Änderung nach Kritik an alter Formel
Mitte August hat der Internationale Fußballverband (FIFA) erstmals eine mit neuer Berechnungsmethode durchgeführte Weltrangliste veröffentlicht. Die Änderung der Methode soll den Nationalteams aller Konföderationen gleiche und faire Chancen bieten, sich in der Weltrangliste zu verbessern. ORF.at hat sich die neue Berechnung genauer angesehen und erklärt, wie sie funktioniert.
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Zuvor hatte es immer wieder Kritik an der Rangliste gegeben, weil die alte Formel sehr kompliziert war und es im Extremfall sogar von Vorteil sein konnte, nicht zu spielen oder ein Spiel zu verlieren. Die auf einem Punkteschnitt für einzelne Spiele über einen Zeitraum von vier Jahren basierende Methode wurde aufgegeben und eine Elo-Berechnungsmethode eingeführt, bei der Punkte zum bzw. vom bestehenden Punktestand eines Teams addiert bzw. subtrahiert werden. Benannt ist diese Methode nach deren Erfinder Arpad Elo.
Eigens für FIFA entwickelter Algorithmus
Elo-Wertungen gibt es im Schach-Weltverband (FIDE) bereits seit 1970, sie werden auch immer öfter von anderen Sportarten angewendet. Der von der FIFA als „SUM“ bezeichnete Algorithmus wurde in den vergangenen beiden Jahren eigens für die Fußballweltrangliste entwickelt und beinhaltet neben einer Anpassung der Spielgewichtung (Freundschaftsspiele haben etwa viel weniger Gewicht als WM-Spiele) auch einige Ausnahmeregeln. Bei K.-o.-Spielen in Endrunden gibt es zum Beispiel keinen Punkteabzug.
Neuer SUM-Algorithmus
P = P_alt + I * (W - We)
Berechnung der Setzliste
P_setzung = 1.600 - (Rang - 1) * 4
Die neue Formel lautet: P = P_alt + I * (W - We). Doch bevor sie angewendet werden konnte, musste die frühere Weltrangliste in eine neue Weltrangliste umgewandelt werden, ohne die Reihenfolge der Teams zu verändern. Für die erste Setzung der Teams in der neuen Weltrangliste wurden die Mannschaften gleichmäßig auf einer Skala von 800 bis 1.600 Punkten verteilt. Die Differenz zwischen zwei nebeneinander liegenden Teams wurde auf vier Punkte festgelegt. So wurden die Punkte für die Setzung berechnet: P_setzung = 1.600 - (Rang - 1) * 4. Die Punkte der Teams im Juni (P_juni) hatten für die Berechnung der Setzliste keine Bedeutung.
Setzung vor neuer Berechnung
Rang |
Land |
P_juni |
P_setzung |
1. |
Deutschland |
1.558 |
1.600 |
2. |
Brasilien |
1.431 |
1.596 |
3. |
Belgien |
1.298 |
1.592 |
4. |
Portugal |
1.274 |
1.588 |
5. |
Argentinien |
1.241 |
1.584 |
6. |
Schweiz |
1.199 |
1.580 |
7. |
Frankreich |
1.198 |
1.576 |
8. |
Polen |
1.183 |
1.572 |
9. |
Chile |
1.135 |
1.568 |
10. |
Spanien |
1.126 |
1.564 |
11. |
Peru |
1.125 |
1.560 |
12. |
Dänemark |
1.051 |
1.556 |
12. |
England |
1.051 |
1.556 |
13. |
Uruguay |
1.018 |
1.552 |
14. |
Mexiko |
989 |
1.548 |
15. |
Kolumbien |
986 |
1.544 |
Weiters: |
25. |
Österreich |
845 |
1.504 |
Basis für die Berechnung der Setzung war die am 7. Juni erschienene Weltrangliste, in der Deutschland mit 1.558 Punkten in Führung lag. Die DFB-Elf erhielt als Nummer eins 1.600 Punkte, Brasilien als Zweiter 1.596, Belgien als Dritter 1.592, und so weiter. Ausnahmen gab es nach Ex-aequo-Platzierungen: Dänemark und England belegten beide Rang zwölf und erhielten jeweils 1.556 Punkte für die Setzung, das nächstschlechtere Team Uruguay erhielt für die Berechnung Rang 13 statt Rang 14 und damit 1.552 Punkte.
P_setzung von Österreich
1.600 - (25 - 1) * 4
1.600 - 24 * 4
1.600 - 96 = 1.504
Österreich belegte in der Juni-Weltrangliste den 26. Platz. Da es vor dem ÖFB-Team eine Ex-aeqo-Platzierung gab, wurde für die Berechnung der Setzliste Rang 25 herangezogen. P_setzung von Österreich = 1.600 - (25 - 1) * 4. Daraus ergaben sich 1.504 Punkte für die Mannschaft von Teamchef Franco Foda vor der erstmaligen Anwendung des SUM-Algorithmus.
Spalte „Vorherige Punkte“ sorgt für Verwirrung
Etwas verwirrend ist, dass die FIFA auf ihrer Website in der Spalte „Vorherige Punkte“ nicht jene der Setzung anführt, sondern jene vom Stand der Juni-Weltrangliste. Für die Berechnung des August-Rankings wurden diese Werte nämlich nicht herangezogen. Ab der nächsten Weltrangliste ist dieses Manko allerdings behoben.
P = P_alt + I * (W - We)
P_alt = Punkte vor dem Spiel
I = Gewichtung des Spiels
W = Sieg/Remis/Niederlage
We = erwartetes Spielergebnis
Um genau erklären zu können, wie die neue Formel funktioniert, müssen zunächst einige Variablen genauer betrachtet werden. Der Wert von P_alt ergibt sich aus den Punkten der Mannschaften vor dem jeweiligen Match, für die erste Berechnung war das die Setzliste. Danach wurde der jeweils aktuelle Wert der Teams herangezogen. I zeigt die Gewichtung des Spiels an und kann Werte zwischen fünf (Freundschaftsspiel) und 60 (WM-Endrunde ab Viertelfinale) annehmen.
Gewichtung des Spiels
- I = 5: Freundschaftsspiele, die außerhalb internationaler Fenster im Spielkalender ausgetragen werden
- I = 10: Freundschaftsspiele, die während internationaler Fenster im Spielkalender ausgetragen werden
- I = 15: Gruppenspiele bei Nations-League-Wettbewerben
- I = 25: Entscheidungs- und Finalspiele bei Nations-League-Wettbewerben sowie Qualifikationsspiele für Kontinental-Endrunden (z. B.: EM) und der Weltmeisterschaft
- I = 35: Spiele bei Kontinental-Endrunden bis und mit Achtelfinale
- I = 40: Spiele bei Kontinental-Endrunden ab Viertelfinale sowie alle Spiele des Confed-Cups
- I = 50: Spiele bei der WM-Endrunde bis und mit Achtelfinale
- I = 60: Spiele bei der WM-Endrunde ab Viertelfinale
We = 1 / (10^(–dr / 600) + 1)
dr ist die Differenz in der Wertung der beiden beteiligten Teams:
dr = P_alt Team A – P_alt Team B
W gibt das Spielergebnis an und hat bei einem Sieg den Wert 1, bei einem Remis den Wert 0,5 und bei einer Niederlage den Wert 0. We bezeichnet das zu erwartende Spielergebnis. Es wird angenommen, dass besser rangierte Teams gegen schlechter rangierte Teams besser abschneiden sollten. Die Formel dafür lautet: We = 1 / (10^(–dr / 600) + 1). Die Variable dr ist die Differenz in der Wertung der beiden beteiligten Teams: Punkte vor dem Match von Team A minus Punkte vor dem Match von Team B.
Beispiel Österreich nachgerechnet
Da alle verwendeten Variablen nun ausreichend erklärt sind, ist es Zeit für die praktische Anwendung: Als sehr einfach erwies sich die Berechnung der neuen Weltranglistenpunkte im Beispiel Österreich. Das ÖFB-Team hatte nach Erscheinen der Juni-Weltrangliste nur das Freundschaftsspiel gegen Brasilien, das in Wien mit 0:3 verloren ging. Die ORF.at-Berechnung kam auf den gleichen Wert, den die FIFA auf ihrer Website (1.501,94 bzw. gerundet 1.502) ausweist.
Beispiel Österreich - Brasilien (0:3): |
|
Österreich |
Brasilien |
P_alt |
1.504 |
1.596 |
I |
5 |
5 |
W |
0 |
1 |
We |
0,41 |
0,59 |
P = P_alt + I * (W - We): |
P |
1.504 + 5 * (0 - 0,41) |
1.596 + 5 * (1 - 0,59) |
|
1.501,94 |
1.598,06 |
Was passiert aber, wenn ein Team mehrere Matches in einer Berechnungsperiode hatte? Auch das konnte nachvollzogen werden, wenngleich nicht beim ersten Versuch. Denn der Fehlerteufel liegt im Detail. In der Erklärung der Berechnungsmethode führte die FIFA ein Beispiel an, in dem Team A nach dem Match 17 Punkte dazubekam und Team B 17 Punkte verlor. Diese Ergebnisse waren allerdings auf ganze Zahlen gerundet, mit zwei Kommastellen erhielt man den Wert 17,07. Dass diese kleine Abweichung von 0,07 zum Problem werden kann, zeigt das nächste Beispiel.
Rundungsfehler kostet Deutschland einen Punkt
Beim Versuch, die 1.560,71 Punkte (gerundet 1.561) vom bei der WM in Russland entthronten Weltmeister Deutschland nachzuvollziehen, scheiterte zunächst die Berechnung. Zu berücksichtigen waren insgesamt vier Spiele: Ein 2:1-Sieg im Testmatch (I = 5) gegen Saudi-Arabien sowie die drei Gruppenspiele der DFB-Elf bei der WM (I = 50). Dem Beispiel auf der FIFA-Website folgend wurden zunächst die Punkte nach jedem Match auf volle Zahlen gerundet. Das hatte zum Effekt, dass Deutschland in der ORF.at-Berechnung nur 1.560 statt 1.561 Punkte in der August-Weltrangliste auf dem Konto hatte.
Auch die Berechnung mit zwei Kommastellen brachte noch kein befriedigendes Resultat, weil es weiterhin einen Fehler im zweiten Nachkommabereich (FIFA: 1.560,71, ORF.at: 1.560,75) gab. Also folgte ein dritter Versuch. Um ganz sicher zu gehen, lag die Genauigkeit nun bei zehn Nachkommastellen. Das Ergebnis (1560,7095807251) entsprach nun auf zwei Kommastellen gerundet dem FIFA-Wert.
ORF.at-Berechnung der Weltranglistenpunkte
Deutschland: |
Punkte nach Setzliste von Juni |
1.600,00 |
Punkte nach Test gegen Saudi-Arabien (2:1) |
1.601,38 |
Punkte nach WM-Spiel gegen Mexiko (0:1) |
1.573,71 |
Punkte nach WM-Spiel gegen Schweden (2:1) |
1.596,68 |
Punkte nach WM-Spiel gegen Südkorea (0:2) |
1.560,71 |
Sonderfall Elfmeterschießen
Für Verlierer: W = 0,5 statt 0
Für Sieger: W = 0,75 statt 1
Anwendung nur bei Endrunden
Sonderfälle im SUM-Algorithmus
Es gibt auch einige Sonderfälle im neuen SUM-Algorithmus, die in den bisher angeführten Beispielen noch nicht zum Tragen kamen: Wenn es bei einer Kontinental- oder WM-Endrunde zum Elfmeterschießen kommt, dann wird das Match für das Verliererteam wie ein Unentschieden (W = 0,5) gewertet. Das Gewinnerteam erhält nur einen halben Sieg (0,75 statt 1 für einen Sieg nach regulärer Spielzeit oder Verlängerung).
Auch Spiele, die nach regulärer Spielzeit oder Verlängerung einen Sieger haben, können ins Elfmeterschießen gehen, um das Weiterkommen eines Teams zu bestimmen. Der Ausgang eines solchen Spiels wird wie ein normaler Sieg bzw. eine normale Niederlage gewertet. Möglich ist dies zum Beispiel im Play-off der WM-Qualifikation, das in Hin- und Rückspielen ausgetragen wird.
Sonderfall K.-o.-Phase
Wenn (W – We) < 0, dann P = P_alt
Teams verlieren keine Punkte
Teams, die in einer K.-o.-Phase einer Endrunde ein Minus an Punkten verzeichnen würden (nach einer Niederlage oder einem Sieg nach Elfmeterschießen gegen ein schlechter rangiertes Team), verlieren keine Punkte. Die Regel dafür lautet: Wenn (W – We) < 0, dann P = P_alt. Diese Regelung wurde eingeführt, damit Teams, die in die K.-o.-Phase einziehen, keine Punkte verlieren.
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