Der lange Weg zurück zur Normalität
Der Weg zurück in die Normalität war lang und hätte beinahe in der zweiten Liga geendet. Hannover 96 kämpfte Monate mit den Folgen des Selbstmordes von Robert Enke. Der Verein war in Trauer gefangen. Der Verlust des besten Spielers wog menschlich und sportlich schwer.
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Trauern um Robert Enke und gleichzeitig um Bundesliga-Punkte spielen - an diesem Zwiespalt wäre Hannover 96 vorige Saison fast zerbrochen. Erst am letzten Spieltag machte das wochenlang wie blockiert wirkende Team durch einen 3:0-Erfolg beim VfL Bochum den Klassenverbleib perfekt. Hinterher flossen Tränen, und die ganze Anspannung nach einer im Profifußball beispiellosen Saison mit der Tragödie um Enke, zwei Trainerwechseln und vielen anderen Tiefschlägen entlud sich.
„Wir haben dieses Spiel für einen Mann gewonnen. Und der heißt Robert Enke und ist jetzt im Himmel“, sagte damals Torwart Florian Fromlowitz. Diese Worte machten deutlich, wie schwer der Verlust wog, wie sehr er die ganze Mannschaft bedrückte. Gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen trug Fromlowitz ein Spruchband mit der Aufschrift „Robert - R.I.P.“.
Schwierige Trauerarbeit
Jener 8. Mai markierte einen Wendepunkt in der schwierigen Trauerarbeit, welche die Vereinsführung und die sportliche Leitung nach der Beisetzung Enkes vor große Probleme stellte. „Es war nicht leicht, die Mannschaft zu erreichen“, sagte 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke. Nach Enkes Freitod gelang 13-mal kein Sieg. Der Trainerwechsel von Andreas Bergmann zu Mirko Slomka verpuffte zunächst wirkungslos. Slomka startete mit sechs Niederlagen, doch Clubchef Martin Kind hielt an ihm fest. Die ganze Belastung fiel aber erst nach dem Schlusspfiff im Bochumer Ruhrstadion ab.
„Alle haben nur den Tod von Robert Enke im Kopf gehabt“, sagte Arnold Bruggink, der das Kapitänsamt von Enke übernommen hatte. Inzwischen hat der Niederländer Hannover 96 verlassen, auch andere Profis wie Enkes Freund Hanno Balitsch oder Jiri Stajner spielen nicht mehr im 96-Team. Neue Spieler kamen, die den Ex-Keeper nicht kannten. Der lange Weg zurück in die Normalität ist so gut wie abgeschlossen. Die neue Mannschaft startete mit fünf Siegen aus zehn Spielen in die laufende Saison und hat laut Clubchef Kind das „Sieger-Gen“ entdeckt.
Enkes erster Todestag am Mittwoch kommender Woche rückt den Selbstmord erneut in den Mittelpunkt. Der Verein ist bemüht, das Thema deutlich kleiner zu fahren als vor einem Jahr, als fast 40.000 Menschen in einer bewegenden Trauerfeier Abschied von dem beliebten Spieler nahmen. Kind, Schmadtke und Ex-Trainer Bergmann, der jetzt wieder die 96-Amateure in der Regionalliga betreut, erhielten für ihr damaliges Trauermanagement viel Lob.
„Es gab kein Lehrbuch“
„Es gab kein Lehrbuch und keinen Ordner. Wir waren überzeugt, dass wir das angemessen und richtig machen“, sagte Präsident Kind. Selbstkritisch räumte er in einem Interview des NDR-Fernsehens ein, dass man einige Sachen anders hätte machen können: „Zum Beispiel, dass die Spieler den Sarg getragen haben, war eine zu große Belastung für sie.“ Andere Entscheidungen, etwa die Rückennummer eins nicht mehr zu vergeben, hat der Verein bereits revidiert.
Am ersten Todestag wollen der DFB und Hannover 96 Kränze auf Enkes Grab in Empede bei Neustadt in der Region Hannover niederlegen. Trauernde Fans erhalten in der Nähe des Stadions eine Möglichkeit, sich an den Torwart zu erinnern. Ein Gedenkgottesdienst ist derzeit nicht geplant, auch keine Gedenkminute und kein Trauerflor beim Heimspiel am Sonntag gegen Tabellenführer Borussia Dortmund.
Peter Hübner und Michael Rossmann, dpa
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