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„Muss vier Wochen auf Krücken gehen“

Hans Grugger, Mario Scheiber, Georg Streitberger und Marcel Hirscher: Schon vier Topläufer hat der ÖSV für die WM in Garmisch verletzungsbedingt vorgeben müssen. Nun ereilte Benjamin Raich ausgerechnet vor den WM-Technikrennen das Aus. Der 32-Jährige verletzte sich im Teambewerb ohne Sturzeinwirkung am Knie - Kreuzbandriss, Knorpelabbruch. Die Operation in Innsbruck verlief komplikationslos.

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Die WM ist für Routinier Raich, in der Superkombi noch Vierter und ÖSV-Hoffnungsträger für den Riesentorlauf (Freitag) und den abschließenden Slalom am Sonntag, aber ebenso vorbei wie die Saison. Die genaue Diagnose nach der Untersuchung in Innsbruck durch die Ärzte Karl Golser und Gernot Sperner wurde zur Hiobsbotschaft für das ÖSV-Team. Raich hatte bei seinem Missgeschick einen Riss des linken vorderen Kreuzbandes, einen Knorpelabbruch des äußeren Schienbeinkopfes und einen Teileinriss des äußeren Meniskus erlitten.

Noch am Mittwochabend erfolgte im Sanatorium Kettenbrücke der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck der operative Eingriff, der rund 45 Minuten dauerte und komplikationsfrei verlief, wie Golser bei der anschließenden Pressekonferenz sagte. Dabei wurde das vordere Kreuzband durch ein körpereigenes Sehnentransplantat ersetzt und der eingerissene Außenmeniskus arthroskopisch genäht. Eine angekündigte Knorpelbohrung war hingegen nicht erforderlich.

Genesung in sechs Monaten

Raich werde bereits am Donnerstag mit der Rehabilitation beginnen. „Er wird eine Schiene tragen, wegen der Meniskusverletzung vier Wochen auf Krücken gehen müssen“, so Golser. Laut dessen Erwartungen werde sein Patient in sechs Monaten wieder voll Ski fahren können. „Raich hat die besten Voraussetzungen, in den Skisport zurückzukehren.“ Auch deshalb, weil es im operierten Knie keine Vorschäden gegeben habe.

Benjamin Raich und Dr. Karl Golser

APA/Peter Hechenberger

Raich in Innsbruck bei der Untersuchung seines Knies.

„Es war ein völlig intaktes Knie, ein jugendliches Knie ohne Abnützungserscheinungen“, sagte Golser, der Raichs Missgeschick im Fernsehen verfolgt und sofort befürchtet hatte: „Im Verletzungsfall wird das Kreuzband betroffen sein.“ Der Unfallchirurg untersuchte Raich in weiterer Folge in seiner Ordination in Innsbruck. „Zunächst war er geknickt, aber er hat sich schnell gefangen und ist für die Zukunft gerüstet“, so Golser.

WM-Silber für Österreich im Teambewerb geriet unter diesen Umständen zur Nebensache. Der Schock bei den Verantwortlichen im ÖSV-Team saß tief - auch bei Präsident Peter Schröcksnadel, der gegenüber ORF.at umgehend Maßnahmen forderte und die Sicherheitsdebatte neu anheizte.

„Keine Zeit mehr verlieren“

„Denn spätestens jetzt ist es allerhöchst an der Zeit, am Materialsektor endlich was zu verändern“, sagte Schröcksnadel auf ORF.at-Anfrage. „Bennis Verletzung hat wieder einmal gezeigt, dass das derzeit gefahrene Skimaterial ein zu großes Risiko mit sich bringt. Deshalb sind nun alle Verantwortlichen gefordert, diesbezüglich keine Zeit mehr zu verlieren.“ Was auch immer passiert, für Raich passiert es zu spät.

„Ich bin sehr aufgewühlt. Zwei große Chancen hätte ich bei der WM noch gehabt. Nun ist es leider vorbei. Es ist eine relativ schwere Verletzung. So etwas kann immer und überall, auch beim Training, passieren“, sagte Raich noch vor der Operation. Über die Verletzungsserie im ÖSV-Team urteilte Raich: „Wir werden in letzter Zeit ganz schön geplagt, aber es muss weitergehen. Wenn man den Hans (Grugger, Anm.) sieht, dann ist meine Verletzung harmlos. Ich hoffe, dass alles gut verläuft.“

Bestürzte ÖSV-Teamkollegen

Michaela Kirchgasser, Mitglied der ÖSV-Mannschaft im Teambewerb, suchte nach Raichs Aus nach passenden Worten. „Der Benni ist so ein total netter Kerl. Das wünscht man wirklich niemandem. Gold, Silber oder Bronze rückt da wirklich in den Hintergrund“, sagte die 25-jährige Salzburgerin. „Das Beste, was uns passieren kann, ist, dass wir am Abend gesund ins Bett steigen können.“

Auch Philipp Schörghofer, Sieger des Riesentorlaufs in Hinderstoder und damit der WM-Generalprobe, war nach Raichs Verletzungspech fassungslos. „Ich habe die Szene im Zielraum gesehen. Da sieht man wieder einmal, was alles auch ohne einen schweren Sturz passieren kann. Die Verletzung ist natürlich brutal bitter für Benni und das ganze Team. Aber so ist das Skifahren, da kann es verdammt schnell gehen.“

Folgenschweres Missgeschick

Raich, der in Garmisch seine zwölfte Medaille im Visier hatte, hatte sich, wie auch Schörghofer verwundert zur Kenntnis nahm, ohne zu stürzen verletzt und humpelte, nachdem er im Achtelfinale des Teambewerbs gegen den Kroaten Natko Zrncic-Dim ausgeschieden war, wortlos durch das Ziel der Kandahar. Entsetzt war allen voran Lebensgefährtin Marlies Schild, die in der Folge gar nicht mehr antrat und durch Kombi-Weltmeisterin Anna Fenninger ersetzt werden musste.

An dem einen Tor habe es ihn aufgehoben, so Raich später, und er habe danach am linken Fuß keine Spannung mehr gehabt. Das war der entscheidende Moment. „Dabei habe ich mich am Knie verletzt.“ Für ÖSV-Teamärztin Brigitte Auer war sofort klar, auch ohne Diagnose: „Für einen Start im Riesentorlauf bin ich nicht sehr optimistisch. Das Knie ist ein wenig angeschwollen, schmerzhaft und instabil“, sagte Auer noch im Zielraum. Es sollte schlimmer kommen.

Michael Fruhmann, ORF.at in Garmisch

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