hattrick liegen ließ. Das 3:0 durch Marcelo (72.) gegen nach Gelb-Rot für Paulo Dybala (66.) dezimierte Hausherren bereitete er vor.

Seitdem er beim Finaltriumph über Juventus im Vorjahr (4:1) gescort hat, hat Ronaldo auch in dieser Saison in allen neun Spielen in der Königsklasse angeschrieben. Das hat noch kein anderer Spieler geschafft. „Natürlich macht mich das stolz. Ich liebe es, Rekorde zu brechen“, sagte der Portugiese darauf angesprochen. Seine nun 119 Champions-League-Tore - 19 mehr als Barcas Lionel Messi - sind ebenfalls Bestmarke. Bei 14 Toren im laufenden Bewerb fehlen ihm noch drei auf seinen Rekord aus der Saison 2013/14.

Real schlägt Juve auswärts mit 3:0

Real Madrid hat dank eines überragenden Cristiano Ronaldo die Neuauflage des vorjährigen Champions-League-Finales bei Juventus Turin gewonnen.

„Cristiano kann ab sofort gegen Marsianer spielen“

Die Gazetten überschlugen sich mit Lob für den Real-Star. Dessen zweites Tor sei ein „Kunstwerk“, befand „Corriere dello Sport“. „Tuttosport“ sah Ronaldo wie auch andere italienische Blätter „von einem anderen Planeten“. Die spanische „Marca“ titelte zum Foto des waagrecht in der Luft liegenden Ronaldo nur: „Das Tor.“ Die Sporttageszeitung bezeichnete Ronaldo als „Di Stefano 2.0“. Der gebürtige Argentinier hatte Real 1962 ein 1:0 bei Juve beschert. Seit damals hatte Real bei der „Alten Dame“ nicht mehr gewonnen.

„Cristiano kann die Erde nun verlassen und ab sofort gegen Marsianer spielen“, twitterte sein früherer Mitspieler Alvaro Arbeloa. „Hier bei uns hat er alles getan.“ Auch Ronaldos Trainer konnte über die Vorstellung seines Schützlings nur den Kopf schütteln. „War das Tor schöner oder mein Volley im Finale gegen Bayer Leverkusen (2002, Anm.). Definitiv meines“, scherzte der Franzose. Er sei „ein wenig neidisch“, so Zidane. „Er will in der Champions League immer Großartiges schaffen, wird nie müde, daran zu arbeiten. Das ist seine große Qualität“, meinte der ehemalige Real- und Juve-Star.

Die spanische Zeitung „AS“ errechnete, dass Ronaldo beim Traumtor die Flanke von Dani Carvajal mit dem rechten Fuß in einer Höhe von 2,23 Metern traf. „Von welchem Planeten bist du gekommen?“, fragte das Blatt den Stürmer daher auf der ersten Seite. „Marca“ schrieb, „CR7“ habe sich „den Himmel verdient“. Der Mann von der Insel Madeira wurde von spanischen Medien zudem als „Hexer“ oder „E. T.“ gefeiert. Eine Zahl sagt alles: 649 Karrieretore in Pflichtspielen für Sporting Lissabon, ManUnited und Real.

Alle ziehen den Hut - nur Ibrahimovic nicht

Für Juventus war es die erste Europacup-Heimniederlage seit fünf Jahren. Seit dem Umzug in die neue Juventus-Arena im Herbst 2011 war es außerdem die höchste Niederlage in einem Pflichtspiel. Vielleicht hätte das Spiel anders für die Italiener verlaufen können, wäre Gonzalo Higuain in Minute 23 nicht an einem Superreflex von Reals Torhüter Keylor Navas gescheitert. So musste Trainer Massimiliano Allegri die herbe Niederlage erklären.

„Wenn man gegen eine solche Mannschaft spielt, braucht man ein wenig Glück und, mehr als alles andere, einen Ronaldo an einem schlechten Abend“, sagte der 50-Jährige. Altstar Buffon blieb auch die Rolle des Gratulanten: „Wir haben gesehen, was Ronaldo ist - ein Champion auf außergewöhnlichem Niveau. Wie Messi ist er zu Höchstem fähig. Sie sollten mit Maradona und Pele verglichen werden, so wie sie Spiele für ihre Mannschaften entscheiden.“

Kaum überraschend war Zlatan Ibrahimovic einer der wenigen, die nicht in den allgemeinen Jubelchor miteinstimmten. „Ein nettes Tor. Aber er sollte es aus 40 Metern probieren“, sagte der neue Los-Angeles-Star Ibrahimovic auf ESPN über Ronaldos Fallrückzieher. Der Schwede spielte damit auf gewohnt bescheidene Art und Weise auf sein Kunststück im Jahr 2012 an, als er im Länderspiel gegen England vom rechten Spielfeldrand aus gut 20 Metern per Fallrückzieher ins Tor getroffen hatte.

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