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Einer für alle als Gebot der Stunde

Mannschaftliche Kompaktheit hat laut Einschätzung der heimischen Bundesliga-Trainer bei der Fußball-WM in Russland den Unterschied gemacht. Einer für alle habe als das Gebot der Stunde über individuelle Klasse triumphiert, bemerkten die zwölf Coaches. Wesentlich für den Erfolg seien auch Standardsituation gewesen, dem Videobeweis stellten sie trotz kleiner Schwächen ein gutes erstes Zeugnis aus.

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Für große Fußballnationen wie etwa Argentinien, das sein Spiel auf Superstar Lionel Messi zuschnitt, gab es bei der WM nichts mehr zu holen. Genauso für Mannschaften mit Stars, die sich wenig am Teamwork beteiligten. „Arrivierte Topteams mit hohem individuellen Leistungspotenzial mussten sich kompakten Teams, die wenig zugelassen haben, geschlagen geben“, fasste Mattersburg-Trainer Gerald Baumgartner zusammen.

„Das ist auch das, was in der Liga auf alle zukommt“, sagte Austria-Betreuer Thomas Letsch bereits mit Blick in die nahe Zukunft. Auch hier gebe es genügend Teams, die kompaktes Verteidigen beherrschten. Offensivorientierte Mannschaften müssten sich „mehr einfallen lassen, um Tore zu erzielen“, betonte Letsch. „Und bei mehr Risiko läuft man Gefahr, in Konter zu laufen. Man muss eine gute Balance finden.“

Frankreich mit der besten Mischung

Weltmeister Frankreich vereinte die mannschaftliche Kompaktheit mit der Trumpfkarte der individuellen Klasse am besten. „Didier Deschamps hat auch hinten begonnen, seine Mannschaft zu bauen, und hatte eine Abwehr von Weltformat“, erklärte WAC-Trainer Christian Ilzer. „Stabilität hinten, das war primär, also jedes Mittel zum Sieg recht und vorne mit Mbappe, Griezmann unglaubliche individuelle Klasse.“

Französischer Trainer Didier Deschamps mit WM-Pokal

AP/Martin Meissner

Weltmeistercoach Didier Deschamps machte mit dem französischen Team vieles richtig

Mannschaften, die auf Ballbesitz spielten, schieden früh aus. Auch Frankreich hatte im Finale nur 39 Prozent Spielanteile. „Ich möchte mich nicht in die Reihe der Dogmatiker einreihen, die sagen, dass der Ballbesitzfußball beendet ist“, sagte Sturm-Trainer Heiko Vogel und sprach von einer Momentaufnahme.

Standards als Mittel zum Erfolg

Eine Möglichkeit gegen tief stehende Mannschaften ist nicht nur für Ilzer der ruhende Ball. „Es war einfach eine Bestätigung, dass es eine Waffe ist, die man sehr gut nützen kann.“ Admira-Trainer Ernst Baumeister war nicht überrascht: „Man weiß schon seit Jahren, dass Standards viel beitragen können, weil die Mannschaften taktisch immer besser ausgebildet sind.“ Gleich 73 aller 169 erzielten WM-Tore waren aus Standards entstanden - der höchste Wert seit 1966.

„Das ist keine große Überraschung, aber jetzt auch durch Zahlen klar belegt“, sagte Hartberg-Coach Markus Schopp. Oliver Glasner vom LASK betonte noch einmal die gute Organisation aller Mannschaften. „Es ist schwierig, Tore zu erzielen. Da sind auch Standards wichtig. Ich glaube, dass wir beim LASK auf den Trend eigentlich schon aufgesprungen sind“, sagte Glasner, wohlwissend dass seine Mannschaft in der abgelaufenen Saison die zweitwenigsten Gegentreffer kassiert hat. „Und vorne haben wir schnelle Spieler.“

Keine große Taktikrevolution

Die Wichtigkeit von Standards war auch Salzburgs Marco Rose als erster Punkt seiner WM-Analyse aufgefallen. „Punkt zwei ist es schön zu sehen, dass eine Mannschaft, die bereit ist, viel in ein Spiel zu investieren, die aggressiv verteidigt, die aktiv Fußball spielt, die mit und gegen den Ball wirklich viel will, bis ins Finale kommt - auch als kleines Land (wie Kroatien, Anm.)“, sagte Rose. „Das zeigt mir, dass wir, die einen ähnlichen Spielstil pflegen, da gut dabei sind.“

Olivier Giroud und Ivan Rakitic beim WM-Finale

APA/AFP/Gabriel Bouys

Salzburg-Coach Marco Rose war vor allem von den Spielen Kroatiens angetan

Die große Revolution im taktischen Bereich blieb aus. „Systemmäßig war alles dabei. Man kann mit jedem System erfolgreich spielen, das ist nicht systemabhängig“, erklärte Wacker-Trainer Karl Daxbacher. Altachs Werner Grabherr betonte, „wie wichtig Taktik und Athletik und eine in sich geschlossene Mannschaft sind“. Auf dem Erkenntniszettel von Rapid-Coach Goran Djuricin steht taktische Flexibilität ganz oben. „Das Anlaufverhalten, das Attackieren, einmal hoch, einmal sehr tief, man wechselt das Tempo sehr oft.“

Gutes Zeugnis für Videobeweis

Zum ersten Mal war der Videobeweis (VAR) bei einer WM zum Einsatz gekommen. Die Bundesliga-Coaches outeten sich durchwegs als Befürworter des technischen Hilfsmittels. „Wenn es Möglichkeiten gibt, das Spiel objektiver zu machen, dann her mit diesen Möglichkeiten“, sagte Schopp. Daxbacher ergänzte: „Ich glaube, dass es den Fußball sicher gerechter machen wird in der Zukunft. Man wird lernen aus den jetzigen Fehlern und Mängeln.“

St.-Pölten-Trainer Dietmar Kühbauer forderte eine Nachjustierung. „Der Videobeweis war gut, nur die Hands im Strafraum gehören genauer definiert.“ Für Vogel gibt es bei der Situationsbeurteilung, sei es am Rasen oder im Videoraum, immer eine Grauzone. Trotzdem hat für den Sturm-Coach der technische Beweis klare Vorteile: „Wenn man verhindern kann, dass ein Abseitstor über Sieg und Niederlage entscheidet, dann bin ich ganz klar für den Videobeweis.“

Keine Freude mit Mega-WM

Kollektive Ablehnung schlug dem FIFA-Plan gegenüber, wonach spätestens 2026 die Teilnehmerzahl von 32 auf 48 Teams erhöht wird. „Es verwässert ein wenig das Niveau, das die Zuschauer weltweit sehen wollen. Es sollten nur die besten Mannschaften dabei sein“, sprach Glasner den Grundtenor aus. Mattersburgs Baumgartner dachte an die Fans: „Dann sind jeden Tag vier bis fünf Spiele. Ich weiß nicht, ob das für den Zuschauer zumutbar ist. Am Ende geht es wie immer um die Kohle.“ 48 Teams also bei einer WM? Salzburgs Rose überlegte lange und fand nur ein Wort: „Zach.“

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