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Deutsche Offensive wie eine Dampfwalze

Das österreichische Nationalteam ist am Freitag im EM-Qualifikationsduell mit Deutschland schwer unter die Räder gekommen. Wie ein Orkan fegten die Offensivstars des dreifachen Weltmeisters vor 53.000 Zuschauern in Gelsenkirchen über die ÖFB-Verteidigung hinweg. Angeführt von einem überragenden Mesut Özil gewannen die Deutschen mit 6:2 (3:1) und lösten das Ticket für die Endrunde 2012.

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Österreich muss weiter auf den ersten Auswärtssieg über Deutschland seit 80 Jahren (1931, 6:0 in Berlin) warten. Auch mit dem ersten vollen Erfolg in einem Pflichtspiel gegen die DFB-Auswahl seit der WM-Vorrunde 1978 (3:2 in Cordoba) klappte es wieder nicht. Und phasenweise wurde es für Joachim Löw in seinem 70. Match als Bundestrainer sogar der von vielen erwartete Spaziergang der nun fix für die EM qualifizierten Deutschen. Das chancenlose ÖFB-Team von Dietmar Constantini dagegen vergab seine allerletzte Chance in Gruppe A und musste am Ende froh sein, nicht noch höher verloren zu haben - Videos der Tore in insider.ORF.at.

Spielszene Österreich - Deutschland

AP/Frank Augstein

Arnautovic setzte einige der wenigen österreichischen Akzente im Spiel

Rückkehrer von Beginn an

Auch mit seiner Startformation hatte Constantini Gegenüber Löw nur bedingt überraschen können. Rückkehrer Marko Arnautovic begann in der Schalke-Arena als Sturmpartner von Martin Harnik. Mit sieben Deutschland-Legionären in der ersten Elf versuchte Constantini gegen den Vize-Europameister und WM-Dritten sein Glück. Bayern-Jungstar David Alaba bildete mit dem Neo-Mainzer Julian Baumgartlinger die Zentrale. Ekrem Dag kam über rechts, den am Mittwoch zu Hannover transferierten Daniel Royer brachte der Teamchef auf der linken Flanke.

Frankfurt-Stürmer Erwin Hoffer nahm vorerst auf der Ersatzbank Platz, die Taktik der Österreicher war dennoch von Beginn an auf Konter ausgelegt. Kapitän Marc Janko, der wegen Adduktorenproblemen hatte passen müssen, sah gemeinsam mit rund 3.000 österreichischen Fans von der Tribüne aus nervöse Anfangsminuten seiner von Stellvertreter Christian Fuchs angeführten Teamkollegen. Arnautovic beging seinen ersten Ballkontakt im Strafraum mit einem „Fersler“ zum Gegner, in der sechsten Minute kam Harnik am „Fünfer“ nach einem Querpass von Dag knapp zu spät.

Spielszene Österreich - Deutschland

Reuters/Ina Fassbender

Bezeichnende Szene: Alaba gegen Badstuber um einen Schritt zu spät

Spiel auf ein Tor nimmt seinen Lauf

Ansonsten hatten die enorm selbstbewusst und ballsicher auftretenden Gastgeber alles im Griff. Real-Madrid-Regisseur Mesut Özil riss das Ruder im schnellen Kombinationsspiel der Deutschen sofort an sich, über die Außenspieler Thomas Müller (rechts) und Lukas Podolski (links) drangen sie gleich in den ersten Minuten mehrmals in den Strafraum der Österreicher ein. Die Viererkette um Emanuel Pogatetz und Franz Schiemer geriet immer mehr ins Schwimmen. Der Führungstreffer der Deutschen war nur eine Frage der Zeit - nach nicht einmal acht Minuten aber natürlich fatal.

Der eigentlich als „Sechser“ hinter Özil und Toni Kroos agierende Bastian Schweinsteiger tauchte rechts im Strafraum auf und ließ Christian Fuchs bei dessen „Heimspiel auf Schalke“ scheinbar mühelos aussteigen. Die Flanke verlängerte Schiemer direkt zu Özil, der aus etwa 18 Metern Entfernung volley zum 1:0 einschoss. Der Schiedsrichter schrieb das Tor jedoch dem vor ÖFB-Keeper Christian Gratzei postierten Miroslav Klose zu, der Lazio-Stürmer hatte den Ball irgendwie noch berührt. Nachdem Klose (17.) einen Schuss knapp über die Latte gesetzt hatte, folgte schon der nächste große Auftritt von Özil.

Özil überragend, ÖFB-Defensive überfordert

Auf dem direkten Weg zum Tor schnitt der Spanien-Legionär aus dem Mittelfeld kommend durch die ÖFB-Abwehr wie das sprichwörtliche Messer durch die Butter. Weder Baumgartlinger noch Schiemer oder Pogatetz konnten den heranstürmenden DFB-Youngster vom Ball trennen. Nachdem er auch Gratzei ausgespielt hatte, musste Özil nur noch zum 2:0 (23.) einschieben. Die Constantini-Elf war angezählt, mit weiteren leichten Ballverlusten bettelte man förmlich um den endgültigen K.-o.-Schlag. Die voll in Fahrt gekommenen Deutschen ließen sich nicht lange bitten - es war Zeit, dass auch Podolski seine bei Köln gezeigte Formkrise überwand.

Spielszene Österreich - Deutschland

APA/dpa/Marius Becker

Özil tanzte die ÖFB-Abwehr beim 2:0 förmlich aus

Einen schönen Doppelpass mit Holger Badstuber schloss Podolski mit einem satten Schuss zum 3:0 (28.) ab. Florian Klein war auf der rechten Abwehrseite schwindlig gespielt worden, Gratzei ließ das kurze Eck offen und sah bei diesem Treffer ebenfalls nicht gut aus. Eine inferiore halbe Stunde des ÖFB-Teams ließ auch für das Finish der ersten Hälfte das Schlimmste befürchten. Doch die Gäste erfingen sich nun halbwegs und hatten bis zur Pause sogar ihre beste Phase im gesamten Spiel. Ein Kopfball von Pogatetz (31.) strich an der rechten Stange vorbei, ein Dag-Weitschuss (32.) ebenfalls, und schließlich erzielte Arnautovic nach Flanke von Klein per Kopf das 1:3 (42.).

Spaziergänge durch die Abwehr

Ordentlich gebeutelt, aber zumindest mit einem Teilerfolgserlebnis gingen die Österreicher in die Pause, aus der sie personell unverändert zurückkamen. So wie übrigens auch Özil, der seine Galavorstellung sogleich fortsetzte. Nach einem weiten Abschlag des an früherer Wirkungsstätte weitgehend beschäftigungslosen DFB-Torhüters Manuel Neuer wurde der 22-Jährige von Fuchs zu zaghaft attackiert. Özil schüttelte den ÖFB-Kapitän ab und bezwang den schlecht postierten Gratzei erneut in die kurze Ecke zum 4:1 (47.).

Das Match sollte nun immer turbulenter werden. Die Deutschen waren bestrebt, Österreich mit einem Debakel zurück nach Wien zu schicken, und vernachlässigten so ihre Defensive. Die Constantini-Elf schwankte zwischen Auflösungserscheinungen im defensiven Mittelfeld sowie in der Abwehr und dem Mut der Verzweiflung im Angriff. Mit dem Rücken zum Tor spielte Arnautovic über die einen Moment unaufmerksame DFB-Viererkette hinweg den an der Strafraumgrenze lauernden Harnik an. Der Stuttgart-Stürmer nahm den Ball gut an und schoss eiskalt zum 2:4 (51.) ein.

Halbes Dutzend ohne Mühe vollgemacht

Nur Augenblicke nach dem Anstoß der Deutschen feuerte Harnik (52.) einen Volley ans Außennetz. Die nicht unähnliche Direktabnahme von Podolski (54.) wurde auf der anderen Seite von Gratzei pariert. Überhaupt entwickelte sich in der Folge ein Duell Deutschland gegen Gratzei. Bei Schüssen des eingewechselten Jerome Boateng (62.) und von DFB-Matchwinner Özil (66.) zeigte sich der zuvor indisponierte Sturm-Graz-Goalie nun warmgeschossen und sicher. Dass die Intervalle zwischen den deutschen Angriffswellen dann wieder größer wurden, lag am Zurückschalten der Hausherren um mindestens einen Gang.

Spielszene Österreich - Deutschland

Reuters/Ina Fassbender

Baumgartlinger und Klose agierten in Gelsenkirchen nicht auf Augenhöhe

Deutschland kombinierte trotzdem gefällig weiter, zeigte mit mangelnder Konsequenz beim letzten Pass fast Mitleid mit der ÖFB-Abwehr und verzichtete auf eine enge Deckung von Harnik und Arnautovic. Dass die beiden noch einige Male in Richtung des deutschen Strafraums unterwegs waren, nahm die DFB-Viererkette offenbar in Kauf. Der von Löw in der zweiten Hälfte eingewechselte Andre Schürrle hatte aber auch vorne noch etwas vor. In der 84. Minute war die österreichische Verteidigung zum wiederholten Male nicht im Bilde, begleitete Schürrle zum 5:2 und ließ Gratzei noch einmal im Stich.

In der Schlussphase kam der Dortmunder Shootingstar Mario Götze auf das Spielfeld - und zu seinem Tor. Das 6:2 (88.) via Innenstange entsprang abermals einer schnellen Kombination über mehrere Stationen, ohne dass die österreichischen Verteidiger auch nur ansatzweise eingreifen konnten. Alles ins allem war das einseitige Duell längst zum Lehrspiel für Constantini und sein Team geworden.

Harald Hofstetter, ORF.at aus Gelsenkirchen

EM-Qualifikation, Gruppe A

Freitag

Deutschland - Österreich 6:2 (3:1)

Gelsenkirchen, 53.000 Zuschauer SR Tagliavento (ITA)

Torfolge:
1:0 Klose (8.)
2:0 Özil (23.)
3:0 Podolski (28.)
3:1 Arnautovic (42.)
4:1 Özil (47.),
4:2 Harnik (51.)
5:2 Schürrle (84.)
6:2 Götze (89.)

Deutschland: Neuer - Höwedes (46./Boateng), Badstuber, Hummels, Lahm - Schweinsteiger, Kroos (85./Götze) - Müller, Özil, Podolski (74./Schürrle) - Klose

Österreich: Gratzei - Klein, Schiemer, Pogatetz, Fuchs - Dag, Baumgartlinger, Alaba, Royer (73./Hoffer) - Harnik - Arnautovic

Gelbe Karten: keine

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