Präventive Unterstützung
Die Versprechen waren groß, die Erwartungen auch. Ein Jahr nach dem Selbstmord von Robert Enke entsteht im deutschen Fußball ein Netzwerk zur Stressprävention. Die Deutsche Fußball Liga und die Spielergewerkschaft VDV entwickeln zusammen mit Wissenschaftlern ein System, um Fußballprofis präventiv Unterstützung bei psychischen Problemen anbieten zu können.
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„Der Blick ist immer noch zu wenig auf psychologisches Training oder auf die Prävention von Stress und Burn-out gerichtet“, sagte Sportpsychologe Jens Kleinert. Es müsse noch mehr Angebote geben wie das Projekt „Mentaltalent“. Dabei bietet die Deutsche Sporthochschule in Köln jungen Athleten mentales Training zur Stressbewältigung an. Kleinert ist Projektleiter.
Das gerade entstehende Netzwerk im Fußball soll den Profis dabei helfen, Rückschläge zu verarbeiten und Burn-out oder Depressionen erst gar nicht entstehen zu lassen. „Da wir alle mehr Rückschritte als Lösungen haben, ist es ebenso wichtig, mit Niederlagen umzugehen, wie Erfolge zu genießen. Manchen fällt das schwerer, denen wollen wir helfen“, sagte Kleinert.
Eine Mannschaft um sich zu haben, sei aber nicht zwangsläufig ein Vorteil beim Kampf gegen psychische Probleme. „Eine Mannschaft kann da natürlich entlasten, sie kann aber genauso stören“, erklärte Kleinert. „Bei Burn-out oder Depression spielt oft das Gefühl der Isolation eine große Rolle. Eine Mannschaft mit starker Konkurrenzsituation kann dies verstärken.“
Von öffentlichen Outings abgeraten
DFB-Sportdirektor Matthias Sammer hat unterdessen depressiven Profis davon abgeraten, sich zu outen. „Wenn wir es schaffen, zu Spielern, die spüren, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist, Vertrauen zu schaffen, dass sie zum Trainer gehen, dann ist das doch schon die höchste Form, die wir erreichen können. Die Öffentlichkeit sollten wir dabei weglassen“, sagte Sammer am Dienstag.
In den Clubs gebe es aber inzwischen eine größeres Bewusstsein und eine steigende Wachsamkeit für Probleme der Fußballer. „Ich glaube, dass mit dem Thema mittlerweile sehr offen umgegangen wird und auch die Sensibilität für das Thema bei den Vereinen sehr groß ist“, sagte Sammer.
„Beruflich ein Fehler“
Ebenfalls gegen ein öffentliches Outing spricht sich der frühere St.-Pauli-Spieler Andreas Biermann aus. Er selbst leidet an Depressionen und hatte sich einen Tag nach dem Selbstmord von Robert Enke am 10. November 2009 seinem damaligen Trainer Holger Stanislawski anvertraut. „Das Outing war beruflich ein Fehler, menschlich hat es mir geholfen“, sagte Biermann am Samstagabend im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF.
Der 30-Jährige war bereits vor einigen Wochen in der ARD-Talkshow „Beckmann“ aufgetreten und hatte dort über seine Krankheit berichtet. Biermann befindet sich weiterhin in ärztlicher Behandlung und nimmt Medikamente. Sein Vertrag beim FC St. Pauli war in diesem Sommer ausgelaufen. „Trotz der Therapie kann man zu 100 Prozent Leistungssport betreiben“, betonte Biermann.
Befürchtungen bestätigt
Dennoch konnte er seine Fußballkarriere nicht fortsetzen. Alle Verhandlungen mit Clubs aus der zweiten und dritten Liga scheiterten. „Depression wird als Schwäche gesehen, und dafür ist im Fußball kein Platz. Die Befürchtungen, die ich hatte, bevor ich meine Krankheit öffentlich gemacht habe, haben sich bestätigt. Ich würde keinem depressiven Profi empfehlen, seine Krankheit öffentlich zu machen“, erklärte Biermann in der „Welt am Sonntag.“ Der Erkrankte solle sich aber behandeln lassen. „Die Therapie hat mich gerettet.“
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